Mopz Wanted – Begleiterscheinungen

Für Szenekenner und Alteingesessene ist der Name Mopz Wanted kein unbeschriebenes Blatt mehr.
2004 veröffentlicht der Sprechsänger aus Köln seinen ersten Longplayer „Zeichensprache“. Die Single „Von Ganzem Herzen“ sorgte für die ersten Respektbekundungen, das Album erfährt ebenso gute Kritiken. Drei Jahre später folgt dann das zweite Studioalbum, „Ein Neuer Morgen“ und hierbei war Name Programm. Im Kontrast zum düsteren Vorgänger präsentierte sich die LP wärmer und positiver; die Texte waren reifer und ausgeklügelter.

Begleitscheinungen, so mein altbewährtes Lexikon, sind Symptome, die sich als Folge einer Entwicklung einstellen. So ist Stress eine Begleiterscheinung vieler Berufe. 2010 präsentiert eben jener Mopz Wanted in Form eines 14 Tracks starken Werks seine ganz eigenen „Begleiterscheinungen“. Über Pose Off Records veröffentlicht, von Tatwaffe und Def Benski (Die Firma), den Rohdiamanten, Sinuhe, Daez, Mirko Polo, Franksta (Inflabluntahz), Pitza und Plus in Form von Gastbeiträgen unterstützt und komplett selbst produziert.

Schon zu Beginn des Tonträgers wird dem Hörer klar, wohin der Weg der „Begleiterscheinungen“ geht. Das Intro „Von Kopf bis Fuß“ offenbart eine Loyalitätsbekundung gegenüber HipHop: „Es kribbelt in allen Nervenzellen / seit dem ersten Hören habe ich HipHop im Blut / versuch die Verbindung dazu herzustellen / I’m lost in music – von Kopf bis Fuß“.
„Neues Spiel Altes Glück“ sowie „Feuer auf Eis“ reihen sich nahtlos ein. Storytelling trifft hier auf nachdenkliche Selbstreflexion, jede Zeile wirkt dabei ehrlich und glaubhaft. Das eine mal etwas verschlüsselter und poetischer, dann wiederum durchsichtig und nachvollziehbar – aber stets sehr feinfühlig und authentisch: „Meine trostlosen Songs holten mich aus der Einsamkeit / Auch wenn der Tod eines Tages kommt – ich bin allzeit bereit / muss akzeptieren, dass sich nicht jeder Fehler ändert / flieg im Blatt Papier des Seelenklempners und schrei: We are the Champions!“

Auf „Ein Stück Weit Ich“ gibt der Künstler einen Einblick in seine Kindheits- und Jugendzeit:“Wenn ich es rückblickend noch mal vor meinen Augen abspule / war meine Kindheit eine aufblühende Blume / keinen Plan von Traumberufen / kümmerte mich kaum um die Zukunft / nichts brachte mich aus meiner Ruhe / wollt in die Welt hinaus – raus aus dem Trubel!
Mit Eylem wird weiterhin die „Heimat“ besungen und auf „Karussel“ stellt Mopz Wanted ein Gleichnis zwischen dem Leben und Kirmesfesten auf.
Jene Songs bestätigen, was sich zu Beginn des Albums angekündigt hat: Das Songwriting ist die große Stärke des Mopz Wanted. Irgendwo zwischen hoffnungsvoll und wehleidig, zuversichtlich und selbstbemitleidend, poetisch und in Pathos getränkt, formen sich die Lyrics des 27-jährigen zu einem in sich stimmigen Gefüge, das fesselt und in den Bann zieht.

Mit Sicherheit ist Mopz Wanted kein technisch versierter MC, der jede Silbe perfekt reimt, aber es wirkt solide. Ja doch, alles passt und sitzt dort, wo es sitzen muss, wenngleich der große „WOW!“-Effekt so bisschen ausbleibt. Der Nervfaktor der Hooks – ob gerappt oder gesungen – ist überraschend niedrig. Die sehr soulige und melodiöse Soundästhetik wirkt minimalistisch, wobei das gar nicht negativ gemeint ist. Denn die Beats sind nicht überladen. Vielmehr untermalen sie den interessanten Vortrag des Sprechsängers. Hier liegt Detailarbeit drin, das Arrangement des Albums ist auf das Geschichtenerzählen des Protagonisten zugeschnitten. Einige Gäste hätten vielleicht nicht sein müssen und bleiben belang- oder farblos. Doch das ist Meckern auf hohem Niveau.

Die ausgiebig vorgestellte Mixtur aus selbstkritischem Rückblicken in die Vergangenheit und Geschichtenerzählen begleitet den Hörer auch zum Ende des Albums.
Überzeugendes Storytelling gibt’s aus der Perspektive eines Discobesuchs („Discolichter“) und einer Schiffsfahrt („Auf hoher See“), Zweifel am eigenen Ich auf „Über die Angst“, einen Song über eine verlorene Person, die dem Rapper nahestand (ob es sich hierbei um Männlein oder Weiblein handelt, bleibt offen) in Form von „Mit meinen Augen“.

Zum Schluss rundet der Zukunftsausblick „Was Sein Wird Wird Sein“ das sehr persönliche Album ab: „Das Universum ist ein Kind der Sehnsucht des Lebens / um aus Fehlern zu lernen und um Vergebung zu beten / Alles wird knapp, selten und kostet viel zu viel / que sera sera, what will be will be“. Was sein wird, das wird sein – ändern kann er es nicht, doch er kann die Gefühlswelt, die ihn bei seiner Entwicklung begleitet hat, beleuchten.
Im Booklet dankt Mopz Wanted dann noch allen, die ihm dabei geholfen haben das Album auf die Beine zu stellen und somit „ein Stück von sich selbst zu verwirklichen“.
Dieses Stück von sich selbst samt Begleiterscheinungen seines Lebens schildert er dem interessierten Hörer glaubwürdig. Ein Album eines sensiblen Menschen für sensible Menschen.
Mopz Wanted ist gereift und läuft mit „Begleiterscheinungen“ zur Höchstform auf. Raphörer, die auf solch’ Seelenschau stehen, werden das Album wertschätzen. Also wirklich wertschätzen.