Nochmal kurz zu diesem leicht verwirrenden Trap-Track, „SoSoSo“: Selbst nach mehrfachem Hören kann ich nicht klar sagen, wie viel Prozent Ernst und wie viel Prozent Parodie in dem Ding stecken … Das hat mich tatsächlich beschäftigt.
Pöbel: Das freut mich, weil mein ambivalentes Verhältnis zu diesem Subgenre scheinbar gut verwirklicht wurde. Wir feiern die Mucke, haben aber gleichzeitig eine gesunde Skepsis gegenüber einigen Lifestyle-Auswüchsen gegenwärtiger Trapmucke sowie generellem Pseudo-Künstler-Fashion-Opfer-Dünkel.
Milli: Was tatsächlich in keinerlei Hinsicht ironisch ist, ist der Sound. Das feiern wir ab. Was auch immer man beispielsweise von SXTN halten mag: Es geht extrem nach vorne und ist musikalisch ziemlich interessant. Dass Trap derzeit das dominierende Element in jugendlichen Musikgeschmäckern ist, hat definitiv einen Grund. Was dann irgendwie damit einhergeht und sich quasi unmittelbar mit der Musik vermischt, sind Lifestyle-Filme à la Instagram-Hypes. Das sind dann schon eher Erscheinungen, über die wir uns lustig machen. Allerdings ohne uns selbst dabei zu wichtig zu nehmen.
… Wo wir schon beim Punkt Humor sind: Ich habe für mich festgestellt, dass „Soli-Inkasso“ das bisher ironischste Release mit WTG- und Pöbel-Beteiligung ist. In welchem Verhältnis steht euer Sarkasmus und die dazugehörigen Seitenhiebe zu eurer persönlichen politischen Resignation, die ihr, zumindest empfinde ich das so, durch die Blume artikuliert?
Milli: Ich glaube, dass das eher mit einem politisches Bewusstsein an sich zu tun hat. Wenn man das hat, fällt es beispielsweise schwer, Dinge, die im Rap geschehen, zu beobachten, ohne sie anschließend zu kritisieren. Versteh‘ mich nicht falsch: Empowerment ist absolut legitim … Problematisch ist nur, dass dadurch oft genau wieder die Sachen reproduziert werden, die ich eigentlich nicht feiern kann. Es ist ja verständlich, dass derjenige, der von nichts kommt, einen AMG Mercedes abfeiert. Allerdings würde derjenige, der sich so großkotzig für seine Karre abfeiert im Bewusstsein, nur einer von Wenigen zu sein, die dieses Privileg innehaben, damit bescheidener umgehen und vielleicht nicht denjenigen dissen, der arm ist und nichts hat. Viele Dinge, die da vor sich gehen, kann man also vielleicht auch nur mit einer gewissen Ironie betrachten. Daneben spielt auch eine gewisse politische Abgestumpftheit eine Rolle in den Texten, das will ich gar nicht unbedingt leugnen …
Pöbel: Wie bereits besprochen, ist das Spektrum an Liedern auf der Platte ziemlich breit. Ein Track wie „Aufbruchstimmung“ hat beispielsweise keine ironische Ebene. Klar: Die Polit-Punchlines in Liedern wie „Robomob“ sind stellenweise bestimmt humorvoll vorgetragen … In ihrer Inhaltlichkeit sind sie aber trotzdem sehr klar. Zusätzlich sind Tracks enthalten, die gar keine vordergründige politische Ambitioniertheit haben und dann vielleicht ironisch, aber wenig sarkastisch im höheren Sinne sind.
Die Deutschrap-Szene bekommt auf „Soli-Inkasso“, wie ich finde oftmals sehr berechtigt, ihr Fett weg. Im „Abgesang“ beschäftigt ihr euch insbesondere mit der Rolle der Rapmedien im Deutschrap-Zirkus. Was stört euch beim Konsum der Rapmedien konkret?
Milli: Eine gewisse Beliebigkeit. Eigentlich schlägt das schon wieder in die Kerbe Konsumabgefeiere. Über Beef unter sich streitenden Rappern zu berichten, bedarf keiner großen Fähigkeiten und ist wirklich nicht mehr weit weg von der Gala. Ohne solchen Medien ihre Berechtigung absprechen zu wollen, kann ich nur sagen, dass sie innerhalb meines Wertesystems einfach als lächerlich gebrandmarkt sind. Oft werden dort Sachen thematisiert und eine Vorstellung von Rap vermittelt, die einfach nichts damit zu tun haben, was ich als irgendwie wichtig, relevant oder bedeutsam empfinde. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Rap immer ein stückweit Selbstdarstellung ist, geht es ja immerhin noch darum, was man dann so darstellt. Wenn es am Ende nur darum geht, Rap über Rap zu machen und in den Szenemedien zu funktionieren, ist mir das ernsthaft zu wenig. Ein anderer Punkt, der da auch irgendwie rein spielt, ist dass kontroverse Nachfragen in Interviews oft vermieden werden. Das ist schade.
