Deine Hometown Stuttgart spielt für die Deutschrap-Historie eine nicht unbedeutende Rolle: Crews wie die Fantastischen Vier oder die Massiven aber auch Cro, die Orsons oder das Chimperator-Umfeld haben deutschen HipHop über die Jahre maßgeblich beeinflusst. Würdest du sagen, dass die Stuttgarter Rap-Szene für deine persönliche Stilbildung wichtig war?
Allein durch den Fußball war ich natürlich zu jeder Zeit Stuttgart-Verfechter. Trotzdem habe ich mir, wenn es um Rap ging, nie Scheuklappen aufgesetzt: Wenn er dope war, habe ich ihn gefeiert, egal woher. Speziell zu Fanta 4 kann ich sagen, dass ich die wirklich nur am Rande mitbekommen habe. Die fand man halt cool, weil es einfach mal was anderes war als der ganze Pop-Scheiß zu der Zeit … Aber ein Shirt von denen hätte ich mir trotzdem niemals angezogen (lacht). Mich hat die goldene Generation am meisten geprägt, die Massiven und die Kopfnicker. Das sind die Stuttgarter Roots, die für mich wirklich relevant waren.
Eine andere Prägung deiner Musik ist Lakmann… Idol, Feature-Gast und Homie zugleich, oder?
Ja, dass ich diesen Typen kennengelernt habe, ist wirklich ein Glücksfall. Ganz früher haben wir mal Creutzfeld & Jakob auf‘s Kaff gebucht. An diesem Abend gab es eine ziemlich peinliche Schlägerei um ein Mädel … Da waren sowohl mein Umfeld, als auch Lakmanns Leute beteiligt. Seine ganze Crew war wirklich mega sauer nach dieser Sache, die hatten sich das Wochenende insgesamt ganz anders vorgestellt … Jahre später habe ich Laki dann mal in einem Backstage angesprochen, da war er immernoch ziemlich grimmig … Aber noch ein paar Jahre später war dann zum Glück Gras über die Sache gewachsen (schmunzelt). Ich habe ihm dann mal ein Tape von mir geschenkt und über die Musik sind wir dann tatsächlich doch noch Freunde geworden. Mittlerweile schicken wir uns unsere Sachen vor Release und geben uns gegenseitig Ratschläge, ich spiele ab und zu Suppport bei seinen Acts, wir haben schon drei Songs zusammen und sind wirklich gut befreundet würde ich sagen.
Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen. Marz hat sich am Späti mit einem Bier und einem kleinen Flachmann Pfeffi bewaffnet. Wir flanieren die Köpenicker Straße entlang und halten Ausschau nach der nächsten Straßenbucht, die uns ans direkte Spreeufer führen könnte … In direkter Nähe zur rap.de-Redaktion werden wir fündig und biegen geradewegs ein.
Dein Bezug zu den Roots wird allemal dann deutlich, wenn du auf Konzerten Cypher-Kreise bilden lässt und in der Mitte der Crowd, unten vor der Bühne, performst. Das ist mittlerweile fester Bestandteil eurer Show, oder?
Die ersten Male haben wir es spontan und aus Spaß gemacht, aber mit der Zeit hat sich das komplett automatisiert. Früher hätte ich niemals gedacht, dass dieser kleine Schritt so einen heftigen Effekt bewirken kann … Das ist ja an sich das Einfachste der Welt, aber es kann in Sachen Atmosphäre richtig was rausreißen.
Allgemein hast du ein krasses Faible für Sprache, Wortspiele und Referenzen, bringst auch im Laufe des Tapes wieder sehr viele Insider und Anspielungen. Du forderst den Hörer damit ziemlich heraus … Hast du Spaß an der Vorstellung, dass Leute hochkonzentriert zuhause sitzen und versuchen, alles aufzudröseln?
Wie schon gesagt bin ich nicht der polarisierende Polit-Rapper, über dessen komplexe Lyrics man sich bei Rapgenius die Köpfe zerbricht … Aber ich finde es schon gut, wenn meine Texte einen gewissen Anspruch haben und man ab und an auch mal ein bisschen kombinieren muss. Und diese Querverweise, die du ansprichst, sind meine Art, anderen Künstlern, die ja immer irgendwie Grundlage für mein eigenes Schaffen sind, Respekt zu zollen … Ganz plump gesagt trägt man damit die Fackel weiter.
Kommt dieser extreme Lyrik-Nerdismus aus der Zeit, in der du Battlerap gemacht hast?
