Jasha – Endbossstyle

Ein bisschen hat es ja schon gedauert, bis „Endbossstyle“ endlich den Weg zum Konsumenten gefunden hat. Ursprünglich mal für 2009 terminiert, sollte es nach ganz vielen Verschiebungen eigentlich im Februar diesen Jahres erscheinen. Auch dieses Date hat sich allerdings noch zweimal nach hinten verschoben. Offizielle Begründung des Künstlers: Es seien einfach zu viele Vorbestellungen für das Album eingegangen.Aber ist ja auch egal, denn wenn “Endbossstyle” erstmal im Laden stehe, dann würden die geschätzten Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und von anderswo erstmal nicht mehr so viele Platten verkaufen, verkündete Jasha einem verdutzten rap.de-Chefredakteur im Interview. Dann nämlich würden die Kids sehen, wer hier der realste Banger am Block sei (lies: Jasha aus Berlin) und wer hier nur so tut, als würde er Koks aus dem Kofferraum verticken (lies: Farid Bang aus Düsseldorf).

Ach Gott. Das mit der Realness ist ja immer so eine Sache. Prinzipiell ist es erstmal völlig egal, ob ich Jasha aus Berlin-Steglitz abnehme, dass er Banken überfällt und Menschen erschießt. Wichtig ist in erster Linie, dass ein Rapper technisch versiert ist, zu unterhalten weiß und etwas mitbringt, dass ihn von den tausend anderen Rapvögeln da draussen unterscheidet. Kurz: Er muss fresh, dope und clean sein – aber genau da hakt es bei Jasha.

Klar, der 27-Jährige ist ein ganz ordentlicher Rapper, was Flow und Technik angeht. Und auch die Produktionen auf dem Album müssen sich nicht vor anderen Berliner Veröffentlichungen verstecken. Das Problem ist vielmehr, dass Jasha dieses Album mit grob geschätzt drei eigenen Ideen bestreitet, der Rest ist klischeehafter Berliner Rap circa 2005.

Lyrisch betrachtet hangelt sich das ganze Album von einer Plattitüde zur nächsten. „Hier wird’s nicht besser / wenn dann schlechter / Kids ziehen Messer / werden zu Verbrechern / und landen hinter Gittern / manchmal denk ich mir: Was hat mir dieses schnelle Geld gebracht / doch was soll’s, ich bleib aktiv in der Nacht“, heißt es etwa im Intro. Mal ehrlich, das ist doch langweilig. Ein Haftbefehl beackert natürlich genau dieselben ausgetretenen Themenfelder, macht das jedoch mit Intensität und Humor wieder wett. Jasha hingegen begnügt sich damit, immer wieder die gleichen Vokabeln aus dem Lego-Baukasten für Gangsta-Rap aneinanderzureihen.

Auch auf Tracks, in denen er sich mal mit einem anderen Inhalt als dem Streetlife beschäftigt, schafft es Jasha nicht, seinen Lyrics Originalität einzuhauchen. Im bereits länger bekannten Lovesong „Mein Herz“ mit Ayman etwa verbringt Jasha die ersten Bars erst einmal damit, festzustellen, dass er hier gerade einen Lovesong schreibt: „Schreib den Text mit diesem Schmerz und der Beat läuft auf Repeat.“
Das durchaus energetische „Diss Iss Es“ wiederum sollte ein Rundumschlag gegen die Lieblingsfeinde aus dem Westen werden, deren Provokationen sich Jasha spürbar zu Herzen nimmt. Doch auch hier kommt der Berliner nicht über die immergleichen Plattitüden und Game-Übernahme-Ansagen hinaus. Zumindest ist zu bezweifeln, dass sich Farid Bang von einem Diss wie Farid, Du bist ’ne witzige Witzfigur“ beeindrucken lässt. Die Line „Würden Nazis Dich vergasen, würd ich sagen, dass ich Adolf liebe“ ist wiederum einfach nur daneben.

Überhaupt werden auf diesem Album ziemlich viele dumme Sachen gesagt. In „Erzähl nicht Junge“ mit Featuregast Charnell berichten die beiden Protagonisten etwa davon, wie zwei unbekannte Personen in die Straße einbiegen, in der Charnell lebt. Die Lage ist klar: Er kennt die beiden nicht, also müssen sie „Spinner“ sein, die schleunigst umgelegt gehören, so Charnell.
Zum Glück kommt auch schon Jasha mit seinem Auto vorgefahren, der allerdings seinen kleinen Sohn mit dabei hat, doch egal, denn dieser ist bekanntlich aus dem gleichen Holz geschnitzt wie sein Vater. Dieser „zuckt nicht mal mit der Wimper, sagt, wir holen die.“ Allerdings sind die beiden Unbekannten bis dahin dann auch schon verschwunden. Charnell schließt mit der lapidaren Bemerkung: „Anscheinend haben die Schiss bekommen / besser so, sonst hätt’ der kleine Junge alles mitbekommen.“ Zusammengefasst: Jasha und Charnell wollen zwei wildfremde Menschen in einem Drive-By-Shooting ermorden, nur weil diese in ihre Straße eingebogen sind – mit Jashas Sohn auf dem Kindersitz. Der „ganz normale Ablauf“ im Street-Hustle eben. Stellt sich nur die Frage: In welcher Stadt? Auf welchem Planeten? Und wer sind hier eigentlich die wahren „Spinner“?

Dabei beweist Jasha stellenweise durchaus, dass er dazu in der Lage ist, sich interessante Songkonzepte auszudenken und diese auch ansprechend umzusetzen. „Luzifer“ etwa ist ein reichlich naiver, aber packender Track über ein vernachlässigtes Mädchen, das sich im Satanismus verliert. Das anarchische „Kriminalität“ mit Serkan erweitert das Grundrezept des Albums um ein paar Prisen Düsternis und Wahnsinn. Und bei „Horror Film“ mit den anerkannten Slasher-Experten Rako und Schwartz ist der Name Programm – nicht wahnsinnig innovativ, aber eine willkommene Abwechslung.

Insgesamt gilt aber: Dieses Album braucht kein Mensch. Nicht, weil es sonderlich schlecht gemacht wäre, sondern weil es versucht, im Jahr 2011 mit einem Konzept zu punkten, das schon 2008 niemanden mehr interessiert hätte, weil es in Wahrheit bereits 2005 played out war. Wenn der Berliner auf „Diss Iss Es“ allen Ernstes behauptet, Farid Bang sei eine billige Kopie von ihm, dann beweist er nur, dass er nicht im Geringsten verstanden hat, was einen interessanten Rapper ausmacht.

Beinahe möchte man Jasha ans Herz legen, einfach mal ein paar Bücher zu lesen. Musik aus anderen Genres zu hören. Filme zu gucken. Irgendwas, das Inspiration liefert und ihm dabei hilft, etwas Eigenes zu erschaffen und nicht ständig den alten Vorbildern nachzueifern, denn was Jasha gegenwärtig erschafft, weckt in mir keine Reaktion.

Es langweilt mich einfach zu Tode. Aber vielleicht bin ich auch nur dämlicherweise in die falsche Straße eingebogen.