Kool Savas

rap.de: Was ist die Alternative? Ein Häuschen im Grünen?

Kool Savas: Von mir aus sofort Provinz. Sofort Spießbürgertum. Ich schwör's dir, damit komm ich tausendmal besser klar, wenn mir einer sagt, dass meine Hecke nicht ordentlich gestutzt ist. Wirklich. Das kann ich besser nachvollziehen. Da sage, ich, Alter, der steht auf Ordnung. Cool. Ich komm damit klar. Das ist dann vielleicht trotzdem ein Mensch, mit dem man doch noch auch über normale Dinge reden kann. Ich habe ein bisschen in Paderborn gelebt und ich habe einfach gemerkt, es gibt normale Menschen. Überall, wo es nicht um Fashion, Haute Couture und Bullshit geht. Es gibt ganz normale Menschen, die ein ganz normales Leben führen. Was einem hier präsentiert wird, ist alles eine geisteskranke Traumwelt. Wie du vorhin sagtest, ein Abenteuerspielplatz. Die toben sich alle mal aus, aber am Ende werden sie dann sowieso in einen Vorort von…

rap.de: …Paderborn ziehen.

Kool Savas: Nein, Paderborn nicht, das ist für die zu nah am Leben, aber irgendwohin, wo die High Society sie mit offenen Armen erwartet. Dort werden sie dann um einiges seltener ausgehen und einen Anzug tragen.

rap.de: Und sich ab und zu gegenseitig erzählen, wie geil sie damals in Berlin Party gemacht haben.

Kool Savas: Genau. Und irgendwelche behinderten, verschwommenen Polaroids austauschen.

rap.de: Ja, mit dem iPhone aufgenommen, aber per App zum Polaroid umgestaltet.

Kool Savas: (lacht) Alter, lass doch mal die Anti-Hipster-Bewegung endlich starten. Ich weiß, das ist echt voll Hatermäßig, aber dann bin ich halt ein Hater. Ich hab letztens ein interessantes Interview gesehen, das war mit DMX und mit Charlamagne oder wie der heißt. Die haben DMX gefragt, was hältst du von dem Rapper, was hältst du von dem, wie gefällt dir Drake? Und DMX meinte, ich finde ihn whack. Der Moderator meinte, danke, dass du das sagst. Warum darf man denn nicht mehr sagen, dass man etwas nicht geil findet? Warum ist man dann automatisch ein Hater? Kann man nicht einfach, egal, ob es erfolgreich ist oder nicht, sagen, das ist whack? Ich bin dem als Artist ja auch ausgesetzt, dass Leute so was über mich sagen und ich dann voll sauer bin. Aber ich kann nicht einfach sagen, dass Sachen geil sind, nur weil die einen Hype haben. Wenn einer was krasses macht, auch wenn es z.B. Gangsta-Rap ist, sage ich gerne, das ist cool, Alter. Es gibt einen Gangsta-Rapper aus Frankfurt, SadiQ heißt der, der hat so ein "Meine Stadt"-Ding gemacht, und das ist technisch geil, der hat das geil gerappt. Das kann ich nicht haten. Ich kann es honorieren, wenn einer so was kann. Aber wieso kann ich, wenn irgendein Rapper XY rauskommt oder irgendein neuer Klamottenstyle, der zu Tode gehypet wird, nicht einfach sagen, nee, ich find's scheiße. Wo ist das Problem?

 

rap.de: Vielleicht kann man es ja dann sagen, wenn man zuerst in einer allgemein gehalten Floskel den Erfolg anerkennt, um nicht als Neidhammel dazustehen.

Kool Savas: Ja, okay. Aber was glauben denn die Leute? Natürlich sind Rapper voll auf Competition, ein bisschen Neid ist bestimmt bei den meisten Leuten dabei. Ich würde auch nicht sagen, dass ich nie in meinem Leben neidisch war. Samy ist auch vor mir Gold gegangen und hat vor mir irgendwelche Awards abgeräumt. Aber wenn ich auf Samy abgefuckt war, dann nicht deshalb, sondern weil er sich für Gott hielt. Momentan ist es wieder ähnlich mit ein paar aktuellen Patienten, aber wenn ich mich mal ehrlich dazu äußere, werde ich direkt als ein Born Hater dargestellt. Warum kann ich denn nicht ganz ehrlich sagen, das ist professionell gut, es wurde gut umgesetzt, aber ich höre halt nicht solche Mucke? Warum wird verlangt sich dem kollektiven Geschmack anzupassen, nur weil ganz Deutschland beschlossen hat, es geil zu finden?

rap.de: Morgen bringt ein Rapper sein zweites Album heraus, den du damals quasi entdeckt hast: Kay One. Erinnerst du dich?

Kool Savas: Der hat immer R&B-Zeug abgefeiert, seinerzeit war mir das zu R&B-mäßig, mittlerweile höre ich selbst auch gerne R&B. Kay Ones Mucke ist eben schon ein bisschen Disco-R&B-mäßig. Das einzige, was sich verändert hat, sind halt die Klamotten. Aber musikalisch hat sich im Großen und Ganzen nicht viel geändert, außer, dass er nicht mehr dauernd in Doubletime rappt. Vom Vibe fühlt sich das für mich nicht anders an. Der macht sein Ding. Er kann bestimmt besser freestylen als viele andere. Der macht eben Feelgood-Mucke. Ich glaube, in erster Linie macht er Musik, um Weiber zu ficken.