Interview mit Fard

rap.de: Wie kann man denn gut provozieren? Mit einem politischen Song?

 

Fard: Das auch. Aber manchmal reicht ja auch schon eine Line, um Leuten auf die Füße zu treten. Zum Beispiel, wenn wir jetzt von „Bellum et Pax“ reden, sage ich in dem Song „Kalt wie Gold“ „Die Herzen sind kalt, kalt wie Gold/ wir leben im Westen mit falschem Stolz„. Im Endeffekt lebe ich selber hier und bin hier auch aufgewachsen. Deutschland ist mein Zuhause, Iran meine Heimat. Wenn ich diese Line droppe, dann kann man das verstehen, wie man will. Die Menschen, die damals hier hergekommen sind, die jetzigen Eltern, die hatten nichts anderes im Gepäck außer die Hoffnung auf Freiheit und ein besseres Leben, weil sie politisch verfolgt worden sind oder weil Krieg in ihrem Lang geherrscht hat. Die Arbeiterklasse, die nur zum arbeiten nach Deutschland gekommen ist, die nehme ich jetzt mal beiseite. Ich rede von Leuten, die aus politischen Gründen oder wegen Krieg geflohen sind, die haben einen anderen Hintergrund. Das waren ja nicht alles Leute, die hier hauptsächlich Arbeit gesucht haben. Sondern da gab es auch Leute, die in ihrem Land anerkannt waren und dort einen guten Beruf hatten. Die sind dann in ein Land gekommen, indem ihre Papiere plötzlich nicht mehr akzeptiert wurden und das obwohl die bereits studiert hatten. Die sitzen dann hier alle als Taxifahrer oder so, obwohl sie in der Heimat gute Berufe hatten. Dass wir dann hier leben und diese Werte haben, wie Mercedes Benz und alles, was dazu gehört, ist verrückt. Das sind ja Sachen, die ich selber auch mag, ich kann mich davon eben auch nicht freisprechen. Aber das ist ja dann trotzdem eine Sache, die ich kritisieren kann. Damit kann man auch provozieren, indem man sich selber ins Gericht nimmt oder man kann auch andere ins Gericht nehmen. Und das versuche ich bei „Bellum et Pax“ auch deutlich zu machen. Mal schauen, ob es mir gelingt.

(Kellner nimmt die Bestellung auf, Fard bestellt Cola)

Fard: Ich bin Cola süchtig. Ich durfte als Kind nämlich keine Cola trinken. Mein Vater hatte einen Arzt als Freund und der hat dann gesehen, dass ich mir die Dosen literweise reingeschüttet habe und der hat dann gesagt, dass das ganz schlecht für mich ist. Und dann durfte ich einfach jahrelang keine Cola mehr trinken. Und jetzt wach ich morgens auf und trink direkt Cola. Eiskalt aus der Dose ist am besten. Geniestreich.

rap.de: Ist persische Küche auch privat dein Ding?

Fard: Also, das was du da gerade isst, Ghorme Sabzi, das sage ich auch in meinem Video am Telefon zu meiner Mutter. Meine Mutter hat immer viele verschiedene Essen gekocht, aber das ist so mein Ding, ich mag das sehr gerne. Ich finde die persische Küche allgemein sehr gut. Aber ich finde auch die deutsche Küche gut.

rap.de: Was ist da dein Lieblingsessen?

Fard: Ganz ehrlich, die Leute halten mich dann für einen Spießer. Aber ich feier zum Beispiel einfach nur Spiegelei, Spinat und Kartoffeln. Dabei könnte ich Saltos schlagen. Ist das typisch deutsch?

rap.de: Ja, schon. Also, auch wenn die Kartoffel nicht deutsch ist. (Gelächter) Fährst du manchmal noch in deine Heimat?

Fard: Ja, ich versuche es. Aber ich schaffe es jetzt nicht jedes Jahr oder so. Eigentlich lebt meine ganze Familie, also 80 bis 90 Prozent meiner Verwandtschaft im Iran. Und alle zwei, drei Jahre versuche ich dahin zu kommen, aber ich darf auch nicht länger als drei Monate dort bleiben, weil die dich sonst zur Armee einziehen. Die haben den Dienst dort jetzt von drei auf zwei Jahre reduziert. Aber man darf nicht vergessen, das System ist dort anders. Die Jungs sind dann ja noch sehr jung und die sehen das nicht so verbissen. 

rap.de: Und für die ist das dann mehr so ein Abenteuer, oder?

Fard: Ja. Von wegen, ja, wir kommen jetzt zwei Jahre von zuhause weg und werden jetzt Männer. Also nicht für alle. Aber für viele ist das auch ein Reifeprozess, der für die einfach dazu gehört. Die Amis haben ja zum Beispiel auch einen ganz anderen Bezug zur Armee. Das ist eine Sache der Geschichte. Die Deutschen sind da ja anders. Nebenbei: Ich diskutiere letztens mit einem über die Regierung Irans und die Regierung von Deutschland und es kam zu einer Diskussion. Jeder hat seine Meinung gesagt und ich erwähne einmal die Regierung Isreals, prompt stellt er mich so dar, dass ich antisemitisch wäre. Aber Fakt ist doch einfach, dass meine Vorfahren an denen keine Verbrechen begangen haben. Ich kann mich neutral in der Öffentlichkeit dazu äußern. Ich verstehe ja noch nicht mal, warum man das deutsche Volk immer noch für das verantwortlich macht, was vor 60, 70 Jahren war. Wenn mein Opa jetzt deinem Opa die Nase gebrochen hat, kann ich dir heute dafür nicht immer noch Geld geben müssen. Oder dir U-Boote schicken, die atomfähig sind und die von Steuergeldern dieses Volkes bezahlt werden, während man dem eigenen Volk sagt, wir dürfen keine Atomwaffe haben. Einfach verrückt. Und wer will dem Iran verübeln, nachdem er weiß, wie viele atomare Sprengköpfe Israel hat, dass die sich dann auch eine aneignen. Ich bin natürlich dafür, dass keiner eine hat, aber davon können wir nicht mehr ausgehen. Bei Pakistan ist es ja auch zum Beispiel so, seitdem Pakistan Atommacht ist, hat keiner mehr Beef mit Pakistan.

rap.de: Doch, Indien, aber die haben ja selber die Bombe.

Fard: Darüber ist auch auf dem neuen Album ein geiler Storyteller drauf, der heißt „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Da geht es jetzt nicht primär um Atomwaffen, sondern um einen Jungen aus dem Krieg. Ich habe es aus meiner Sicht geschrieben. So bekommt man ein besseres Bild von Kids,  deren Eltern nicht wegen Arbeit gekommen sind, sondern von denen, die einen anderen Background haben. Es ist nicht der Fall, dass hier nur Leute hingekommen sind um Arbeit zu finden, auch wenn die Medien immer so tuen. Wie viele gibt es aus dem Balkan, aus dem Iran und Irak, aus kurdischen Gebieten, aus Afghanistan, es gibt einfach so viele, die einfach andere Beweggründe hatten, ihr Land zu verlassen und die vielleicht vorher ein gutes Leben geführt haben. Das wird dann auf dem Song thematisiert.