Homezone #1: Mit PTK unterwegs auf dem 1. Mai

Ich nehme „Ungerächte Welt“ nicht als klassisches Konzept-Album mit klarem roten Faden wahr, sondern vielmehr als eine bewusste Zusammenführung unterschiedlichster Einflüsse aus deinem breiten sozialen und musikalischen Netzwerk.

Auch wenn die Bezeichnung ‚roter Faden‘ an dieser Stelle vielleicht ein bisschen unpassend ist, hat doch jedes meiner Alben einen Schwerpunkt. Auch wenn ein, zwei Lieder das vielleicht nicht komplett bestätigen, versuche ich zum Beispiel schon, dass jeder Track auf den Titel anwendbar ist. Ich habe mitten in der Entstehung des Albums festgestellt, dass ich das Wort ‚Welt‘ in verschiedensten Kontexten mehr oder weniger unbewusst benutze: mal geht‘s um „meine Welt“, mal um „eure Welt“, manchmal meine ich „die Welt der Menschen“, mal sozusagen „die Welt als Erde“ und so weiter. Aber es stimmt schon: „Ungerächte Welt“ ist auf jeden Fall kein Konzeptalbum mit engem Korsett, dafür ist es zu breit aufgestellt.

Mal eine vielleicht etwas strange These von mir: Die Figur PTK ist eine Art Fusion aus einem grundsätzlich optimistischen Gemüt mit einem sehr düsteren Output. Oder bilde ich mir dieses Spannungsfeld nur ein?

Schwierig (überlegt ein paar Sekunden). Ich selbst würde mich nicht als Optimist bezeichnen. Auf der EP „Den Umständen Widersprechend“ ist der Track „Visionär“ zu finden, diese Selbstbeschreibung passt wahrscheinlich besser zu mir. Meine Musik ist von Grund auf auch deshalb so schwarzmalerisch, weil ich erst gar keine Musik machen kann, wenn es mir gut geht. Natürlich habe ich hier und da mal eine positive Message, aber der grundlegende Tenor ist negativ und fast immer zweifelnd und kritisch. Eigentlich ein bisschen unsympathisch (schmunzelt), aber dadurch, dass ich immer versuche, die Perspektive des erhobenen Zeigefingers zu vermeiden, kann ich diese Attitüde meistens noch relativ angenehm verpacken und bin somit kein klassischer Nörgler … Deswegen weiß ich in etwa, auf welches Spannungsfeld du hinaus willst.

Gott oder zumindest der Glaube an etwas Überirdisches sind, auch auf dem neuen Album, ein stets präsentes Thema in deiner Musik. Du scheinst den Religionen nicht unkritisch gegenüberzustehen, behandelst du doch das Verhältnis der Menschen zu Gott und umgedreht meistens eher in Form von Enttäuschung und Zweifel. Bist du trotzdem gläubig?

Zu diesem Thema habe ich mich tatsächlich noch nie detailliert geäußert. Ich mache mir im Allgemeinen viele Gedanken über Werte und Ideale. Aus Bibelsprüchen stammende Wortspiele, die im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet werden, können spannende und inspirierende Denkanstöße sein. Ich lehne Religionen nicht kategorisch ab, sondern nur das, was viele Menschen aus ihnen machen: Ein Musterbeispiel dafür ist mit Sicherheit der Islamische Staat. Jemand, mit dem ich und einige meiner Leute befreundet waren, hat sich zum Beispiel im Fanatismus verloren und kämpft für den IS in Syrien, was mich ganz schön wütend macht. Aber ich habe in meinem Freundeskreis auch viele sehr positive Auslegungen von Islam und Christentum erlebt. Aus meiner Erfahrung heraus tut der Glaube den Leuten in vielen Fällen einfach gut. Problematisch sind in meinen Augen also nicht die Religionen an sich, sondern allgemein alle Situationen, in denen sich Menschen über Menschen stellen. Ich würde mich selber definitiv als gläubig bezeichnen. Vielleicht nicht in dem Rahmen, den sich der Eine oder Andere jetzt vorstellen mag, aber ich glaube schon an Etwas. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, dass MC Basstard mal in einem Interview das Beispiel gebracht hatte, dass eine Ameise, die auf deiner Hand krabbelt, ja nicht unbedingt die Hand als ihren Boden begreift (gestikuliert mit einem Finger auf seiner Handfläche herum). Sie ist zu klein und ihre Augen sind einfach nicht dafür gemacht, dass sie uns sehen kann! Das lässt sich auf den Menschen übertragen: Wir können gar nicht alles erfassen und auch unser Horizont hat Grenzen. Vielleicht sind wir viel unwichtiger und kleiner, als wir denken.

Neben Jesus und Judas spielen auch politische Themen wieder eine wichtige Rolle. Gerade die letzte Auskopplung „Das Haus wird besetzt“ und vor allem das dazugehörige Video wirkt wie eine Anleitung für die politische Praxis …

Die Zeile „PTK ist im Haus und das Haus wird besetzt“ stammt aus einem alten Track mit Herzog und Mosh36 und ist natürlich eher als Metapher anzusehen. So gesehen ist Deutschrap, Kreuzberg, am Ende Deutschland das Haus, das von PTK und meinen Leuten besetzt wird. Ich habe dieses alte Bild nochmal rausgeholt und neu verwendet, weil es sehr exemplarisch für meinen Stil ist und auch auf die Hausbesetzer-Historie Kreuzbergs anspielt. Wie im Video zu sehen ist, fliegen meine Feindbilder raus, wenn ich mit meinen Leuten das Ruder übernehme, aber auch das ist eher symbolisch gemeint. Nebenbei hatte ich Lust, eine Hommage an die legendäre Szene aus dem französischen Film-Klassiker „La Haine“, in der der DJ im Fenster seiner Plattenbau-Wohnung seine Decks aufbaut und mit dem „Sound of da Police“ seinen Block aufweckt, in eines meiner Projekte einzubinden und auch das ist Teil der Hausbesetzung im Video. Diese Szene ist für mich einfach HipHop pur! (grinst begeistert)