Homezone #8: Ein Vormittag im Schanzenviertel mit Johnny Mauser und Captain Gips

Ich weiß ja auch, dass ihr beide große Deutschrap-Fans seid. Gerade Johnny macht wie gewohnt wieder einige Anspielungen auf andere deutsche Artists …

Mauser: Klar, es gibt ja immer mal ein paar Stellen, an denen ich auf die Hip-Hop-Szene Bezug nehme. Leute wie Hanybal feiere ich ja auch ernsthaft, auch wenn ich die Sachen an einigen Stellen bestimmt anders formulieren würde, als er (lacht).

Was den politischen Output in euren Texten angeht, seit ihr stur und eure Aussagen klar und deutlich geblieben … Die Attitüde wird sich nicht mehr ändern, oder?

Gips: Davon kann man ausgehen, ja! Wir sind ja auch zu alt dafür, Sachen zu relativieren oder einzuknicken (lacht).
Mauser: Anders formuliert behandeln wir halt einfach weiterhin die Themen, die uns beschäftigen und sind uns dabei treu geblieben. Wenn wir mit der Band die Hamburger Wohlfühlzone verlassen und für Konzerte nach Sachsen fahren, wird uns meistens recht schnell klar, dass es dringend notwendig ist, da auch weiterhin in bestimmte Kerben zu schlagen …

… In einem der Pressetexte ist passend zum Thema von einer „beständigen Aktualität“ eurer politischen Anliegen die Rede. Diese sorgt ja wiederum dafür, dass die politischen Themen stets einen großen Teil eurer Projekte eingenommen haben. Die Schwerpunkte haben sich über die Jahre aber trotzdem immer mal wieder verändert, oder?

Mauser: Sicherlich! Bei mir kann man das im Nachhinein ganz gut beobachten: Mein erstes Album ist beispielsweise in einer Phase entstanden, als ich noch in der Kleinstadt gewohnt habe. Die alltäglichen Probleme und Konflikte, die mich damals umtrieben haben und die ich dort berappe, haben viel mit Nazi-Stress und Fascho-Läden zu tun … Jetzt, das kann man besonders gut an den beiden Neonschwarz-Alben sehen, sind es eher Themen wie Stadtentwicklung oder die Frage, wie Menschen miteinander leben wollen, die präsent sind. Es ist also sicherlich so, dass das da gewisse Wellen gibt, die dann auch für Themenwechsel sorgen können. Ich habe jetzt, direkt im Anschluss an den G20-Gipfel auch schon wieder Texte geschrieben, die wiederum auf diese ganze Sache Bezug nehmen (lacht).

Apropos: Du hast im Vorfeld des G-20-Gipfels, der ja hier in Hamburg stattgefunden hat, den Soundtrack zur Mobilisierung der „Welcome-to-Hell“-Demonstration gestellt. Über die Demo wurde im Nachhinein viel geredet, der Track und das dazugehörige Video haben für viel Wirbel gesorgt. War die ganze Sache insgesamt eher Promo oder Startschuss zum Bashing?

Mauser: Gemessen an den YouTube-Bewertungen war die Resonanz auf das dazugehörige Video am Anfang nur positiv. Irgendwann ist es dann allerdings auf den Seiten der Klatschpresse, also der MOPO oder der BILD aufgetaucht … Und von da an gingen überraschenderweise immer mehr Daumen nach unten (lacht). Da hat sich dann schon auch ganz schön heftig der Hass entladen … Mit Morddrohungen gegen mich und allem drum und dran. Dafür, dass wir einfach nur ein Lied gemacht haben, um möglichst viele Menschen nach Hamburg zu mobilisieren, fand ich das schon ein bisschen hart.
Gips: … Unter Anderem wurde da mit der „osmanischen Faust“ gedroht, weil in dem Track ja auch mal kurz gegen Erdogan geschossen wird (schmunzelt).

Ich finde auch, dass die öffentliche Kriminalisierung gegen euch als Musiker ziemlich lächerlich war. Wahrscheinlich nehmen das aber nicht alle so wahr … Denkt ihr, dass ihr mit Projekten wie diesem einige potentielle Fans vergrault?

Gips: Ich glaube, es gibt da einfach zwei komplett verschiedene Fan-Fraktionen: Die eine, die solche Sachen feiert und die andere, die so ein Track ohne Zweifel extrem abschreckt. Ich kann mir schon vorstellen, dass sowas gerade Leuten aus der Hip-Hop-Szene stellenweise zu radikal ist. Auf der anderen Seite sollte man nicht vergessen, dass die politischen Leute ja auch unsere Basis sind … Und die feiern gerade solche Sachen total und wissen es zu schätzen, wenn wir Stellung beziehen.

