Farid Bang – Asphalt Massaka 2

Vor nicht allzu langer Zeit, kurz nachdem Gangsterrap für tot erklärt wurde, fühlten sich diverse Hip-Hop Orakel berufen, das "nächste große Ding" anzukündigen. Ein Straßenrapper sollte es sein, mit überragenden technischen Fähigkeiten. Ein Hybrid sozusagen aus den beiden Großen der jeweiligen Lager: Bushido und Savas in einem. Nun, ob damit tatsäch derjenige gemeint war, der sich nun mit Asozialität, Respektlosigkeit und Dissen neben Kollegah den Weg nach oben bahnte, darf jeder für sich selber entscheiden. Eines steht jedoch fest: Seit einigen Monaten führt für alle, die sich für die Entwicklungen im deutschen Hip-Hop interessieren, kein Weg am German Dream-Signing Farid Bang vorbei, der nun mit "Asphalt Massaka 2" sein zweites Soloalbum abliefert.

Wer die Promotour zum Album verfolgt hat, beziehungsweise durch Zufall auf ein Interview des Rappers gestoßen ist, was durch dessen scheinbare Omnipräsenz im Internet sehr wahrscheinlich ist, wird mindestens drei Sachen über ihn und das Album schon im Vorraus wissen. Erstens: Farid sieht das Dissen sportlich, wer sich jedoch angegriffen fühlt, soll sich  gerne wehren. Der Rapper fürchtet das nicht, denn Zweitens: Ihm ist kein Rapper gewachsen, "weder raptechnisch noch physisch". Drittens: Auf dem Album werden all die "jungen Herren" gedisst, die sich in letzter Zeit "ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt haben". Und diese Liste ist lang. Da wären MOK, Sido, Alpa Gun, B-Tight und der Rest der Sekte, Jascha, Fler, Godsilla und Reason, dazu noch sein Lieblingsopfer Franky Kubrick und andere. Alle diese Rapper bekommen in mehr oder weniger lustigen Lines mehrmals auf dem Album ihr Fett weg, was für eine hohe Dissdichte sorgt. Das, zusammen mit dem asozialen Humor, macht im Prinzip die allermeisten Tracks und damit das Album aus.

Bereits das Intro lässt keinen Zweifel an der Richtung, in die das Album geht. Nach der Ansage: "Es kann mit der Vernichtung begonnen werden!" folgen die ersten Zeilen des Albums: "Asozialer Marokkaner,/ fahr den Benz jetzt zu Schrott,/ fick Jasha, Frank White und MOK,/ Farid Bang ist der Boss!/ Während ihr weiter die Gangster spielt im Studio,/ verticke ich Lines an Kids wie ein Schulkiosk./ Denn ich bin Boss in Town schieb Foxy Brown mein Cock ins Maul/ doch sie macht Samenraub, wird schwanger und kriegt Box in Bauch!" Neben dem namentlichem Gedisse im Sekundentakt sieht man hier bereits sehr konkret, welche spezielle Form von Humor Farid vertritt. Der funktioniert einfach dadurch, dass absolut und radikal auf "political correctness" geschissen wird. Ich muss dann über diese pure Ignoranz, Provokation und Asozialität einfach lachen. Natürlich würde der wahre Farid wahrscheinlich keine harten Drogen an Kinder verkaufen oder Frauen das Kind aus dem Bauch prügeln. Zumindest wollen wir das alle mal hoffen.

Raptechnisch hat der Rapper im Gegensatz zu "Jung, Brutal, Gutaussehend" nicht großartig zugelegt. Trotzdem sind die um die Ecke gedachten Vergleiche im Stile von "`Hey du – bist nur ein schwuler Kerl, der feige ist, wie jemand der, sich gut ernährt" ("Bangermusik") wahsninnig unterhaltsam und die dummen Sprüche machen unübertrieben wirklich jeden Battle-16er von Farid zu einem Lacher. Es gibt in wirklich jedem Part mindestens eine Stelle, die wirklich lustig ist, diese sind dann auch mal ein wenig selbstironisch wie: "Erzähl mir nix von Mafia du Scheißer!/ Ich scheiß auf alles und fick Nadja Benaissa" ("Gangbanger 2"). Und immer wenn ich grade denke: Na gut, dieser Part is jetzt aber nicht soo geil, kommt dann genau so eine Passage, die mich diese Wertung noch einmal überdenken lässt.

