Das Intro von „Invictus“ ist dramatisch inszeniert, mehr als eine Minute baut sich das Instrumental auf, dann kommt ein schlechtgelaunter Fard rein: „Mach deine Augen auf, ich sehe was was du nicht siehst/Ich schwänger eure Beats und ficke Deutschrap MCs“. Korrekte Ansage.
Es folgt „Endlich Helden“, die zweite Videoauskopplung. Der Synthie klingt nach 80er-Kitsch, textlich bewegt sich die Nummer zwischen „Wir werden Helden sein, auch wenn es nur für einen Tag ist“-Pathos in der Hook und smarten Lines wie „Vergiss die alten Märchen, schreiben das Ende neu/Vergessen wer wir waren, doch sind uns selber treu“. Kampfansage also verschoben, jedenfalls vorläufig. Nächster Tracktitel: „F. Nazizi“. „Sag meinen Feinden ich warte hier/F. Nazizi, geh raus und frag nach mir“. Bisschen Selbstbehauptung, bisschen autobiographisch, leider bleibt der Beat aber auch bisschen belanglos.
Der gemeinsame Track mit Snaga, „Talion 45“ bietet endlich das erwartete Punchline-Gewitter. Auf einem stur nach vorne marschierenden Instrumental ziehen die beiden Ruhrpottler ordentlich vom Leder. Mit „Wir sind nicht gleich, auch wenn du deine Augen schließt/Weil ein Adler niemals mit Tauben fliegt“ und „Lasst die anderen peinlich rappen/Wann traut ihr Robben euch endlich zu mir ins Haifischbecken“ legt Fard flott vor, dazu donnern Jedi Mind Tricks-Samples in der Hook. Ein gewohnt griesgrämiger Snaga kontert anschließend mit „Hunger und Gewalt gehen Hand in Hand/Scheiß auf Autos, setzt die Banken in Brand“. Man merkt es schon, die beiden Jungs aus NRW haben sich als Feindbild die Staatsmacht ausgesucht – nicht nur dieser Track ist in systemkritischem Duktus gehalten.
Klar, Sozialkritik war immer ein roter Faden, der sich durch Fards bisheriges Werk zog. Auch auf „Invictus“ kommt das Thema wieder zum tragen, mal vorsichtig und beinahe zurückhaltend wie bei „Kinder des Zorns“, dann wieder gewohnt aggressiv auf „Wir sind hier“, der von seiner Herangehensweise am ehesten an den Style von „Alter Ego“ erinnert. Inhaltlich gibt es die üblichen Vorwürfe in Richtung Exekutive, „Kinderschänder frei, doch für Hasch wirst du weggesperrt“, beschwert er sich da beispielsweise sehr zugespitzt. Über den Inhalt der einzelnen Aussagen lässt sich natürlich trefflich streiten. Insgesamt ist „Wir sind hier“ aber ein sehr kurzweiliger Track, die eine oder andere Zeile lässt durchaus aufhorchen, „Jeder weiß, Phantasie ist Luxus, und ich kanns mir nicht leisten über ’nen Traum zu sprechen“ zum Beispiel.
Allerdings gibt es, wie bereits angedeutet, auch erstaunlich viel Harmonisches bis Pathetisches auf dieser Platte. Da wäre zum Beispiel „Post für dich“, ein Brief an einen Freund aus vergangenen Tagen oder „Ich will wissen“, ein Song mit schmalziger „Öffne dein Herz“-Hook. Dazu kommen mit „Reich & Schön“ und „S.O.S.“ gleich zwei waschechte Liebeslieder, und das ausgerechnet von dem Mann, der noch auf „Alter Ego“ verkündet hatte, dass es davon schon zu viele gäbe. Zeiten ändern dich, wie es ein anderer, nicht ganz unbekannter deutscher Rapper formulieren würde…
Vor allem lyrisch sind es zum Teil ganz neue Töne, die Fard da anschlägt. Womit wir aber auch gleichzeitig bei seiner größten Stärke wären: Textlich lässt er nämlich fast alle Konkurrenten aus seinem Genre hinter sich. Durchweg bietet er pointierte Punchlines, einen umfangreichen Sprachschatz und muss nur ganz selten auf Zweckreime oder Klischees zurückgreifen. Bei dem Storytellingtrack „Einsam“ hat man buchstäblich das Gefühl, man begleite Fard durch seine trostlose Grau-in-Grau Lattenzaun-Nachbarschaft. Die melancholisch-heulende Geige im Hintergrund unterstreicht das unangenehme Feeling perfekt. Bevor es aber zu gefühlsduselig wird, wird auf „Rock’n’Roll“ wird dann dem Titel entsprechend noch mal so richtig auf die Kacke gehauen und das durchaus gekonnt, zumindest, bis die Hook einsetzt, in der irgendeine Dame „Rock’n’Roll, Baby“ quakt. Die Frage, die sich einem dabei unweigerlich stellt: Warum? Crossover-Elemente sucht man vergebens, auch wenn der Name es vielleicht hätte vermuten lassen. Das ist zwar durchaus verschmerzbar, erklärt aber den Refrain trotzdem nicht wirklich befriedigend. Sei’s drum.
Trotz vieler offensichtlicher Qualitäten bleibt der Eindruck, dass Fard auf seinen letzten Werken bereits viel von seinem Pulver verschossen hat. Vor allem im Vergleich zu „Alter Ego“ fehlt es „Invictus“ manchmal an Ideen und vor allem auch der üblichen Ladung Punchlines. An sich ist gegen einen harmonischeren Sound natürlich nichts einzuwenden, Al Pacino hat schließlich auch in „Frankie und Johnny“ eine gute Figur gemacht. Aber wenn man die Wahl hat, guckt man halt doch lieber „Heat„…