Interview mit Yaw Herra: „Ich bin grundsätzlich kein Fan von klaren Soundbildern“

Yaw Herra kann als alter Hase im neuen Gewand betitelt werden. Der eine oder andere wird ihn noch aus seiner Zeit als KNG kennen. Nachdem er im Mai letzten Jahres mit „Stimme der Unvernunft“ sein Debüt unter neuem Namen veröffentlichte, kam er vor wenigen Tagen mit seinem zweiten Projekt unter dem Dach von Corn Dawg Records um die Ecke.

Du hast kürzlich dein Mixtape „Als wärs gar nichts“ gedroppt. Wie ist das Feedback?

Bis jetzt eigentlich nur positiv. Ich habe viele Nachrichten bekommen und bin überrascht, wie viele Leute die neuen Sachen für sich angenommen haben. Auch wenn mir selber schon früh bewusst war, dass das Tape auf jeden Fall gut ist, konnte ich natürlich nicht vorhersehen, dass die Leute das ähnlich sehen würden. Gerade wenn man sich vor Augen führt, dass zur Zeit eher Sachen im Trend liegen, die den Leuten leicht ins Ohr gehen, freut es mich sehr, dass mein Rap-Rap gut ankommt. Obwohl er bestimmt nicht für jedermann leichte Kost ist.

Du hast das Ding als klassisches Free-Tape veröffentlicht, was in Zeiten von Streaming und Premiumboxen eigentlich gar nicht mehr so üblich ist. Ist allein das Format eine Ode an die alte Schule?

Nein, das nicht. Es ist nur so, dass ich, seitdem ich ein starkes Label im Rücken habe, noch mehr Mucke mache als früher. Ich bin insgesamt ein MC, bei dem sich ständig neue Texte und frische Punchlines anstauen. Damit das ganze Zeug nicht verloren geht, habe ich mich dazu entschieden, eine Mixtape-Reihe zu veröffentlichen. Völlig unabhängig vom Album, auf das die Leute noch ein bisschen warten werden müssen. Die einzige Bedingung, die wir an das Tape gestellt haben, war, dass es von der Qualität her an die erste EP auf Corn Dawg Records anknüpfen kann. Es soll also immer etwas rauskommen, sobald sich etwas angesammelt hat. Frei nach dem Titel: „Als wärs gar nix“.

Sowohl deine Attitüde als auch dein Stimmeinsatz erinnern stark an eine ältere, sehr wertebewusste Generation. Trotzdem schätze ich dich nicht als hängengebliebenen Realkeeper ein. Dafür sind einige Beats definitiv modern.

Musik entwickelt sich, genauso wie ihre Macher. Die BoomBap-Sachen kommen heutzutage oft gar nicht mehr an die Trap-Projekte ran. Mein aktueller Hauptproduzent David DST hat viele Bezüge zum modernen Kram und hat mir viele starke Beats überlassen, die ich gerne nutzen wollte. Ich habe wirklich kein Problem damit, mich in Sachen Sound ein bisschen zu öffnen und Dinge auszuprobieren. Solange ein hoher Anspruch an den Rap als solchen erhalten bleibt ist alles cool.

Bezeichnenderweise zieht „Als wärs gar nix“ seine Energie insgesamt aus einem vielschichtigen Mixtape-Sound, es hat definitiv kein wirklich einheitliches Soundbild. Was alle Tracks eint ist lediglich ein sehr rougher, unterkühlter und rotziger Klang. Warum ist dir dieser Duktus so wichtig?

Ich bin grundsätzlich kein Fan von klaren Soundbildern. Ich mag meine Sachen einfach am liebsten, wenn sie nicht so verfeinert und künstlich klingen. Die Tracks entstehen im Koblenzer Bunker, wo die Aufnahme-Sessions klassisch rough vonstatten gehen. Das ist einfach ein wichtiger Bestandteil meiner Musik. Wenn es nach mir geht, kann der dreckige Beigeschmack in den künftigen Projekten sogar noch mehr zum Vorschein kommen.

Inhaltlich gleicht das Tape an vielen Stellen einer melancholischen Rückschau auf die letzten zehn Jahre. Dient es für dich auch als persönlicher Abschluss eines Lebensabschnitts?

Nein. Das Tape war viel zu ungeplant, um einen gezielten Anfang oder einen großartigen Abschluss darzustellen. Ein Charakterzug ist vielmehr die verhältnismäßig lange Gästeliste: Ich habe in den letzten Jahren kaum Features gemacht, obwohl ich sehr viele andere Künstler kenne. Jetzt habe ich die Chance genutzt und viele Leute an den Start gebracht, die ich persönlich feiere. Das war das letzte Mal auf meinem zweiten Tape der Fall, das vor neun oder zehn Jahren entstanden ist. Also wirklich noch in der Anfangszeit.

Du erzählst auf sehr unaufgebauschte Art und Weise Geschichten aus deinem Alltag. Ist Authentizität der Schlüssel zum Erfolg?

Authentizität ist mir sehr wichtig. Trotzdem glaube ich nicht, dass sie der ultimative Schlüssel zum Erfolg ist. Heutzutage geht es um Hypes. Und die sind häufig kaum rational erklärbar. Natürlich ist es eine gute Sache, wenn sich Leute mit deinen Texten identifizieren können. Aber am Ende führt doch trotzdem jeder sein eigenes Leben und kann sich immer nur bedingt in deine Situation hinein versetzen.

„Joints und Whiskeyflaschen“ scheinen eine wichtige Rolle in deinem Leben zu spielen. Im Gegensatz zu anderen Künstlern scheinst du den eigenen Konsum aber ziemlich unproblematisch zu bewerten …

Ich sag‘s mal so: Jeder muss sich über die Konsequenzen seiner Taten im Klaren sein. Wenn du beispielsweise lange Zeit zu viel Alkohol trinkst, wirst du das irgendwann zu spüren bekommen. Das lässt sich einfach nicht vertuschen. Aber so ist es eben. Man hat es nun mal gegen Spaß eingetauscht, weil lustige Abende eben häufig ans Trinken oder Rauchen gekoppelt sind. Ich weiß, dass ich einen sehr ignoranten Umgang damit habe, der vielleicht auch nicht unbedingt gut ist und werde sicherlich keinen Award für eine Vorbildfunktion. Aber ganz ehrlich: Warum sollte ich rumheulen? Ich will mit meinen Aussagen ja nicht leugnen, dass du ein echtes Problem hast, wenn du von Dingen abhängig bist.

Wie spürbar war der Faktor, dass du bei einem Major unter Vertrag stehst, in der Entstehungsphase des Mixtapes?

Mein Label ist ja quasi ein Sublabel vom Sublabel im Hause Universal. Das ist sehr gut, weil mich wirklich niemand zu einem Produkt formen will oder mir Dinge aufzwingen will. Klar haben alle Leute, die sich in meinem Umfeld bewegen, gewisse Ziele vor Augen. Aber die sind sehr stark an meine Ideologie gekoppelt, was wiederum sehr geil ist.