Interview mit form: „Coolness ist ganz oft sehr dumm“

Was bedeutet für dich eigentlich Gutmensch? Du verwendest dieses Wort, dass von Rechten als Beschimpfung vermeintlich naiver Linker gebraucht wird, als Selbstbeschreibung.

Ein Gutmensch ist jeder Mensch, der sich Mühe gibt, kein Arschloch zu sein. Da braucht es auch Critical Coolness. Das heißt, nicht immer nur gucken, ob es jetzt cool von anderen bewertet wird, sondern dass man selber etwas will und sich nicht aus Angst, als uncool zu gelten, sich nicht einmischt bei irgendwas. Irgendwas passiert und man sagt nichts, weil man nicht uncool sein will – das ist das Schlimmste. Coolness ist ganz oft sehr dumm.

Coolness im Sinne von Empathielosigkeit.

Unterdrückung von Emotionen. Cool heißt ganz oft, du darfst nicht laut lachen oder dich ärgern, sondern: immer cool bleiben. Männlichkeit heißt bei vielen: keine Gefühle haben. Wie dumm sich das auswirkt! Das ist so schlecht. Sieht man ja an den ganzen Rappern, wie sie ausrasten, weil sie keinen Zugang zu ihren Emotionen haben. Und das ist auch politisch: Genau diese Verzweiflung und diese Depression, die die Leute davon abhält, überhaupt mit Spaß weiterzuleben, sorgt ja auch dafür, dass die Nazis noch mehr Platz haben. Und auch Sexismus hilft Nazis: Wenn Anti-Nazi-Gruppen mega die Macker sind und nur Frauen nicht ernst nehmen, machen die Frauen halt nicht mehr mit. Und so weiter und so fort.

Das wird ja im Rap inzwischen tatsächlich immer mehr aufgebrochen. Inzwischen ist es viel cooler geworden, auch mal Gefühle zu zeigen.

Voll. Das ist sicher auch ein Einfluss von Drake. Und das ist eigentlich etwas positives, dass diese Männlichkeit nicht mehr so hart, lächerlich ungebrochen ist, und so ganz, ganz humorlos.

Das Gespräch ist noch nicht rum, die Zeit aber schon. Wir verabreden uns für nächste Woche zu einem zweiten Termin. Dieses Mal treffen wir uns zum Essen. Bei Falafel und Halloumi kommen wir auf ein wichtiges Thema zu sprechen: HipHop.

Mir wurde die ganze Zeit erzählt, HipHop heißt, du kannst dich selber ausdrücken und deinen eigenen Style haben – und ich wurde nur bestraft. Immer. Für Abweichungen von der vermeintlichen Norm. Hä, wieso rappst du auf Schwäbisch, hä, wieso singst du jetzt, hä, wieso reimst du manchmal nicht? Das ist auch so der deutsche Aspekt: Diese Bestrafung für Abweichung. Das ist in anderen Ländern oft nicht so arg, weil es nicht so kollektivistisch ist und die Leute sie selbst sein dürfen – gut, dieses „man selbst sein“ kann man auch infrage stellen, aber egal. Ich finde es jedenfalls einfach geiler, wenn man die Leute einfach mal machen lässt. Solange es niemandem schadet – lass die doch mal.

Die HipHop-Polizei gibt es halt echt vor allem in Deutschland. Dieses verbitterte, verbiesterte… ich habe noch nie einen Ami-Kommentar gelesen, dass Drake kein HipHop oder kein Rap sein soll.

Ja, voll. Nicht nur BoomBap ist Realness, sorry. Ihr könnt auch geile Trapmusik machen. Hört einfach auf mit dieser dummen Schubladen-Diskussion. Und weil ich halt nicht aus so einer engen Du-darfst-dies-nicht-und-das-nicht-HipHop-Denke komme, sondern halt vom Dorf, wo alle, mit denen ich zu tun hatte, nichts mit HipHop anfangen konnten…

…sondern wahrscheinlich Böhse Onkelz gehört haben…

… nee, nicht mal das, eher so Punkrock. Oder Iron Maiden.

Die mit der Kette am Geldbeutel dann.

Genau. Oder die irgendwelche Runen von diesen geilen Metallogos in die Tische im Kunstraum ritzen. Von Manowar oder so. (Gelächter)