Mit großer Sicherheit sind wir alle sehr stark, wenn auch nur unterbewusst, vom Battlerap geprägt. Das geht ja schon damit los, dass die Leute, die Battlerap feiern, den verrücktesten Humor der Welt haben: Die Differenz zwischen dem, was Normalos lustig finden und dem, was Leute aus dem Battlerap lustig finden ist riesig. Dein Kopf wird nie wieder der gleiche sein, wenn du dich einmal leidenschaftlich damit befasst hast. Wer Savas in seiner Hochzeit intensiv gediggt hat, hat das bis heute unterbewusst gespeichert. Das hat sicherlich auch mein Verhältnis zum Wort, Reim und Punch geprägt. Insofern hat Battlerap ganz eindeutig einen sehr entscheidenden Einfluss auf die Musik, die ich heute mache … Sowieso war ich ja schon vor dem ganzen Marz-Ding Teil einer Crew, Black n Proud. Wir sind damals gute zwei Jahre lang nur auf Battles gefahren. Das war meine Schule … Shoutouts an Juse Ju an der Stelle!
Das ist jetzt zehn Jahre her. Reizt dich der Gedanke manchmal, sich nochmal dieser Battle-Situation zu stellen?
Es müsste halt vom Gegner her passen und ich glaube es ist bei mir gar nicht so einfach, den entsprechenden zu finden. Ich würde beispielsweise niemanden battlen wollen, den ich kenne, hätte zum Beispiel keinen Bock, gegen Schote anzutreten. Da müsste ich mich in etwas reinsteigern, auf das ich wirklich keine Lust hätte. Ganz Untergrund dürfte der Gegner dann aber auch nicht sein … Und völlig rational betrachtet ist die Schreibarbeit für ein Battle fast so aufwändig wie die für ein ganzes Album. Vielleicht habe ich aber trotzdem irgendwann Bock drauf … Ich bin noch nie gefrontet worden, vielleicht kommt mir ja endlich mal ein Rapper dumm, damit ich ihn battlen kann (lacht). Vielleicht mangelt mir es da auch am nötigen Hass: Wir haben damals halt auch bei Feuer über Deutschland mitgemacht und da konnte ich die Wut der Gegner uns gegenüber immer nicht so ganz verstehen … Da kamen wildfremde Leute vor den Matches zu uns uns meinten: „Nachher ficken wir euch!“ … Und wir waren wirklich irritiert (lacht). Aber auch amüsiert.
Alle deine Sachen erscheinen über das Stuttgarter Label wirscheissengold. Du hast das Camp mal als eine Art Künstlerkollektiv beschrieben … Ist es mittlerweile Prinzipsache, dass du dort released?
Irgendwo schon. Uns ist ja auch schon wichtig, dass stets ein Labelbezug da ist. Das gute am Label ist, dass man einfach direkt dran ist, Im Positiven, wie im Negativen. Zum einen habe ich natürlich Einblick auf Kalkulationen und Excel-Tabellen, was sicherlich das gemeinsame Vertrauensgefühl stärkt. Auf der anderen Seite sind wir selbstverständlich eingeschränkter im finanziellen Sinne als irgendein Major oder so. Umso geiler ist das alles an der Stelle, wo man sieht, dass man mit dem ganzen Konzept Erfolg hat. Wir waren zum Beispiel krass überrascht über die positiven Resonanzen des Albums und ich spiele im Herbst meine erste Tour als Headliner … Da hat wirscheissengold einen bedeutenden Anteil daran.
Du bist leidenschaftlicher Fußballfan, verpasst kaum ein Spiel deines Vereines, dem VfB Stuttgart. Was geht beim VfB in dieser noch recht jungen Saison?
Wichtig ist, dass wir nicht absteigen. Aus Fanszene-Perspektive gilt es, Blocksperren und dergleichen zu vermeiden. Wir sind ja gerade erst in die Bundesliga zurückgekehrt und sollten uns nicht allzu hohe Ziele stecken …
War die letzte Saison in der zweiten Liga abenteuerlich?
Ja, definitiv! Es war hinsichtlich der fankulturellen Erfahrungen und der Fußball-Romantik schon sehr schön. Ich war viel auswärts dabei, habe mir zum Beispiel das Spiel in Sandhausen angeschaut. Das waren schöne Erlebnisse, die werde ich in guter Erinnerung behalten …
Trefft Marz auf »#Anwesend-Tour 2017«:
04.10. – Leipzig, Täubchenthal
05.10. – Frankfurt, Ponyhof
06.10. – Dortmund, Oma Doris
07.10. – Hannover, Faust
08.10. – Hamburg, Kleiner Donner
10.10. – Duisburg, Djazz
11.10. – München, Sunny Red
12.10. – Nürnberg, Club Stereo
13.10. – Stuttgart, Keller Klub
20.10. – Freiburg, Mensa Bar
21.10. – Villingen, K3 Scheuer
28.10. – Sarnen (CH), Juko Pavillon