Inflabluntahz – Segen Und Fluch

22 Tracks sind schon ziemlich viel für so ein Album. So wahnsinnig vielfältig kann ein Künstler gar nicht sein, dass da nicht irgendwann Langeweile aufkommt und bevor man Tracks als Füllmaterial auf die Scheibe stopft, sollte man sie vielleicht lieber ganz weg lassen. Wie gesagt. Mir würden eigentlich auch 15 Songs reichen. Oder 12. Die sollten dann aber alle richtig gut sein. Das neueste Werk der Inflabluntahz umfasst samt der Zusatz CD "Influzion“ und Bonus Tracks ganze 40 Stücke und obgleich ich mich vor dem Schaffensdrang von Franksta und Nicoist verbeuge – wirklich etwas Gutes haben sie dem geneigten Hörer mit diesem Material-Overkill damit nicht getan. Nichtsdestotrotz gelingt dem Rapper-Produzenten-Team mit "Segen Und Fluch“ ein angenehmes Album, was es stellenweise sogar schaft, richtig zu begeistern.
 
Während im amtlich klingenden Intro erst mal "Stirb Langsam 4.0“ Zitate über den melancholisch vor sich hinklimpernden "Vorleser“-Soundtrack gezimmert wurden, folgt mit "Lang Genug Gewartet“ das musikalische Äquivalent zur typischen Pressetext-Einleitung. Nur in gut. Irgendwo zwischen packend atmosphärisch und wunderschön melodiös hat Profound da einen Beat geschaffen, der mir wirklich das Herz aufgehen lässt. Auch der Refrain, hauptsächlich bestehend aus Vocal-Samples, passt perfekt zum Track. "Ihr habt lang genug gewartet“ rappt Savas (obgleich spontan Vega-Assoziationen geweckt werden), bevor er von Curse mit "…ich die Fassade einreisse, Wahrheit verbreite“ abgelöst wird. Gefällt mir richtig gut.
 
Bei "Just A Dream“ geht es mit den Scratches und Samples gleich weiter und natürlich darf auch die erst kürzlich von Bushido verwendete, zentrale Zeile aus Biggies "Juicy“ hier nicht fehlen. All das klingt sehr nach Ende der Neunziger Rap, als es noch die Maxime vieler Rapper war, alltägliche Geschichten zu erzählen, in denen sich jeder wiederfinden kann. Auch wenn die weniger spektakulär sein mögen als Storys aus Welten, die der 0815 Hörer nicht kennt. Da passt es auch, dass ausgewiesene Battle-Tracks wie "Fight Club“ mit denen hochgezüchteter Punchline-Maschinen wie Kollegah nicht mal ansatzweise mithalten können. Das ist musikalisch alles sehr schlüssig, angenehm und insgesamt auch ansprechend, wirkt im direkten Vergleich aber erschreckend zahnlos.
 
Das macht aber nichts. Franksta ist jemand, der lieber Geschichten erzählt. Zwar lässt sich nicht verhehlen, dass er von seiner Betonung, seiner Stimme, einfach seiner ganzen Art zu Rappen her mitunter stark an Curse erinnert. Nichtsdestotrotz passiert es mir nicht all zu häufig, dass ich einen Rapper finde, dem ich einfach nur gerne zuhöre. Natürlich. Hier und da hätte es etwas weniger Pathos und unfreiwillig komische Dramatik a la "Und ich wär so gern da als Brücke über dem brennenden Fluss/Würd dich vor Schmerzen hüten wie ein Fels in der Brandung“ ("Eins Deiner Lächeln“) auch getan. Vielleicht könnte die Instrumentalisierung im Gesamten etwas abwechslungsreicher gestaltet sein, auch wenn Ill-luzion, Nicoist, Zaehre, Profound, Oduza, Mikosbeatz, Nowak, Jusoul, Franksta und The Roughstylez durchaus gute Arbeit geleistet haben und "Segen Und Fluch“ einen eingängigen, aber trotzdem eigenständigen Sound verleihen.
 
Als absolutes Highlight möchte ich an dieser Stelle "Kopf Gegen Herz“ hervorheben. Zwar beginnt der Track über innere Zerrissenheit und der Schwierigkeit, die richtige Entscheidung zu fällen, mit "Ehrlich, ich bin es leid manchmal/Interne Kriege sind meistens die reinste Qual, doch zu entscheiden bleibt mir keine Wahl“ relativ unspektakulär. Wenn Franksta aber den Dialog zwischen ihm, der logischen und der emotionalen Seite mit den Worten "Und mein Kopf meint: Ich sag dir eines mein Freund/Hörst du auf mich, wirst du nicht mehr weiter enttäuscht, dein Herz hat dich meistens getäuscht“ einleitet, macht es in meinem Kopf klick. Diesen Moment des inneren Zwiespalts, des gegeneinander Abwägens, des Hoffens, dass es irgendwann einfach nur noch still ist und man weiß, was man zu tun hat, kennt wohl jeder. Selten hat ein Künstler dieses Szenario so auf den Punkt gebracht.
 
Das heiter voran plätschernde Outro hingegen legt den Schluss nahe, dass das Dasein der Inflabluntahz dann doch mehr Segen als Fluch ist und eigentlich wäre das jetzt alles ein schöner Abschluss gewesen. 77 Minuten reichen. Die ein oder andere Länge gab’s ja auch da schon. Aber dann warten die anderen 18 Tracks. Lied eins bis neun sind wohl ausschließlich von Ill-luzion produziert und sind bis aus dem MySpace-Exclusive "Ich War Nie Mehr“ und "Besser Nicht!!“ ausschließlich Remixe. Mit "Legenden“ hat man sogar einen Song vom aktuellen Album direkt neu aufgelegt. Für mich klingt das ehrlich gesagt alles ein bisschen nach B-Ware und auch das komplette Übernehmen der "Shape Of My Heart“-Melodie für "Puls Dieser Stadt“ klingt nicht, als hätte man sich mit der musikalischen Ausarbeitung der Tracks sonderlich viel Mühe gegeben.
 
Endlich bei den acht verbliebenen Bonus-Songs angekommen, darunter übrigens auch ein rap.de Exclusive aus dem Jahr 2007, kann ich einfach nicht mehr. Es ist zuviel. Wahrscheinlich gibt es nach den 30 vorhergegangenen Songs sowieso nichts, was mir noch nicht erzählt wurde, deshalb entnehme ich die CD dem Player und lasse es gut sein. Bonus CDs – ein schönes Gimmick für die Fans, aber ich persönlich brauche die gesammelten Werke der letzten zehnjährigen Schaffensperiode jetzt nicht unbedingt.
 
Beschränke ich mich nur auf "Segen Und Fluch“, bin ich trotzdem ein oder anderen schwächeren Track und den bereits genannten Kritikpunkten voll des Lobes. Angenehme, schöne, ehrliche, aber auch mal aufwühlende Rapmusik. Alles andere hätte man aber durchaus weglassen können.