Von den 15 Tracks auf "Alphamassaka 2" verfügen 7, das heißt gut die Hälfte, über ein Rapfeature. Das ist auch ganz gut so, da Farid thematisch nicht so viel Abwechslung bietet und es auf Dauer langweilig wird, ihm immer nur alleine beim Dissen und Asozial-sein zuzuhören. Das lockern die Features ganz gut auf.

Zu nennen wäre da zum Beispiel "Es Ist Soweit" zusammen mit Summer Cem, an dem sich ja bekanntlich die Geister scheiden. Den einen geht er aufgrund der poppigen Attitüde, vorallem durch den Einsatz von Autotune, gar nicht rein. Andere, so wie ich, feiern grade diese Ignoranz gegenüber dem Totgesagten. Der Beat und die Hook erinnern so ein bisschen an Dorffest-Romantik oder Rummelmusik. Autoscooter, Schießbuden, besoffene Gruppen und Schlägereien.

Mit "Vom Tellerwäscher Zum Millionär" folgt dann der erste Storyteller. Ich möchte diesen mal mit "Schwer Ein Mann Zu Sein" zusammen behandeln, da sich beide wirklich sehr ähneln. Es sind enthalten: eine Liebesbeziehung, ein krimineller Mann der Stress mit der Staatsmacht hat, eine Schwangerschaft, ein unvorhersehbarer Wendepunkt in der Story, sowie der Tod eines Hauptprotagonisten in der letzten Zeile. Das wirkt dann leider ein bisschen so, als hätte Farid sich gedacht: Ich mache die Story jetzt mal so krass wie möglich und packe alles was mir einfällt da rein. Komisch auch, dass die Freundin, nachdem sie sieben Jahre auf ihren inhaftierten Mann wartete und dieser ihr dann als erstes in der Freiheit sagt, er sei ihr damals fremd gegangen, mit einer sehr monotonen und unbeeindruckten Stimme sagt: "Ist das dein Ernst? Wofür hab ich  gewartet? Ich mach Schluss." So, als würde sie jemandem erzählen, wie das Wetter draußen grade ist: "Joa, grau so wie immer, bisschen Regen auch.". Als Hörer werde ich durch solche Details leider nicht in diese Stories hineingezogen. Das läuft dann einfach so ab und ja, am Ende stirbt dann halt nebenbei noch einer. Vorallem nach "Schwer Ein Mann Zu Sein" wirkt das so ein bisschen unfreiwillig komisch, weil man sich so denkt "Was? Schon wieder tot?".

Da muss man dann auch ein bisschen ungläubig lachen, da es so ein wenig abstrus erscheint, dass in jeder Geschichte, die Farid uns erzählt, ein Wendepunkt folgt und außerdem auch noch eine Hauptperson so nebenbei am Ende stirbt. Die Fähigkeit zum Geschichten erzählen ist bei Farid also auf jeden Fall noch etwas ausbaufähig. Manuellsen stellt hier allerdings mal wieder unter Beweis, dass er wirklich sehr gut und soulig singen und ein Lied dadurch wahnsinnig aufwerten kann.

Bis auf diese zwei Tracks und das Outro gilt aber: "Asphalt Massaka 2 – jeder Song ein Disstrack!".  Und wie man weiß, sind es genau Passagen wie "Ey yo Patrick, du bist nach nem Bodycheck unten./ Ich: Carlo Cokxxx Nutten, du bist Sonny Blacks Nutte.", die auf den Schulhöfen gut ankommen, ohne da irgendeine Partei ergreifen zu müssen.

Was allerdings auf Tracklänge sehr viel Sinn und Spaß macht, spielt sich dann auf Albumlänge doch leider schnell tot bei mir. Auch die vielen Features können letztendlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eigentlich zum Großteil immer nur haargenau das gleiche passiert.

Das muss wirklich nicht sein, denn dass die thematische Beschränkung nicht an seinem fehlendem Können liegt, beweist der Rapper im Outro der CD: "Noch Einmal", in dem der Farid dann auch mal persönlichere Töne anschlägt und bildlich alle Sachen aufzählt, die er gerne noch einmal machen würde. Das hat dann irgendwie schon so einen rührenden Gänsehaut-Effekt, weil mir da beim Hören auch eigene Erinnerungen an die Kindheit hochkommen. Dieser Track sticht damit aus dem Restprogramm sehr hervor und bricht ein bisschen dieses Bild der Kunstfigur Farid Bang als asozialer, respektloser, dissender Raproboter und gibt einen Blick auf den Menschen dahinter preis. Das ist ein schöner Abschluss des Albums und vielleicht ein hoffnungsvoller Ausblick auf die Zukunft.