Interview mit Nazar

rap.de:  Apropos RAF: Ihr habt eure Freundschaft ja kürzlich bei Facebook öffentlich für beendet erklärt, allerdings ohne böses Blut oder dergleichen. Nun haben aber einige in der Szene in deinem Video „Sandsturm“ einen unterschwelligen Diss in seine Richtung gesehen. Stimmt das?

Nazar: Es ist sehr, sehr  schwer darüber zu reden, weil ich mir fest vorgenommen habe, absolut nicht über RAF und über das, was vorgefallen ist, zu reden. Ganz einfach, weil ich nicht so ein Heuchler sein möchte, der über so ein Geschehnis seine Promo startet. RAF war nicht mein Rap-Kollege, er war mein kleiner Bruder, er war einer meiner besten Freunde, und wir haben sehr, sehr viel Zeit miteinander verbracht, privat wie auch musikalisch vieles zusammen getan. Es sind einfach private Dinge passiert, über die ich nicht reden werde, die mir aber natürlich noch immer menschlich sehr wehtun. Ich hab halt mitbekommen, als das Video rauskam, dass sehr viele Leute gedacht haben, dass ich ihn gedisst hätte: Was für mich absoluter Schwachsinn ist: wie kann man aus der Szene und was ich in diesem Moment in dem Song sage, schließen, dass ich ihn gedisst hätte? „Sandsturm“ handelt ganz einfach davon, dass einem oft nicht bewusst ist, wie schnell die Zeit vergeht und man im Leben oft Dinge macht oder eben nicht macht und später bereut, dass man‘s getan hat oder nicht getan hat. Die Bilder auf der Wand im Video, die man sieht, sind teilweise Bilder von mir als Kind, von meinem Vater, meiner Mutter, von meinen Brüdern und genauso auch von RAF, der ein großer Teil meines Lebens war. Das, was ich in diesem Moment sage, ist ja nicht nur auf RAF bezogen, nur weil man in diesem Moment dieses Bild von mir, Chakuza und RAF sieht. Im Prinzip können wir ja alle Heuchler sein, ich denke , dass das wahrscheinlich jeder vom anderen auch denkt, aber das ist einfach ein persönliches Ding und ich werde es bestimmt nicht zulassen, dass meine Fans aufgrund dessen, dass ich mit RAF persönlich keinen Kontakt mehr habe, denken, dass sie mir einen Gefallen damit tun, ihn zu haten. Das möchte ich einfach nicht und das werde ich auch nicht anstreben. RAF ist ein unfassbar krasser Künstler, das kann ihm einfach keiner nehmen und er ist ein cooler Mensch.

rap.de: Halten wir also fest: Es war kein Diss.

Nazar: Viele, die da einen Diss raus gehört haben, wünschen sich das. Die Leute suchen danach. Und jetzt habe ich auch gemerkt, dass da ein paar Superintelligente dahinter sind, die das auch wirklich anstreben, dass da etwas passiert. Ich finde das wirklich ganz schade. Bei der Sache zwischen RAF und mir gibt es kein Gut und Böse, kein Richtig oder Falsch. Das ist einfach eine persönliche Sache, die nicht mehr funktioniert hat. Man wird einfach älter und dann denke ich, dass es auch besser ist, dass man als Mensch offen und ehrlich sagt: Dicker, es geht nicht mehr. Bevor es dann so ausartet wie es so oft im deutschen HipHop passiert ist.

rap.de: Du meintest vorhin, du habest dir neben der Musik noch ein weiteres Standbein aufgebaut. Verdienst du mit den Videos, die du drehst, momentan mehr als mit deiner Musik?

Nazar: Nein, momentan gar nicht, weil Leute wie Raf mir natürlich nicht eine Summe gezahlt haben. Die drei Videos, die wir für ihn gedreht haben, haben wir auf freundschaftlicher Basis gedreht, so dass er im Endeffekt nur das Equipment und die Locations bezahlen musste. Wir haben davon keinen einzigen Cent eingesteckt, weil wir auch nicht davon leben, weil wir ganz einfach große Werbeaufträge haben, die wir drehen. Mit Werbung verdient man ganz einfach viel mehr Geld, deswegen will jede Filmproduktionsfirma in die Werbebranche reinkommen. Diese Hürde haben wir zum Glück schon genommen.

rap.de: Deshalb konntet ihr es euch auch leisten, „Sandsturm“ in Dubai und Marokko zu drehen?

Nazar: Genau.  Man darf nicht vergessen, dass das nicht bedeutet, dass ein Nazar gratis Videos dreht. Bei mir stehen genauso 50 Leute am Set, wir müssen genauso die Kameras mieten, und die Locations und die Genehmigungen, das bedeutet, ich bezahle genauso viel wie für jemanden anderen in so einem Videodreh, außer dass ich jetzt noch meine Gage draufzahl und das ist wie bei einem Video für „Lost in Translation“ unfassbar viel Geld für einen Independent Künstler, der sich das alles selber finanziert. Es macht mich trotzdem traurig, wenn ich sehe, dass das Video erst 400.000 Klicks nach einer Woche hat. Das macht mich sehr, sehr, sehr traurig, weil ich dadurch sehe, dass der Markt leider Gottes in Deutschland, und Österreich sowieso, noch nicht so weit ist. Dass die Menschen hier noch sehr, sehr beschränkt sind. Sie sind nicht offen genug für Neues. Man hat das auch an „Stilles Meer“ gesehen, das ist einfach zu experimentell für sie, das ist zu komisch. Ich wünsche mir einfach, diesen Moment, dass es irgendwann auch bei uns so weit ist, dass die Leute es nicht feiern müssen was du tust, aber es auch nicht schlecht reden. Aber solange die ganzen Rapper so komplexgeladen sind und nicht den Mut haben, anderen Leuten Respekt auszusprechen, sondern immer wieder schlecht über andere reden und sich selber auch nicht kreativ weiter entwickeln, wird sich nichts groß ändern.

rap.de: Ist man beim Drehen von Werbeclips nicht auch krass kreativ eingeschränkt?

Nazar: Das ist die allerschlimmste Teufelsküche. Da wird natürlich ganz krass verhandelt, ganz krass miteinander gesprochen, und da gibt es keine Kompromisse. Zum Glück drehe ich sie ja nicht, zum Glück schreibe ich ja nur die Konzepte und bin ja beim Drehen teilweise für die Umsetzung zuständig weil ich eben das Konzept geschrieben habe. Das ist so lächerlich, das sind beschissene 30 Sekunden Spots. Dann hast du auch noch das Problem, dass du in Österreich und Deutschland nicht wirklich kreative Werbung machen kannst wie in anderen Ländern, wo sie wirklich richtig geile Werbungen machen, die humorvoll sind, die vielleicht ein bisschen schockieren, das kannst du in diesen Ländern nicht machen. Deswegen macht es mir auch nicht wirklich viel Spaß und dann wunder ich mich auch jedes Mal, wenn ich für eine große Firma eine Werbung schreibe und die denken, dass ich damit die Welt neu erfunden habe. So behindert ist das alles. Das macht mir auch keinen Spaß, deswegen versuche ich und hoffe ich, dass ich mich soweit entwickeln kann, dass ich vielleicht irgendwann mal auch eine Förderung vom Staat für meine Filme bekomme, das wäre sozusagen mein nächstes Projekt. Natürlich auch für andere Künstler Videos zu drehen, die auch das Budget haben. Wir haben viele Anfragen von Künstlern bekommen, nur ist da das Problem, dass die Budgets zu lächerlich sind.