rap.de: Ich bin mir sicher, Fler hat schon darüber nachgedacht.
Simon: (lacht) Das ist jetzt der, der nicht so gut reimen kann, gell? Oder ist das der, der es kann? Ich will hier jetzt auch keinen Beef!
Etienne: Ohne Scheiß, du darfst so was nicht… Ich erklär dir jetzt erst mal dieses Rapbiz! (Gelächter) Das kannst du in jedem Rapinterview lesen: Die mögen sich jetzt wieder alle. Die Zeit des Beefs ist vorbei und alle finden sich cool.
rap.de: Nee, es ist schon wieder komisch zwischen Bushido und Fler.
Simon: Weil Bushido und sido angeln gehen. Das ist natürlich auch…
Etienne: Nein, die sind jetzt wieder alle befreundet und zollen sich Respekt. Bass Sultan Hengzt gratuliert Bushido, Bushido gratuliert sido, sido gratuliert Samy Deluxe, Samy Deluxe gratuliert Kool Savas, Kool Savas geht mit…
Simon: Ich weiß jetzt gerade überhaupt nicht, worauf du hinauswillst. Aber… Ja, was machen die denn dann? Worüber wird denn dann heute gerappt?
Etienne: Na ja, du darfst halt nicht einfach in einem Interview schlecht über einen Rapper reden.
Simon: Ja, aber ich weiß doch aber jetzt nicht, ob Fler der war, der was konnte oder nicht! Ich weiß nur, es gibt Leute die nichts können, wo alle sagen "Der kann nicht reimen…“
Etienne: Das war Raptile.
rap.de: Was Raptile wohl gerade macht. Jetzt in diesem Moment auch.
Etienne: Weiß nicht… Vielleicht Blockflöte spielen? "Blockflöte“ ist auch ein geiler Name für ein HipHop Album!
rap.de: Das wäre doch was für Azad!
Simon: Der hat glaube ich schon alle Block-Namen durch.
Etienne: Auf Azad lasse ich nichts kommen, das muss man auch einfach an der Stelle mal sagen. Den habe ich schon live in Frankfurt gesehen, da war der 16. Mit den Asiatic Warriors. Kleiner Knilch, hat schon krass gerappt und der hat das auch einfach knallhart durchgezogen. Klar, die Beats haben sich verändert und der hat auch den ein oder anderen Popsong rausgehauen, aber der hat diese Art von Rap gemacht, bevor sie cool war, er hat sie gemacht als sie cool war und er hat sie auch noch gemacht als sie nicht mehr cool war. Dem muss man einfach Respekt zollen. Ich weiß wo der herkommt, ich weiß mit welchen Leuten der abgehangen hat und das ist alles wahr. Klar, "wahr“ im Sinne von Rapentertainment. Man sieht ihn in Frankfurt auch mal ohne einen Pitbull, aber im Prinzip ist das schon was, wo ich eine gewisse Authentizität sehe. Das kann man ja leider nicht von jedem Rapper sagen.
rap.de: Aber ist Authentizität wirklich wichtig?
Etienne: Es kommt glaube ich auch darauf an, was man von der Musik erwartet. Wenn das jetzt wirklich nur Unterhaltung ist, ist es mir egal. Da guck ich mir dann auch Wrestling an und weiß, dass der Undertaker nicht im Sarg schläft, wenn die Show vorbei ist. Aber wenn ich das ernst nehmen will und glaube, was die da sagen, ist es natürlich wichtig. Wenn einer erzählt, dass er mit Koks dealt und Leute absticht und dann siehst du ihn im Straßencafé mit seiner kleinen Tochter… Ich glaube einfach, dass viele Kids da draußen nicht verstehen, dass das eine Show ist. Dass da auch einfach viel Quatsch dabei ist. Guckt euch mal Haftbefehl an! Was der teilweise für krassen Scheiß erzählt in seinen Texten und dann macht er aber irgendwie ein Antikriminalitätsvideo und geht an Schulen und bringt Schülern das Rappen bei.
rap.de: Er ist lustig, aber er kann doch gar nicht rappen! Warum bringt er das dann anderen Leuten bei? Ich finde das falsch.
Etienne: Also, es geht ja darum: Das Eine ist das Bild, was er nach draußen verkauft und das Andere das, was er wirklich ist. Und da sind die meisten Jungs die nettesten Kerle, die man sich nur… Ihr wisst das wahrscheinlich besser, ihr kennt die ja alle von Interviews und so und die Meisten sind echt nette Kerle und können keiner Fliege was zu leide tun. Es gibt sicherlich Ausnahmen und welche die wirklich auch Dreck am Stecken haben, aber für die Meisten von denen ist das Showgeschäft.
Simon: Das wäre ja sonst auch Quatsch, wenn du deine ganzen Tipps auf Platte rausgibst. Wenn du sagst "Ey, ich mache das und das und das mach ich so und so und Bullen kommt mal gleich her, weil da und da verticke ich. Und hier wohne ich.“ – ich meine, das kann ja nicht ganz ernst sein. Jemand der Koks verkauft, macht doch keine Platte wo er erzählt, dass er Koks verkauft. Am besten noch mit der Telefonnummer oder so.
rap.de: Biggie hat das gemacht.
Etienne: Ja gut, das ist ja aber auch was anderes. Diese Form von Ghettos gibt es im Prinzip in Deutschland nicht, wie es sie in Amerika gibt. Die kommen irgendwann noch. Das Sozialsystem in Deutschland ist so, dass ich das eh nicht ernstnehmen kann, wenn jemand sagt, dass er aus dem Ghetto kommt. Klar, es gibt natürlich Randbezirke, wo es soziale Brennpunkte gibt und so weiter, aber trotzdem haben die alle ihre vier Wände um sich und ein Dach über’m Kopf und ihre Playstation und ihren Fernseher. Selbst wenn du der härteste Hartz 4 Typ bist, kommst du in Deutschland noch gut über die Runden. Teilweise sogar besser als jemand, der arbeitet. Also diese ganze Geschichte vom Ghetto und so ist sowieso übertrieben, aber es ist eben auch ein bisschen Entertainment. Natürlich haben auch viele einen harten Weg.
Meine Mutter war 30 Jahre lang Hauptschullehrerin in Preungesheim in Frankfurt und als ich noch ganz klein war, war mein Kindergarten direkt neben ihrer Schule und ich wurde da immer abgeholt. Ich kenne viele soziale Geschichten von Migrantenkindern die es echt hart hatten in Deutschland und klar, die rappen sich dann ihren Stress und ihren Frust von der Seele und das ist schon authentisch. Nur von wegen Gangster und Koksdealer – da hat der Simon schon Recht. Jeder, der schon mal einen richtigen Gangster gesehen hat, der weiß dass der sich nicht hinstellen und anfangen würde, Reime und Poesie zu schreiben. Der haut dir entweder auf die Fresse oder sticht dich ab, lässt dich erschießen…
Simon: Oder verkauft dir was! (Gelächter)
Etienne: Der geht nicht hin und sagt "Oh, ich habe eine Idee, was sich auf Wärmflasche reimt!“