Interview mit Malik: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht eben mit der Zeit“

Obwohl der Malik ein Urgestein des deutschen Raps ist und schon seit Ende der 90er Jahre mitmischt, dürften nur echte Kenner wissen, von wem hier die Rede ist. Malik aka Ismael Harres ist in Kabul geboren und in Freiburg aufgewachsen. Er gilt als ‚der ewige Newcomer‘, wie er uns scherzend erzählt. Von Geburt an leidet er an einem Genfehler, welcher es ihm unmöglich macht, zu gehen. 2007 veröffentlichte er sein Album „Gerecht Gerächt“, danach wurde es 11 Jahre still um ihn. Jetzt ist er mit seinem neuen Album „Die Zukunft“ wieder am Start.  

Die letzten Jahre wurde es etwas ruhiger um dich. Was ist passiert?

Du weißt ja, wie das oftmals ist. Wir hatten Probleme mit dem Vertrieb und haben dann versucht, mit dem nächsten Album, das schon fertig ist, ein Label zu finden, welches es rausbringen würde. Leider erfolglos. Also musste ich mich erstmal beruflich neu aufbauen. Da keiner das ‚große Album‘ haben wollte, mussten wir es eben über eigene Kanäle raushauen. Um jedoch erstmal die nötige Reichweite zu schaffen, musste vorab ein Digital-Release her. Zunächst war es als Bootleg-Mixtape geplant, auf dem wir alle möglichen Ami-Instrumentals gevoiced haben. Fast allen Indie-Vertriebe, mit denen wir dann geredet haben, gefiel zwar das Konzept, rausbringen konnten sie es aber nicht, da es eben alles Ami-Instrumentals waren. Also mussten wir alles neu produzieren. Dann kam eines zum anderen und mit noch ein paar Features hatten wir dann auf einmal ein Album. So ist „Die Zukunft“ entstanden.

Du hattest ein eigenes Label namens Kanakstarss.

Kanakstarss gibt es nicht mehr. Am Ende blieben nur noch mein Bruder Hauron Highwalker und ich, deshalb läuft jetzt alles über meine Firma Harres GmBh.

Dein Album „Die Zukunft“ kommt. Ein wichtiges Thema auf dem Album ist Migration. Du bist in Kabul geboren und dann nach Freiburg gezogen. Wie alt warst du da?

Mit einem halben Jahr habe ich einen Zwischenstopp in Osnabrück gemacht und mit vier bin ich dann nach Freiburg gezogen.

Wie hast du es anfangs in Deutschland empfunden?

Wir hatten ein behütetes Heim als wir aufgewachsen sind, meine Eltern haben alles getan, damit es uns an nichts fehlte. Natürlich merkte man in der Schule oder im öffentlichen Leben, dass die Färbung, die Herkunft und schon der Name anders waren. Die eine oder andere negative Erfahrung habe ich natürlich auch gemacht. Aber Freiburg ist auch noch einmal harmloser und gesetzter als Berlin.

Würdest du sagen, in Freiburg ist es einfacher, da es eine etwas kleinere und behütetere Stadt ist, sich als Migrant zu integrieren?

Früher war zwar der Migrantenanteil etwas niedriger, aber mittlerweile sind auch in Freiburg mehr Migranten am Start.

Auf deinem Album hast du soundtechnisch ein paar neue Dinge ausprobiert: Neben dem Song mit Gentleman gibt es auch einige Trap-Songs. Wie kam es dazu und können wir in Zukunft mehr in die Richtung erwarten?

