Die Geschichte vom Sido-Gig 2005 hat es ja ohne Zweifel in die Deutschrap-Annalen geschafft. Damals ist er wegen heftiger Sellout-Vorwürfe aus dem Publikum mit Tomaten beworfen und von der Bühne vertrieben worden …
Ja, das war damals ja echt noch eine ganz andere Nummer. Ich habe damals wüste Vorwürfe kassiert, weil man mir vorwarf, Ausverkauf betrieben zu haben … Da waren wir gerade mit M.O.R. auf Platz 69 gechartet (lacht).
Aus heutiger Perspektive ist das wirklich unfassbar. Heutzutage muss man rechtfertigen, warum man nicht einstellig gechartet ist und die Crowd auf dem splash! dreht durch, egal wen du ihr um 23 Uhr vor die Mainstage stellst …
Ja, aber ich finde, dass das nicht unbedingt eine schlechte Entwicklung ist. Ich für meinen Teil fand diese Sellout-Diskussion schon immer eher anstrengend und mühselig. Was ich nicht gut fand, war die Entwicklung, dass die Künstler sich mit der Zeit dazu entschlossen haben, zu den großen Labels zu gehen. Ich meinte schon damals immer, dass wir uns mit Royal Bunker oder auch Aggro Berlin doch Strukturen geschaffen hatten, mit denen wir alles auf hohem Niveau selber machen konnten. Ich konnte nie so ganz verstehen, warum die Leute trotzdem immer einfach abgehauen sind. Dass ich dann irgendwann selbst auf Universal angewiesen war, lag dann eher daran, dass ich einfach nicht der glücklichste Geschäftsmann unter der Sonne bin. Ich hatte damals halt nicht mehr das Budget, um K.I.Z. selber zu machen, zumindest nicht in einem Rahmen, in dem man deren Potential gerecht geworden wäre.
… Gutes Stichwort! Ich habe gerade gestern beim K.I.Z.-Konzert darüber nachgedacht, wie ein Staiger wohl deren heutiges Publikum findet …
Das stört mich noch nicht mal so sehr! Wenn man das politisch auslegt, bringen wir damit ja einfach nur unsere Message an eine sehr breite Schicht von Leuten und im besten Fall verinnerlicht ja der eine oder andere die Gedanken, die da geäußert werden.
Im Falle von K.I.Z. ist eben nur immer die Frage, wie viele Leute dann am Ende peilen, worauf die Jungs hinaus wollen …
Klar, aber in der Musikindustrie ist es ja allgemein so, dass du das als Absender nie im Griff hast. Der Punkt der mich stört ist einer, der gerade im Fall von K.I.Z. ganz und gar nicht gegeben ist: Mich nerven Pläne und Versuche, so etwas berechnen zu wollen. In dieser Hinsicht habe ich immer noch eine romantische Vorstellung, in der Musik eben etwas ist, was aus einem selber heraus kommt, etwas mit Kunst zu tun hat und weniger mit Geschäft. Aber es ist auch nicht schlimm, wenn Leute das können. Wenn du auf lange Frist gute Kunst machen willst, musst du dich in diesem System ja sowieso damit arrangieren.
Was hältst du von den aktuellen Trends im deutschen Rap, insbesondere von Trap und Cloudrap?
Das ist nichts, was ich so unfassbar gerne selbst höre, weil mir das meistens einfach zu wenig Aussage mitbringt. Grundlegend finde ich, dass man noch auch viel absurdere, lustigere oder bewusstere Dinge in dieser Redundanz machen könnte … Aber natürlich gibt es auch gute Ansätze: Mir fallen da spontan Yung Hurn oder Crack Ignaz ein. Auch die Leute, die diese Trends mit Straße vermischen, wie Ufo361 oder Luciano, finde ich interessant. Das hat definitiv eine krasse Energie. Einen Umstand, den ich bei diesen ganzen Sachen allerdings sehr bedauerlich finde, ist, dass ja, obwohl allein stylemäßig viele Rollenmodelle in der Musik aufgebrochen wurden, sich das Frauenbild auch in dieser Rap-Generation nicht verändert hat. Frauen sind immer noch schmückendes Beiwerk und nur zum Ficken und Vergessen da und das ist wirklich bedauerlich!
Wie schätzt du allgemein den politischen Mehrwert dieser Cloudrap-Geschichten ein? Es wirkt ja auf den ersten Blick doch oft wie stumpfes und inhaltsloses Abgehype von Konsumgütern. Da werden teilweise über Lieder hinweg nur Markennamen aufgezählt …
Das muss ja nicht unbedingt ernst gemeint sein: Oft kann das ja auch einen ironischen oder satirischen Unterton haben. In solchen Fällen bin ich ein großer Freund solcher Texte. Andererseits halten die Leute aus dieser Perspektive dann meistens nicht, was sie versprechen …
Willst du damit sagen, dass du selbst in diesen Cloudrap-Filmen einen Hauch Revolution erkennen kannst?
Nein, das wäre übertrieben! Den sehe ich ehrlich gesagt wirklich nicht. Das ist schon alles sehr hedonistisch und auf sich selbst gerichtet. Da ist wenig Revolutionäres zu erkennen. Aber das verlange ich von Musik ja auch nicht unbedingt. Klar freue ich mich, wenn das auftaucht und es wird ja durch die politischen Zeiten, in denen wir leben auch zunehmend mehr. Aber es ist kein Muss, kein Gesetz. Ich finde es meistens eher übertrieben, welche Hoffnungen politische Gruppen in deutschen Rap legen … Das lässt sich alles nicht erzwingen, so viel kann ich aus meinen Erfahrungen sagen.
Nochmal zurück zum splash! … Was wirst du dir heute und morgen noch so anschauen?
Ufo schaue ich mir an. Ich würde nicht behaupten, dass ich den total feiere … Aber ich finde ihn durchaus interessant.
Was gibt es abschließend zu sagen?
Dass ich mich ernsthaft freue, dass dieses Festival es geschafft hat, sich über zwanzig Jahre zu halten! Nächstes oder übernächstes Jahr feiere ich dann mein persönliches zwanzigstes splash! … Und vielleicht gibt es bis dahin ja wieder Freigetränke im Backstage, die vermisse ich dieses Jahr ein bisschen (lacht).