Da spielt ja auch die Frage mit rein, ob es euch wichtig ist, ob ihr Leute vergrault oder nicht …

Mauser: Naja … Natürlich freuen wir uns, wenn die Hörerschaft größer wird und mehr Leute zu unseren Konzerten kommen. Vergraulen wollen wir also am liebsten gar niemanden. Aber deswegen würden wir die Sache niemals unpolitischer aufmachen. Mit Neonschwarz spielen wir große Festivals und bringen trotzdem mal eins, zwei klar politische Songs.

 

Dazu muss man auch sagen, dass euch derartige Vorfälle in der Vergangenheit ja eher in die Karten gespielt haben und eure Mucke dadurch letztendlich eher gepusht wurden. Ich denke da an die Indizierungen verschiedener Lieder und den Beef mit der BPJM …

Gips: Auf jeden, gerade „Flora bleibt“ war vor allem gute Promo für die Flora (lacht). Aber derartige Werbung passiert ja dann einfach, da kann ja eh nicht von irgendwelchen Promo-Strategien die Rede sein, die sich irgendjemand zurecht gelegt hat.

Auf „Flora bleibt“ wollte ich sowieso nochmal eingehen … Die Rote Flora ist, gerade jetzt nach dem G20, wieder mal ein krasses Politikum. Glaubt ihr, dass man es entgegen aller Forderungen, die Bude endlich dicht zu machen schaffen wird, sie zu halten?

Gips: Andersherum: Auch wenn ich mir schwer vorstellen kann, dass die es ernsthaft durchziehen, die Flora zu räumen, würde ich es zum jetzigen Zeitpunkt nicht hundertprozentig ausschließen. Der Rückhalt im Viertel und bei den Leuten hier ist allerdings immer noch riesig und das sollte die herrschende Politik nicht unterschätzen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Leute aus der direkten Nachbarschaft auch weiterhin nicht von populistischen Kampagnen mitreißen lassen … Das Absurde an der Sache ist ja, dass plötzlich irgendwelche CSU-Politiker aus Bayern anfangen, gegen die Flora Welle zu machen. Da hab ich mich schon gefragt: Hä? Was wollt ihr denn jetzt (lacht)?

Werden die jetzt anstehenden Alben innerhalb der Rap-Szene polarisieren?

Mauser: In der Vergangenheit war es oft so, dass unsere Alben ein bisschen neben der ‚normalen‘ Hip-Hop-Szene geschwommen sind und wir das Gefühl hatten, dass die Leute das gar nicht so mitverfolgt haben. Linker Rap wurde ja grundsätzlich über lange Zeit ziemlich belächelt … Trotzdem hatte ich nie das Gefühl, dass die Leute, abgesehen von Faschos und Staatsschutz, krass was gegen uns haben. Kurz gesagt: Ich denke, es werden einfach alle die neuen Alben feiern (lacht).

Gips, bekommst du eigentlich oft Hass-Nachrichten von Leuten, die deine Einstellung zu Lohnarbeit bemängeln? Irgendwie kann ich mir das sehr gut vorstellen …

Gips: Warum sollte ein Traum-Schwiegersohn wie ich solche Nachrichten bekommen (lacht)? Nein, im Ernst: Eigentlich bekomme ich wirklich gar nicht so viel Hass-Spam. Nur Liebe eigentlich. Ich glaube ja sowieso, dass die Texte die innersten Bedürfnisse der Leute ansprechen … Die wären ja selber gerne Arbeitsverweigerer (lacht).

Ist künftig dann wieder was in Band-Formation geplant?

Mauser: Ja. Wie am Anfang erwähnt, steht die Band eigentlich über den Alben, die jetzt von uns kommen. Die sind ein kurzes Back-to-the-Roots … Aber danach geht’s straight weiter mit Neonschwarz!

Nach einer so kleinen wie spannenden Runde durch das Schanzenviertel sind wir am Ende des morgendlichen Spaziergangs wieder am Schulterblatt, dem Straßenzug vor der Flora angelangt. Johnny und der Captain machen sich auf den Weg zu einem Festival, auf dem sie am frühen Abend auftreten werden. Ich gehe erstmal frühstücken …