Nach etwa drei Jahren steht nun aber pünktlich zum angekündigten Termin sein drittes Album „Christoph Alex“ in den Läden. Ein Blick auf das Cover stellt sofort klar, dass sich bei Fav in Sachen „einen-Fick-auf-alles-geben“ bzw. Berührungsängsten mit brisanten Themen, nicht das Geringste geändert hat. Favorite ist ein Produkt seiner Umwelt, einer hoffnungslosen Welt, die sich nur noch mit Galgenhumor ertragen lässt:
„Mein von Drogen entstelltes, verlogenes Selbst, passt perfekt in diese längst verlorene Welt“ (aus „Ne Pille“)
Er pflegt nun mal „diese Art Humor, Hard zum Core“ , packt sich „3 Pullen Ja-Korn in den Warenkorb, ’n Kilo Pepp und ’n Stapel Porns“ und stellt sich so „den perfekten Samstagabend vor“ (aus „Hard zum Core“)
In Fav‘s Welt werden Crack-Whores geknallt, sich mit anderer Leute Mütter sowie deren minderjährigen Töchtern vergnügt und im Zweifelsfall auch schon mal auf Kinder geschossen. Christen, Juden, Frauen, Schwule und Schwarze, ja nicht einmal seine Fans sind vor Favorites „Dirty Mouth“ sicher. Wobei er einer der letzten weißen Rapper ist, der die alte Savas-und M.O.R (Un)-Sitte der Verwendung des N-Wortes beibehält. Die bestehende Gefahr etwaiger Vergeltungsaktionen hat er offenbar miteinkalkuliert:
„Der erste deutsche Rapper der stirbt, irgendjemand wird bald kommen und mir die Fresse poliern!“ (aus „All Around“)
Ein besonderes Ding zu laufen hat Fav dabei mit seinem Boss, den er im Song „Obama“ grandios parodiert sowie mit seinem Tour-„Gegner“ Kaas. Beide müssen im Verlauf des Albums immer mal wieder für einen Lacher herhalten:
„Ich nannte Slick-One eine Arschgeburt, zur Strafe schickte er mich dann mit Kaas auf Tour.“ (aus „Whhaaayy“)
Auch haben der Liebe Gott und Fritty ein ganz spezielles Verhältnis. Mit 12 Jahren auf einen Schlag seiner Eltern beraubt zu werden, ist sicherlich nichts, was so leicht zu verzeihen wäre. Und so muss ER sich schon mal den ein oder anderen Spruch gefallen lassen:
„Ich ruf es nach oben, der Himmel soll warten, hier unten ist cool, hier sind Kindersoldaten.“ , „Versuch ein guter Mensch zu sein, auch wenn es oft nich klappt, versuch zu lieben, auch wenn Gott mich hasst.“, oder „Auf der Bibel liegt ’n riesen Haufen Pepp.“
Auch wenn der gute Fav dabei mitunter übers Ziel hinausschießt, geschieht dies alles meist mit einer gehörigen Portion Fav’schem Humor, was zur Folge hat, dass wenn man diesen teilt, der Unterhaltungs-Faktor von „Christoph Alex“ in luftigen Höhen anzusiedeln ist. Kaum ein Song vergeht ohne mindestens einen veritablen Schenkelklopfer, wobei in vielen Lines bei genauerer Betrachtung auch eine gehörige Portion Wahrheit steckt:
„Besten Dank Vater Staat, ich beantragte Hartz, du allein bist Schuld daran, dass ich ich den ganzen Tag schlaf.“ (aus „Mach was ich will„), oder: „Nich mal die allergrösste Schlampe dieser Welt will Sex mit dir…weil du sie respektierst!“ (aus „Guess Who’s Back“)
Darüberhinaus glänzt Favorite mit zahllos eingestreuten Sing-Flows, die seinen Vortrag ungemein abwechslungsreich gestalten. Überhaupt ist bei ihm über die Jahre hinweg, eine stetige Weiterentwicklung und Verbesserung seiner Skills zu erkennen, was ihn zu einem der momentan interessantesten deutschen Rapper macht.
Die Beats, welche zum Großteil von Selfmade-Hausproduzent Rizbo (8) und Vizir Beats (4) stammen, bieten dabei die passende Untermalung für Fav‘s Raps, wobei Vizir für einen angenehm anachronistischen Sound sorgt, der den Geist der goldenen Ära des Hip-Hop atmet.
Abseits aller Übertreibungen und Ironie beweist der Essener Rapper mit Songs wie „Gottlos“ oder „Blind“ allerdings, dass er durchaus in der Lage ist, sich mit dem allgemeinen Wahnsinn dieser Welt auch in ernsthafteren Tönen auseinanderzusetzen:
„Egal wie schwarz der Präsident auch ist, die Kriege gehn weiter/ Menschen töten Menschen um Profite zu steigern/ Shit, was macht sie mit dir, die Macht des Papiers/ Man fängt an zu verstehn und zack, packt einen die Gier.“
Dass einige Lieder einen eher skizzenhaften Eindruck machen und nicht wirklich rund daherkommen, trägt sogar noch zum speziellen Charme des Albums bei, anstatt dass man dies als Negativ-Punkt nennen könnte. Fav macht einfach das, wonach ihm grade der Sinn steht, was dann zu so aberwitzigen Szenarien wie im Track „Whhaaayy“ führt, in dem er nach einem Saufgelage nackt hinter einem Busch aufwacht, daraufhin für einen Affen gehalten, in den Zoo gesperrt und gefoltert wird. Dabei „bin ich nichmal schwarz…hab ich nich gesagt…ich bin Kaas! „
Das ist angesichts der oftmals doch recht verkrampften Darbietungen der Konkurrenz einfach mal sehr erfrischend, und man verzeiht ihm dabei gern den ein oder anderen inflationär gebrauchten Anglizismus. Er scheint sich dessen auch bewusst zu sein und treibt das Ganze dann teilweise so auf die Spitze, dass es schon wieder lustig ist:
„Eine Kette reicht mir nich, ich brauche noch ne Extra-Chain…mein Leben ist ein Action-Game…ich bin back for Fame!“ (aus dem grossartigen Opener „Nirvana„)
Ein weiterer Pluspunkt ist die sehr gering gehaltene Anzahl an Features. Bis auf den obligatorischen Kollegah-Part („Ich vertreibe die Wa(h)ren wie die amerikanischen Siedler“) im Verschwörungstheorie-Begriffe-Dropping-Fest „Pyramide“, einen Hengzt –und Orgi-Auftritt („Run Johnny Run“), seine Essener Homies 257ers („Ne Pille“) und eine Hook des Sängers Sahin („Blind“), stemmt Fav die LP komplett alleine, was ihm beeindruckend gut gelingt.
Favorite hat mit „Christoph Alex“ ein Album abgeliefert, an dem als Fan von deutscher Rap-Musik nicht vorbeikommt und an dem sich die Konkurrenz dieses Jahr messen lassen muss.