Automatikk – Reifer und besser

rap.de: Euer dritter Bruder sitzt ja zur Zeit im Gefängnis. Ihr habt das auf "Vermächtnis" auch thematisiert. Wie geht ihr mit diesem Thema um?

Atillah: Auf "Jenseits von Eden" haben wir das Straßending ja schon angesprochen: "Ist das cool?“. Ich meine: Wenn du unbedingt Drogen verticken musst und keine andere Möglichkeit hast, dann gut, mach’s. Aber mach’s klug und lass dich nicht erwischen. Aber es ist im Endeffekt so: Alles kriminell und illegale ist negativ. Aber wenn man durch das System gezwungen ist, so eine Scheiße zu machen… Du musst ja irgendwie an dein Geld kommen, deine Miete und dein Essen bezahlen. Aber unsere Hauptmessage ist es, am besten gar nicht erst mit so einem Scheiß anzufangen. Es endet immer in Trauer und ist nie etwas Gutes. Auf "Vermächtnis" haben wir diese Message jetzt quasi nochmal doppelt unterstrichen.

Rokko: Man sollte auf jeden Fall – egal was man tut – immer an sich selbst arbeiten und danach streben das Richtige zu tun. Auch wenn du in einer Scheiß-Situation bist, wie mein Bruder gerade sagte. Man sollte immer schauen, ob es einen Weg gibt, sich von diesem Negativen zu distanzieren und positive Energie anzuziehen.

Atillah: Wir sehen das ja auch ständig in unserem Freundeskreis, weißt du? Die Leute kommen immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt und haben Ärger. Das ist einfach nichts Gutes. Es fuckt das Leben nur noch mehr ab. Man sollte immer das tun, was man liebt und wofür man lebt aber wenn man merkt, dass es einen herunterzieht, sollte man die Finger davon lassen.

rap.de: Merkt ihr, dass die Jugendlichen auf euch hören, wenn ihr Positives propagiert?

Rokko: Das ist ganz verschieden. Bei manchen Leuten wirkt es und bei anderen nicht. Ich kenne wirklich einige Leute, die nicht aus ihren Fehlern lernen. Die kommen aus dem Gefängnis raus und fangen wieder an Scheiße zu bauen…

Atillah: … und dann wieder ins Gefängnis kommen. Das ist dann ein Teufelskreis…

Rokko: …genau! Ich hatte auch schon Gespräche mit den Leuten, wo ich gesagt hab’: "Ey, Digger jetzt wird’s mal Zeit! Geh’ mal normal arbeiten. Ich seh’ du bist wieder am hustlen und triffst dich wieder mit dem und dem… Das ist nicht in Ordnung, du bist auf Bewährung…“, aber ja… (seufzt). Wie mein Bruder schon sagte: Das ist ein Teufelskreis und es ist für die Leute schwer, da wieder herauszutreten und aus’m Arsch zu kommen und sich zu ändern. Es gibt ja so ein Sprichwort: Es ist immer einfach, das Schlechte zu tun. Aber wirklich das Richtige zu tun und sich zu bemühen, fällt den Leuten oft schwer. Das hab ich auch schon an mir selbst erlebt… Man darf die Hoffnung eben nicht aufgeben.

rap.de: Ist das der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Straßenrap? Dass man so etwas eben nicht abfeiert und als geil verkauft?

Rokko: Sowas unterstütze ich überhaupt nicht. Sich als Gangster zu profilieren, als wäre das was Gutes… Dafür habe ich kein Verständnis. Gut, das bleibt im Endeffekt jedem selbst überlassen, aber ich persönlich würde es nicht so machen. Ich sehe ja die Jugendlichen auf der Straße. Das sind 14, 15, 16jährige Jungs und Mädels und die lassen sich eben leicht beeinflussen. Jeder sollte sich mal Gedanken machen und überlegen, dass er auch irgendwann mal Kinder haben wird und es so was gibt wie Karma. Du kannst nicht die ganze Zeit Scheiße bauen, ein schlechtes Vorbild sein und dann erwarten, dass es dir am Ende echt gut geht, du glücklich mit deiner Familie in deinem Zuhause chillst und alles in Ordnung ist. Es kommt alles auf einen zurück.

rap.de: Wie seht ihr denn vor dem Hintergrund euren früheren Output? Das ging ja teilweise auch in die Richtung….

Rokko: Sex, Drugs and Rock’n’Roll…. Das war einfach die wilde Zeit, das ist jetzt ein paar Jahre her. Ich muss dazu sagen: Am Anfang hatten wir uns auch gezielt vorgenommen, auf die Kacke zu hauen. Mein Bruder hat da schon wirklich auf den Tisch gehauen und gesagt: "So, kleiner Bruder: Jetzt wird alles gefickt! Egal, wer, wie, was und wo“, und das haben wir dann auch gemacht.

Atillah: Wir wollten halt schockieren. Das war eben unser Image, das war unser Ding.

rap.de: War das damals dann der Schlüssel zum Erfolg… Hätte es anders womöglich gar nicht geklappt?

Atillah: Keine Ahnung… Das war damals eben der Plan. Wir haben uns die deutsche Rapszene angekuckt und hatten nur diesen Gedanken: Wir wollen alles ficken! Das haben wir dann auch gemacht und es hat uns niemand großartig daran gehindert. Aber es war gut, dass wir diesen Prozess durchlebt haben, denn nur durch diese Situationen und Erfahrungen sind wir bis heute gekommen und haben uns so entwickelt. Jetzt sind wir reifer, ich finde das ganz normal.