Pöbel: Ich fände es nicht uninteressant, wenn sich noch etwas ernsthafter der gesellschaftlich-politischen Dimension von Musik und Kunst zugewandt werden würde. Oft geben sich Journalisten, wohl auch weil es ihrer Meinung entspricht, mit recht billigen Positionen wie: „Es ist ja nur Spaß“ oder: „Man wollte ja gar keine politischen Positionen in seiner Musik aufgreifen“ zufrieden. Das ist irgendwie dürftig, da Kunst immer, wenn auch in Abstufungen, eine politische Dimension hat. Ganz egal ob man glaubt, „nur“ von Frauen, Autos oder seinen sexuellen Vorlieben zu rappen oder aber vermeintlich explizit politische Aussagen zu systemischen Begebenheiten raushauen will. Egal worüber du sprichst, gerade in dem oft materialistisch aufgeladenen Kontext von Rapmusik, sprichst du auch stets über bestehende Machtverhältnisse, über Konsum, über Über- und Unterordnung. Du nimmst, wenn auch nur im Kleinen, immer Einfluss auf die politischen Inhalte, die über die Subkultur transportiert werden. Und an dieser Stelle könnte sich insbesondere der journalistische Bereich die Frage stellen: „Widmen wir uns dieser Verkopplung tiefsinnig genug, um in unseren Positionierungen hinreichend ernst genommen zu werden?“ Zum Schutz der Rapmedien muss wiederum betont werden, dass es ja geil ist, wie viele Leute an Rapmusik partizipieren können und dass es nicht unbedingt falsch ist, sich innerhalb der Berichterstattung der Authentizität halber einer gewissen Niedrigschwelligkeit anzupassen.
Wo verläuft dann eigentlich die Trennlinie zwischen Musik und Politik?
Milli: Es gibt diese Trennlinie schlichtweg nicht. Genauso, wie die Floskel „ich bin unpolitisch“ völliger Quatsch ist, wäre es auch unsinnig, diese beiden Felder voneinander zu trennen. Die Leute verbinden den Begriff „Politik“ oft nur mit parlamentarisch stattfindenden und institutionellen Dingen … Aber eigentlich ist Politik ja immer mit der Frage verbunden, welche Grundprinzipien und Umgangsformen das Zusammenleben gestalten. Man muss nicht alles politisch überbewerten … Aber unpolitisch ist nichts.
Pöbel: … Was Milli meint, ist, dass politisches Handeln nicht erst da beginnt, wo ich auf dem Stimmzettel Die Grünen ankreuze. Wie gerade schon besprochen, hat alles eine politische Dimension … Die ist im musikalischen Kontext allerdings nicht immer im Sinne der Verantwortung, die damit einhergeht, handlungsleitend.
Viele Leute lesen in eurer Musik ein hohes Maß an links-politischer Motivation, gleichzeitig beschäftigt ihr euch in euren Texten teils sehr kritisch mit dem Innenleben linksorientierter Subkultur. Wie passt das zusammen?
Milli: Der Faktor, dass ich mich häufig innerhalb dieser „Szene“ bewege oder bewegt habe, ist ja nicht gleichbedeutend damit, dass ich diese nicht kritisieren darf. Im Gegenteil. Ich erlebe dort oft genau so viel Spießer-Attitüde und Engstirnigkeit wie anderswo. Ich halte es für sehr wichtig, auch gegenüber den am ehesten der eigenen Meinung entsprechenden Leuten und Positionen unbequem zu bleiben … Wenn man schon austeilt, dann doch bitte auch in alle Richtungen (lacht). Je abgetrennter Szenen und Subkulturen von der Außenwelt sind, desto schneller werden in ihrem Inneren einfache Antworten und Feindbilder etabliert. Sich nur gegenseitig zu bestätigen, kann nicht Sinn der Sache sein … Und das ist ein Zustand, den man durchaus aufmischen darf. Insgesamt ist es mir sehr wichtig, festzuhalten, dass ich mich nicht als Repräsentant einer bestimmten Szene begreife und keinen Bock darauf habe, ein Maskottchen für irgendwen oder irgendwas zu sein. Die linke Bewegung ist in sich außerdem sehr pluralistisch, was wiederum die Antwort dafür liefert, warum ich nicht mit allen linksradikalen Standpunkten gleichermaßen d‘accord gehe. Von einer Szene zu sprechen wäre sowieso zu einfach … Jedenfalls identifiziere ich mich mit keiner Szene, sondern nur mit Werten und Ideen. In „DWDCS“ thematisieren wir ja auch, dass wir nicht nur mit Leuten zu tun haben, die ihre Nachmittage in politischen Lesezirkeln verbringen, dass diese aber oft genau die Leute sind, die sehr korrekt sind und die wir gerne mögen. Ich glaube, es ist eine gewisse Arroganz einiger sich als politisch aktiv definierender Menschen, die mir da manchmal negativ aufstößt, beziehungsweise ein fehlender Bezug zu Lebensrealitäten außerhalb des eigenen Bezugsrahmens.
Pöbel: Das sehe ich ähnlich. Die äußere Wahrnehmung, von der du sprichst, hat auch viel damit zu tun, dass schnell nach einem oberflächlich scheinbar passenden Label gesucht wird, ohne den Gesamtoutput wirklich zu berücksichtigen.