Haszcara im Interview über Selbstliebe, Vorurteile, Süchte und „Nein“-sagen

3. Worum geht es in „Hast du gedacht?“?

Es geht um die Steine, die mir in den Weg gelegt wurden.

Du rappst darüber, dass du früher stark bevormundet und kleingeredet wurdest. Die Line „Es ist Fakt, du hast mein Feuer erst entfacht“ wirkt aber so, als hättest du aus der Situation trotzdem Kraft geschöpft.

In irgendeiner Weise haben mir diese Erfahrungen neue Perspektiven aufgezeigt und mir auch Kraft gegeben. Wenn ich schreibe, verspüre ich richtigen Druck und lasse alles stehen und liegen. Das wäre sonst vielleicht nicht so.

Was für Steine wurden dir denn in den Weg gelegt? 

Ich musste lernen, dass die Liebe zu sich selbst und die Liebe zu anderen keinen Widerspruch darstellt. Wenn dich jemand wirklich liebt, wird er deine Grenzen respektieren und dich auch noch toll finden, wenn du mal schlechte Laune hast und nicht immer der Sonnenschein bist. Es ist allerdings ein langer Prozess, bis man in den Spiegel gucken und „Ey, du bist cool“ sagen kannst.

Deshalb die Line: „Ich kämpfe wie ein Samurai für Liebe / Was sie bedeutet, habe ich nicht gewusst / Lange geleugnet, dass sie nicht mit Frust oder Leuten die bloß keine Freude an dir und deinen Träumen haben / dass ich sie nicht vergeuden mag / Ich bin wertvoll, ich bin sehr toll auch wenn ich das nie lernen sollte / weiß ich letztendlich im Kern heute, dass ich Menschen wie dich von mir entfernen sollte“

Das laut auszusprechen und auch ernst zu meinen, ist wirklich ein großer Schritt, da man sich dabei schnell eingebildet oder arrogant vorkommt. Solche Themen sind bestimmt auch Bestandteil von den Workshops, die du an Schulen und Unis gibst, oder? Ich kann mir richtig gut vorstellen, dass du den Leuten Power mitgeben möchtest und der Fokus nicht unbedingt darauf liegt, was eine Anapher oder Metapher ist. 

Empowerment ist auf jeden Fall ein großer Teil davon, ja. Ich versuche die Sachen, die ich gelernt habe, an andere weiter zu geben und ihnen etwas von meiner Power mitzugeben. Ganz wichtig ist das laute selbstbewusste Reden vor einer Gruppe, ohne Angst zu haben, sich zu blamieren. Die Angst vor Peinlichkeit steht einem im Leben viel zu oft im Weg – sie abzulegen, hilft enorm weiter. Dafür muss es einem aber erstmal relativ egal sein, was andere Leute von einem denken. Außerdem muss man selber wissen, dass man etwas gut kann oder zumindest auf dem Weg ist, gut zu werden. Egal was man macht, am Anfang ist man immer schlecht. Das muss man aushalten und einfach weiter machen.

4. Worum geht es in „Ich bin nicht hier“?

Das ist einer der deepesten und verletzlichsten Tracks des Album. Es geht um Kontrollverlust und darum, sich „weg“ zu machen: Wegkiffen, wegsaufen, wegsporteln, weghungern, weglernen – es gibt viele Arten, sich selbst und seine Gefühle weg zu machen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich früher ziemlich viel gesoffen habe und auch betrunken aufgetreten bin. Teilweise hatte ich Blackouts von Konzerten. Wenn ich dann noch denken konnte, wollte ich noch mehr saufen. Ein Kumpel hat mich mal gefragt „Wie schaffst du es, immer so besoffen zu sein? Bei mir ist da irgendwie so’ne Grenze“ und ich so „Öh, was für ’ne Grenze, keine Ahnung, bechern!“ Ich hab dann nach einer gewissen Zeit gemerkt, dass es diese Grenze wirklich gibt, ich sie nur nie bemerkt habe.

Nachdenken und fühlen ist nicht leicht, sich einfach wegmachen schon. Jedes extreme Verhalten ist ein Symptom von etwas, das im Inneren unterdrückt wird und bedeutet etwas. Wenn man das begriffen hat, kann man anfangen, an sich zu Arbeiten und die Probleme angehen, anstatt vor ihnen weg zu laufen. Heute trinke ich immer noch ab und an aber ich schieße mich nicht mehr komplett ab. Ich trete nüchtern auf und finde das total geil. Ich fühle mich stark dabei.

5. Was dachtest du beim Texten von „Keiner außer mir“?

Der Song ist die Antwort auf alle Fragen, die ihr heute gestellt habt: Niemand außer mir muss mein Leben leben. Viele fühlen sich so, als würde ihnen eine Pistole an den Kopf gehalten werden und sie müssten fremdgesteuert handeln, indem sie zum Beispiel ihr Studium ganz schnell durchziehen oder cool vor den Mädels rüber kommen. Aber nein, so ist das nicht. Niemand kann einem sagen, was richtig oder falsch ist. Man muss erkennen, dass man sein Leben selbst in der Hand hat und es so leben kann, wie man es für richtig hält.

Es geht ja auch darum, anders als die anderen zu sein. 

Genau. Es gibt die Line: „Schon seit der ersten Klasse haben sie mich bezeichnet, als die eine, die sich von den anderen unterscheidet.“ Ich hab mich aber nie als anders wahrgenommen, bis es mir von anderen in vielerlei Hinsicht gespiegelt wurde. In Göttingen hieß es immer „Oh, du bist aber exotisch“, da es außerhalb Berlins immer noch nicht normal ist, wenn man nicht bio-deutsch ist. Außerdem war ich früher auch schon kritisch und engagiert, hab Dinge hinterfragt. Ich wollte als Kind ein Junge sein und konnte mich nicht mit den Frauenbildern identifizieren. Es gab nie den Gedanken, dass ich die anderen doof finde und anders als sie sein möchte. Für mich waren all diese Dinge, die ich gemacht habe, normal.

Die letzte Strophe ist ein Appell an alle: „Also denk mal drüber nach, wie du den anderen gegenüber trittst, vor allem wenn ihr Art für dich unbekannt und nicht üblich ist / Halt‘ erstmal inne und schau‘ nach, was euch verbindet, vielleicht findest du ja was und wenn nicht dann nimm’s halt hin“