Viele denken immer, dass Autotune so ein reines Trap-Ding sei. Autotune kommt und geht halt, mal erlebt es dann wieder einen Hype, aber der geht auch wieder. Ich habe schon immer mit Autotune experimentiert. Auf dem nächsten Album ist auch viel Autotune enthalten, ich bin durchaus neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen und ich denke mir: Wer nicht mit der Zeit geht, geht eben mit der Zeit. Man muss sich entwickeln oder gar neu erfinden. Mir macht es auch durchaus Spaß, einen neuen Film auszuprobieren. Sicherlich fügen sich die Tracks nicht nahtlos in den Sound des restlichen Albums ein, gleichwohl finde ich Trap, solange man darauf auch wirklich noch rappt und der Song nicht nur aus Hook und Sprachfetzten besteht, einen geilen Einfluss. Außerdem ist es möglicherweise auch ein kleiner Ausblick in „Die Zukunft“ wohin mein Sound gehen könnte.

Was hörst du privat für Musik?

Wen ich hart feiere ist Kaaris oder Booba, das Future Album läuft permanent bei mir! Eigentlich höre ich aber untypischerweise kaum Rap mehr. Was Ami-Rap angeht, kommt in letzter Zeit wenig Zeug raus, was ich hart feier. Deutschrap ist auch schwierig, alle sind zur Zeit auf diesem Afro Trap-Film. Deshalb höre ich selber eigentlich viel Reggae und Dancehall und wenn man dann acht Stunden im Studio hockt, brauch man auch mal einen anderen Sound, um die Gehörgänge mal durchzulüften.

Ich bin bei YouTube auf einen Auftritt von dir gestoßen, bei dem du mit Gentleman zusammen im Reggae/Dancehall Style singst. Hast du mehr Musik in die Richtung gemacht?

Ich lege viel auf. Vor Jahren habe ich sogar ein reines Dancehall Mixtape auf Deutsch und vor allem auf Englisch rausgehauen. Das galt damals sogar als Blaupause für viele Dancehall-Artists, die dann durch die Decke gegangen sind. Damals hab ich das Mixtape selber auf dem Summerjam-Festival aus meinem Rollstuhl verkauft. Dort habe ich Mr. Reedoo von Culcha Candela getroffen und ihm ein Tape geschenkt. Das war, als sie gerade frisch bei Universal gesignt wurden. Als ich die Jungs drei Monate später wieder getroffen habe, erzählte er mir, dass sie das Tape permanent im Tourbus pumpen. Ich habe auf jeden Fall deutsch-sprachige Dancehall-Bretter geliefert.

Auf deinem Album sind einige Features. Wie ist dort der Kontakt entstanden?

Also ich bin ja viel im Veranstaltungsgeschäft aktiv. Dort trifft man hinter der Bühne eben viele Leute, mit ein paar versteht man sich dann nicht so gut und mit einigen schon. Man knüpft eben Kontakte und das Eine führt dann zum Anderen. So war das im Grunde genommen bei allen, die jetzt auf dem Album sind.

Wart ihr auch zusammen im Studio oder habt ich euch Spuren zugeschickt?

Bei einigen waren wir durchaus im Studio, andererseits war es manchmal einfach zeitlich nicht möglich. Mit Gentleman war ich bis tief in die Nacht im Studio am basteln.

Gehst du auf Tour?

Ich weiß ich, müsste viel mehr Konzerte spielen, um das Album unter die Leute zu bringen. Leider sind nicht so viele Optionen da. Es wird wahrscheinlich entweder eine Vorgruppen-Tour geben oder ich werde einzelne Dates spielen. Meine letztes Album ist eben elf Jahre her und ich gelte so ein bisschen als ‚der ewige Newcomer‘. Ich müsste eben nach meinem Release direkt nachlegen, was ich bei dem Album auf jeden Fall vor habe. Mit „Die Zukunft“ habe ich ein solides Fundament, jetzt gilt es am Ball zu bleiben. Aber am 1. Mai spiele ich auf der Kreuzberg-Bühne in Berlin!

 

Wie sieht deine Arbeitsweise im Studio aus?

Da gibt es keine einheitliche Arbeitsweise. Wenn mein Bruder Hauron mal einen guten Tag hat und einen Mörder-Beat bastelt, schreibe ich auch direkt einen Song darauf, manchmal fällt mir aber auch, wenn ich unterwegs bin eine Melodie ein, die wird dann direkt per Sprachnachricht an ihn geschickt, damit er mir einen passenden Beat bauen kann. Wenn ich einen thematischen Song machen möchte, schreibe ich in der Regel jedoch erst den Text.

