Review: Ben Salomo – Es gibt nur einen

Mit „Es gibt nur einen“ hat Ben Salomo, der den Meisten vermutlich am besten durch seine Arbeit als Moderator bei Rap am Mittwoch bekannt ist, sein erstes Album veröffentlicht. Erstes Album klingt, als wäre er ein unbeschriebenes Blatt in der Rapszene, was gewiss nicht stimmt: 2001 gründete er das Label Tempeltainment und machte daraus später zusammen mit Chefkoch, Damion Davis, DJ Pete und Mike Fiction die KaosLoge. „Es gibt nur einen“ ist trotzdem Ben Salomos erstes echtes Soloalbum.

Beeinflusst durch sein sehr sympathisches Auftreten als Moderator bei Rap am Mittwoch, bei dem er auch raptechnisch einige Male die „Anwerber“ in ihre Schranken gewiesen hat, ging ich beim ersten Hören sehr positiv eingestellt an das Album heran. Der Mann vertritt vernünftige Ansichten und kann rappen, ist lange im Geschäft und nicht auf den Kopf gefallen – der wird sicher ein gutes Album abliefern.

Die erste Single-Auskopplung mit Video und auch der erste Track auf dem Album, „Identität“, geht soundtechnisch gut nach vorne und ist vor allem inhaltlich spannend. Ben Salomo spricht über seine jüdische Identität, die er auch immer wieder in Interviews thematisiert und mit der er richtiger- und wichtigerweise sehr offen umgeht. Wichtig deshalb, weil latent antisemitische Meinungen immer noch bis zu zwanzig Prozent Zustimmung in Deutschland finden und viele Menschen abseits vom oftmals trockenen Geschichtsunterricht leider nie mit jüdischen Themen in Berührung kommen. Ein öffentlichkeitswirksamer Artist, der diese Identität thematisiert, zeigt: Hey, wir stecken nicht nur in euren Geschichtsbüchern oder leben in einem Staat, der pausenlos Gegenstand von Stammtisch-Diskussionen ist. Wir leben hier mit euch, wir prägen Jugendkultur mit, wir moderieren wöchentlich das größte Rapbattle Berlins. „Während in Deutschland Synagogen brannten, konnte mein Großvater aus Europa flüchten / Er entging den Flammen der Todesöfen, wäre er Einer der sechs Millionen würde keiner heut‘ meine Botschaft hören“

Nach dem guten Einstieg folgt ein sehr klassisch gehaltener Track über Ben Salomos Weg zu HipHop, die Steine, die ihm im Weg lagen und die Suche nach Personen, die diesen Weg nachvollziehen können oder sogar teilen: „Kennst du das?“ Das ist nichts wirklich Neues, weder der Inhalt noch der musikalische Unterbau mit altbekannten Hip Hop-Streichern. Ben Salomo macht hier nichts falsch, aber auch nichts besonders richtig. Oder toll.

In „Kaninchenbau“ geht’s dann, passend zum Titel, noch etwas weiter nach unten. „Jeder Film den du im Kino siehst, manipuliert dich, jeder Song den du im Radio hörst, manipuliert dich“. Ehrlich? Abgesehen davon, dass mich der Track soundtechnisch nicht abholt, hätte ich von jemandem, der intelligente Interviews gibt, eine weniger flache Message erwartet. Die Medien sind böse, wir werden auf dem Arbeitsmarkt ausgebeutet… Stammtischparolen im 4/4-Takt.

Die an sich wichtigen Themen Chancenungleichheit und institutioneller Rassismus – „Es ist kein Zufall, […] dass Mohammed für die selbe Arbeit vom Lehrer eine fünf kriegt / aber bei Fabian nimmt man Rücksicht“ – kommen in „Puzzleteil“ zur Sprache, die dahinter stehenden Probleme werden aber wieder nur verkürzt dargestellt. Laut Salomo sind die Renten so niedrig, dass Pfandflaschen gesammelt werden müssen, und Schuld daran ist natürlich der „korrupte“ Bundestag, und nicht eine Überalterung der Gesellschaft, in der es viel zu wenige Menschen im arbeitsfähigen Alter im Verhältnis zu Rentnern gibt. Raptracks sind keine politische Dissertation, aber wenn ich nach einem Track genauso schlau bin wie vorher und auch musikalisch nicht geflasht worden bin, frage ich mich, welchen Mehrwert er eigentlich hat.

Auch viele andere Tracks lassen ebendiesen Mehrwert vermissen. Über eine Beatkollektion, die sich streckenweise anhört, als hätte Ben Salomo eine ziemlich schlimme Freebeatkollektion von rappers.in gepickt, werden Erfolgsstorys berappt und Ben Salomo lässt uns wissen, dass er nicht nur gut rappen könne, sondern auch eine Kanone im Bett sei und nebenbei ein ziemlich veraltetes Frauenbild hat („Und jede Frau reagiert wie auf Knopfdruck, obwohl ich sage, wie es läuft, kriegen sie Hoffnung, sie putzen meine Bude und belegen einen Kochkurs […]). Als wäre das nicht genug, beginnt der Track „Ein Weg raus“ mit einer Motivationsrede, nach der man sich im Bett verkriechen möchte, nur um dann in einen Gesangspart überzugehen, der an „In the air tonight“ von Phil Collins angelehnt zu sein scheint, und einem jegliche Hoffnung raubt, dieses Bett jemals wieder verlassen zu können.

Mit „Es gibt nur einen“ gibt es dann zum Glück nochmal einen interessanten Beitrag im Sinne der Völker- bzw. Religionsverständigung. Ben Salomo bebildert lyrisch die verschiedenen Wege zu Gott und versucht aufzuzeigen, wo die Gläubigen verschiedener Religionen Gemeinsamkeiten finden können, um so zu ein bisschen mehr Frieden in der Welt zu kommen. Eingeleitet wird der Track mit dem jüdischen Glaubensbekenntnis „Sch’ma Jisrael“Salomo gewährt also einen Einblick in seinen eigenen Glauben, betont aber gleichzeitig, dass er diesen nicht als besser oder schlechte als andere ansieht.

Danach kommen noch ein paar Representer, fiktives Storytelling über einen Assassinen im alten Jerusalem, eine Story über ’nen Typen, der ihm eine Frau ausspannte und auch die obligatorische Rap am Mittwoch-Hymne „Vergesst nicht“, in der Tierstar, Damion Davis und Brian Lee Voice auf den Beat aufspringen. Damion Davis zeigt einmal mehr, dass er mehr Bekanntheit verdient hätte und Tierstar liefert solide ab – auch hier beschleicht mich aber der Eindruck, dass der Plastik-Beat den MCs ihr Potenzial verbaut.

Insgesamt bleibt das Album für mich weit hinter meinen Erwartungen zurück. Ja, Ben Salomo kann rappen, ja, die Texte sind in Ordnung und der erste Track kann sogar etwas mitreißen. Aber das Album hört sich für mich soundästhetisch so an, als wäre es 2003 erschienen – ohne dabei nostalgische Gefühle aufkommen zu lassen. Und auch die ein, zwei inhaltlich interessanten Tracks können kein ganzes Release tragen, in dem weder technisch noch inhaltlich irgendetwas Bahnbrechendes passiert. Wenn Ben Salomo im letzten Track „Mehr will ich nicht“ dann rappt: “ […] lieber transportiere ich mit jedem Atemzug revolutionäres Gedankengut“, sitze ich nur noch da und frage mich, ob ich irgendeinen Hidden Track übersehen habe.