Kid Cudi – Man On The Moon II

Wie oft wir in den letzten Monaten schon darüber berichten mussten, dass Kid Cudi vom Rap-Game zurücktritt, nur um kurz darauf wieder zu vermelden, dass er es sich wieder anders überlegt hat, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Durchgeknallte Drogengeschichten und verwirrte Interviewstatements, sowie der Anschein einer schweren Identitäts- und Persönlichkeitsstörung, so etwas kann einem schon die Lust an einem Künstler versauen.
Wieso sollte man sich mit den Psychosen eines gestörten 26-jährigen auseinander setzen, schließlich hat man ja auch seine eigenen? Aus diesem Grund und auch aus dem Grund, dass ich „Man On The Moon“ das Debütalbum des aus Cleveland stammenden Rappers vollkommen überbewertet und sogar richtig scheiße fand, hatte ich nicht wirklich Lust auf Teil 2 der Mann-Im-Mond-Geschichte. Ein Fehler. Zumindest wäre es ein Fehler gewesen, wenn ich es mir nicht angehört hätte.Eingeteilt in fünf Akte geht es bei „The Legend Of Mr. Rager“, so der Untertitel des Werkes, um „the dark and harsh realities of a world filled with temtations“, was auch die Jimi-Hendrix-artige Innencoverillustration unterstreicht, wo Kid Cudi umringt von nackten Frauen auf einer Couch sitzt. Ein bisschen „Electric Ladyland“ nur mit weniger Frauen, aber trotzdem wissen wir ja: Alles Übel dieser Welt kommt von der nackten Eva – der personifizierten Versuchung schlechthin.

Ob diese Auseinandersetzung mit den Verlockungen des Lebens inhaltlich jetzt superspannend ist oder einfach zum Reifeprozess eines jungen Erwachsenen gehört, der relativ früh mit Ruhm und Geld konfrontiert wird, sei mal dahingestellt. Spannend wiederum ist die vollkommen reduzierte und trotzdem warme musikalische Umsetzung dieser Gedanken. Es ist tatsächlich so, als würde man Cudi auf einer Reise in sein Inneres begleiten. Der Rapper klingt ein bisschen so, als würde man ihm bei einem permanenten Selbstgespräch zuhören und Featuregäste wie Cee Lo oder Mary J. Blige sind ferne Stimmen, die in Cudis Universum lediglich wie der Nachhall einer weit entfernten Außenwelt klingen.

Solche inneren Monolog können ja sehr anstrengend sein, im Fall von Cudi sind das aber kleine rhythmische Meisterwerke mit hohem ästhetischen Wert. Das sind keine großen, musikalischen Gesten mit pompösem Orchester, sondern eher selbstverlorene, ätherische Gitarrenschnipsel mit einem satten Beat, einem Bass und einem Pianolauf, die genau zum richtigen Zeitpunkt einsetzen, um den Stücken die notwendige Bodenhaftung zu bescheren. Ansonsten wäre das alles ein unbestimmtes und unverbindliches Rumgeeiere im luftleeren Raum.
Kid Cudi kann einfach saugut rappen und das beweist er auf so eine unangestrengte Art und Weise, dass seine Stimme tatsächlich nur noch so etwas wie ein Mittel zum Zweck ist: Instrument, Rhytmuselement und letztendlich die Straße, der Platz, die Bühne, auf der sich das Drama in fünf Akten ausbreiten und entwickeln darf.
In Szene 3, die mit „Party On“ übertitelt ist, geht es in den ersten beiden Songs dann auch noch etwas handfester zur Sache. Die Beats sind griffiger, die Sounds lauter und alles wirkt ein bisschen offener, was bei „Wild’n Cuz Im Young“ dann aber sofort wieder zerstört wird. spätestens hier erinnert mich „Man On The Moon II“ an das legendäre Konzeptalbum „A Book Of Human Language“ von Aceyalone, mit dem hypnotischen „Grandfather Clock“. Ähnlich psychedelisch und versponnen.

Insofern ist „The Legend Of Mr. Rager” ein dichtes Gestrüpp an seltenen, schillernden Pflanzen, die man sich allerdings tatsächlich genauer ansehen muss, ansonsten sieht man nur Unkraut.

Im vierten Aufzug, der da „The Transformation“ heißt, wird es aufgrund der vielen gläsernen Synthisounds vielleicht ein bisschen anstrengend, aber dafür drückt einen der fünfte und letzte Akt „You Live, You Learn“ dann wieder so ans Herz, wie eine Mutter, die ihr lang vermisstes Kind in die Arme schließt – mit zuckersüßen Melodien und einem Gefühl wie Heimat.
Und so kommt es, dass man sich in Track 17 tatsächlich „Trapped in my mind“ befindet.

Na gut, wenn es so sein soll, und wir alle gefangen sind, im Kopf des Künstlers, dann soll es halt so sein. Dann machen wir es aber bitte noch mal von vorne. Repeat bitte!