Interview mit Schwartz

rap.de: Wo hast du denn Germanistik studiert?  

Schwartz: Ich habe Germanistik und Geschichte in Düsseldorf studiert. Eigentlich bin ich ja geborener Kölner. Ich bin dann aber später nach Düsseldorf gezogen und hab direkt da am Medienhafen gewohnt, wo die ganzen reichen Leute in den extrem architektonisch aufwendigen Bauten wohnen. Allerdings habe ich nur sehr beiläufig studiert, muss man sagen. Also ich war jetzt nicht wirklich in jeder Vorlesung. Beim Grundstudium bin ich nicht jedes Mal dort hin hingerannt, weil mir das zu blöd war, weil da wusste ich ja auch die meisten Sachen schon. Außer vielleicht bei Mediävistik, da habe ich tatsächlich noch etwas gelernt. Und dann im Hauptstudium habe ich leider gar kein Wort mehr verstanden. Da geht es ja wirklich um die Literaturmethodik. Foucault fand ich noch wirklich cool, aber dann diese ganze theoretische Literaturmethodik, wie man Texte dekonstruiert und all so ein Zeug, das ist vielleicht ganz interessant, aber da hab ich gemerkt, dass ich abslout kein Wissenschaftler bin. Foucaults Diskurstheorie finde ich zum Beispiel hochspannend von der Idee her, aber eben auch nur, weil ich mir gedacht habe, dass man das auch schriftstellerisch umsetzen kann.

rap.de: Was sind als Schriftsteller deine Einflüsse? Meistens geht man ja so ran, dass man zuerst sein eigenes Vorbild kopiert.

Schwartz: Meine ganz frühen Sachen, die ich geschrieben habe, da merkt man ganz klar, wann ich Lovecraft, Hemingway oder Gottfried Benn gelesen habe. Das kann man dann deutlich bei den jeweiligen Sachen rauslesen, die ich dann geschrieben habe. An sich würde ich sagen, dass meine Vorbilder Rolf Dieter Brinkmann und Gottfried Benn sind. Ja, ich denke, das kann so sagen. Also irgendwo dazwischen würde ich mich einordnen. Celan mag ich auch noch sehr gerne, wobei man mir in seinen Gedichten dann auch ein bisschen zu viel den Rilke-Einfluss merkt. Max Dauthendey, den finde ich noch sehr gut. Das ist ein Lyriker und sogar ein Bestseller-Autor um 1912 rum. Der ist damals schon sehr viel rumgereist. Er war in Singapur und hat dort eigentlich hauptsächlich Novellen geschrieben, aber auch Gedichte. Aber lustigerweise sind die privaten Briefe, die er an seine Frau geschrieben hat, die besten. Die Novellen hat zu dieser Zeit auch keiner gelesen und heute ist er auch ein bisschen vergessen, aber er ist trotzdem ein guter Autor.  

rap.de: Von dem Typen habe ich auch noch nie gehört.

Schwartz: Ich habe den im Studium kennengelernt und der geht schon krass ab. Der hatte dann auch Gedichte, die heißen zum Beispiel „Die Amseln haben Sonne getrunken“. Solche Dinge, bei denen man erstaunt ist, dass es sowas schon zu dieser Zeit gab, während Rilke noch über irgendwelche Engel geschrieben hat. Der gefällt mir auch wirklich richtig gut. Ansonsten sind meine schriftstellerischen Vorbilder auf jeden Fall noch Henry Miller, den habe ich sehr gerne gelesen. Der hat einfach einen unglaublichen Stil. „Wendekreis des Krebses“, das sind solche Dinge, die sind einfach der Hammer. Er wird ja auch oft auf die Sachen reduziert, wie „Opus Pistorum“ und das ist halt wirklich schlecht. Das ist ja wirklich reine Pornographie, YouPorn zwischen zwei Buchdeckeln. „Wendekreis des Krebses“ aber, oder auch anderen Sachen, in denen er einfach die Romanform dermaßen aufgesprengt hat – das ist ja schon fast Gedankenlyrik in Prosaform. Hemingway finde ich sehr gut, weil er es immer schafft diese klassischen Abenteuerthemen literarisch gut zu verpacken. Der wird ja immer als Macho-Schriftsteller dargestellt und das ist er eigentlich gar nicht. Ich finde, dass man bei ihm immer sehr herauslesen kann, dass er seine Männlichkeit beweisen muss, anhand von Boxen, Jagen und Stierkampf. Und das ist ja dann eher eine traurige Sache. 

rap.de: „Schuld und Sühne“ von Dostojewski ist ja auch ein schönes Ding.  

Schwartz: Das habe ich auch nur angelesen, aber das steht auf meiner Liste. „Die Brüder Karamasow“, das fand ich wirklich noch sehr gut von ihm. Und dann natürlich „Krieg und Frieden“, dafür habe ich dann mal Zeit gehabt, als ich zwei Wochen in U-Haft saß. Das war sehr lustig. Die haben ja diese Knastbibliothek und da war es natürlich strunzlangweilig. Ich hatte da jetzt auch keinen Fernseher oder so gehabt. Und es gab da eben diese typische Unterhaltungsliteratur, die Romanvorlage von „The Beach“. Solche Sachen, die man wirklich einfach so runterliest. Ich habe mir dann zwei, drei Bücher ausgesucht, da war auch eins von Hohlbein dabei. Das ist dieser Fantasytyp… also, dass es Fantasy ist, das finde ich nicht schlimm, aber der Typ, der kann einfach keine Dialoge schreiben. Solche Sachen habe ich dort gelesen. Nach zwei, drei Tagen meinte der Stationsleiter dann zu mir, weil ich dort die ganze Zeit gelesen habe, dass er etwas wirklich cooles für mich hat. Und dann geht er mit mir in diese kleine Knastbibliothek, das ist quasi so ein kleine Abstellkammer und sagt zu mir, pass auf, wenn du das hier liest, dann wirst du schlau. Und dann holt er eben zwei dicke Bände raus und das waren dann „Kriegund Frieden“. Das ist auch wirklich ein richtig gutes Buch. Der zweite Teil ist nachher zwar ein bisschen zäh, wenn es dann um die ganzen historischen Sachen über den französisch-russischen Krieg und den Napoleonfeldzug nach Russland geht.