Telly Tellz – Mischlingskind

Homiebusiness! Wie kaum in anderen Sparten lässt sich in der hiesigen Hip Hop Szene deutlich erkennen, an welchen Stellen das wirksame Vitamin B seine Spuren hinterlässt. Da reicht es ja manchmal Chauffeur eines erfolgreichen Rappers zu sein, um bei Gelegenheit mal ebenfalls hinters Mic zu schlüpfen und sein Talent zu entdecken… Schon winkt ein Labeldeal und zwar deutlich wahrscheinlicher, als nur über ein verschicktes Demotape.

Bei so ziemlich jedem Label gilt das Prinzip des Hauptacts, der versucht seine musikalisch weniger begabten Freunde mit hochzuziehen. Schließlich teilen echte Brüder ja alles – auch den Fame, das Geld, die Girls und, und, und. 

Der Querverweis zu Telly Tellz ist bei diesem Thema nicht schwer zu finden. Als bester Kumpel des meistgehypten Newcomers der letzten Jahre ist der erste Gedanke natürlich: "Vetternwirtschaft“, die einem an anderer Stelle ja teilweise auch schon mal die Laune an der Musik nehmen konnte.

Doch das ist diesmal ganz anders. Diesmal nämlich nicht.

Schon beim ersten Track, einem Countdown, der auf die folgenden 46 Minuten runterzählt, stellt man sich einen gehetzten Telly vor, der einen am Arm packt und Vollgas in einem älteren SLK-Model von Ecke zu Ecke St. Paulis zerrt. Gerade lang genug, um einen kurzen Blick aufs Geschehen zu werfen, doch dann sofort wieder weiter zum nächsten Schauplatz, ohne einem die Zeit zu lassen, sich vom ersten Szenario erholen zu oder ein etwas konkreteres Bild machen zu können.
Das ist wirklich eines der besten Intros, die man seit langem gehört hat, weil es perfekt verdeutlicht, was einen auf diesem Mixtape erwartet und das auch noch besser als auf dem späteren Titeltrack selbst: "Bin ein ein Mischlingskind. Chill mit’m Homie, er ist Mischlingskind. Chill mit’m ganz deutschen, er ist Mischlingskind. Wuchs auf im Viertel, trägt in sich drin! Wissen über verschiedene Kulturen. Wer ist im Job der Boss, wer putzt  den Flur? Wer ist auf der Straße wie der Pate und wer wird benutzt rund um die Uhr? Wolf oder Schafe, nicht nur im Puff gibt’s Zuhälter und Huren…

Direkt auf diese großartige Eröffnung folgt ein ziemlich cooler Repräsenter seiner Stadt, Hamburg, doch muss man hier sagen, dass die kurzangeschnittene Bilderflut auf volle Tracklänge nicht mehr ganz so gut funktionieren mag.
Hier hätte man sich auf jeden Fall gewünscht, dass der als Telly Diallo geborene Rattos Locos Rapper ein bisschen Länger bei den einzelnen Szenen verweilen würde und man einen etwas genaueren Blick auf den jeweiligen Schauplatz werfen könnte.
Kennt man sich auf der Straße etwas aus, reicht es vielleicht, um zu verstehen, was er vermitteln möchte, doch für komplett außenstehende Rapfans könnte das unter Umständen zum Hindernis werden.

Allerdings gelingt es Telly das Bisschen, was er an Inhalt verliert, durch seine (für Straßenrap untypisch) ausgefeilte Technik und vor allem die ausgeprägte Stimmung wieder wettzumachen. Da gibt es diesen fünften Track, namens Hyper, zu dem man auch einfach auch mal "Crank“ des Filmemachers Mark Neveldine laufen lassen könnte, wenn man den Ton abdreht und stattdessen Telly als Soundtrack nimmt. Passt! Und diese schnelle Art des lyrischen Bildwechsels funktioniert hier wiederum ebenfalls ausgezeichnet, da selbst die Beats des Tracks alle 30 Sekunden ihre Richtung wechseln und von einem Brett ins andere übergehen, als wären es Greenscreenhintergründe und Telly der Typ aus der Old Spice Werbung.
Wenn Telly dann rappt: "Hier wird nicht gepetzt! Das ist so’n ungeschriebenes Gesetz! Frag mich: ‚Was los, wo ist er jetzt?’ Antwort: ‚Kein Plan! Digger such selbst!’ – ‚Ich weiß dass du ihn deckst, ich weiß, dass du weißt, wo er sich versteckt!’ – ‚Nein, tut mir Leid Mann, ich weiß ein Dreck!’, malt man sich weitere Komponenten der Story einfach von selbst aus – das geht von ganz alleine.
Im paranoiden Adrenalinmodus, gepaart mit seinem eindringlichen Flow und den unglaublich geilen Grime-Beats stellt sich da durchaus das ein oder andere wilde Nackenhaar auf.

Was für nervige Pseudorapper auch immer durchs oben erwähnte Homiebusiness in der Szene bekannt wurden, ein Glück, dass es auch anders geht.
In diesem Falle sind wir wirklich froh, dass Tellys bester Freund, seinen besten Freund ins Game geschleppt hat.

Danke.