Auf deinem Album-Cover ist ein leerer Rollstuhl. Du bist seit deiner Geburt an den Rollstuhl gebunden. HipHop ist ja nicht gerade die toleranteste Szene, Minderheitendiskriminierung ist ja immer wieder ein Thema im Rap, in Vergangenheit mit Homosexuellen und jetzt aktuell durch die Antisemitismus-Debatte. Hattest du durch deine Behinderung Schwierigkeiten dich als Rapper zu etablieren?

Immer. Für mich sind das alles Probleme, aber wenn ich mich wiederum als ‚Rollstuhl-Rapper‘ betrachte, war das schon immer ein Begleitumstand. Wenn man eben keine Ebene findet, mich in Bezug auf den Flow oder die Produktion fertigzumachen, dann nimmt man halt meine Behinderung. Ich hatte früher Webseiten mit Gästebüchern, da waren meterweise Behinderten-Witze. Auf dem Album thematisiere ich das schon in gewisser Weise, aber auf keinen Fall aus der Opfer-Perspektive. Wenn ich dann mit diesem Hintergrund Battle-/Gangsterrap mache, weil ich das eben persönlich feier, wird mir oft vorgeworfen, ich sei nicht real, obwohl ich ja nie behauptet habe, der krasseste Schläger zu sein oder Ähnliches. Früher hat mich das schon aufgeregt, mittlerweile geht mir das echt am Arsch vorbei. Ein Stück weit symbolisiert das Cover eben auch eine Emanzipation vom Rollstuhl. Ich meine, wenn ich auf die Bühne komme, sehen die Leute ja direkt, dass ich im Rollstuhl sitze, was soll ich mich noch albenweise darüber auslassen. Ich möchte lieber mit anderen Dingen überzeugen, durch gutes Songwriting, gute Flows, gute Tracks eben.

Du bist neben dem Rap auch noch politisch aktiv…

Ja genau, ich bin Ortsvereinsvorsitzender der SPD im größten Stadtteil in Freiburg.

Auf dem Track „Erlösung“ bringst du eine interessante Line: „Zu sehr Kanake für die deutsche Gesellschaft und zu sehr Krüppel für die Kanaken“. Ich wurde gerne wissen, ob möglicherweise diese zwei Bereiche deines Lebens, also dein Job als Politiker und deine Rapper-Karriere, sich ein Stück weit gegenseitig im Wege stehen. Verträgt sich das Eine mit dem Anderen?

Das ist ein interessanter Aspekt den du da ansprichst. In der Tat: Die beiden Welten lassen sich schwer miteinander vereinbaren. Es ist nun mal in meiner Person verankert, ich bin ein politischer Mensch und das habe ich auch schon immer in meiner Musik transportiert. Mein politisches Engagement war letztendlich auch eine logische Konsequenz. Trotzdem stimmt es natürlich, dass dieses „Politiker-Image“ bei einigen Zuhörern nicht so gut ankommt, wenngleich ich ja eigentlich nur ehrenamtlich auf kommunaler Ebene aktiv bin. Ich bin kein SPD-Funktionär in dem Sinne, ich verdiene damit kein Geld. Auf der anderen Seite wird man dann unter Politikern auch immer ein bisschen als Rapper beäugt. Ich weiß auch nicht, was für einen Stellenwert diese beiden Welten in Zukunft in meinem Leben haben werden und wie die Gewichtung sein wird. Das kann sich alles noch ändern, vielleicht sage ich irgendwann, ich habe genug von dem Kommunalpolitik-Zirkus und möchte mich nur noch auf die Musik konzentrieren oder andersherum. Die Zukunft ist ungewiss. Aber ich werde mich jetzt auf jeden Fall auf meine Musik konzentrieren. Um heutzutage erfolgreich zu sein, muss man eben ständig Output generieren.