Ich kann mit dem ganzen Bello Quatsch echt nichts anfangen und als ich das Intro zum ersten Mal höre, habe ich zunächst Angst bekommen, dass das erst der Anfang sein könnte mit diesem Bellonier Zeugs und "Bello ist eine Bewegung“-Blablabla. Auch wenn der Song schon beim ersten mal Hören durch seine Musikalität und vor allem durch die Stimme von Savas überrascht, die gefühlt seit März 2001 nicht mehr so wenig gepresst geklungen hat, wie hier. Trotz allem hatte ich Berührungsängste mit "ein Bello, zwei Bello, drei Bello – vier – jede Menge Bellos stehen vor Deiner Tür“. Verständlicherweise!
"Immer wenn ich rhyme“ machte die Sache noch nicht besser. Kinderchor. Moe Mitchell am Mikrophon, Azad und Olli Banjo mit Zeilen wie "wenn ich mir Luft mach wie ein Ventilator“ oder "Ich blick nach oben und hoff, morgen wird ein besserer Tag“ übezeugen noch nicht wirklich.
Zwar überrascht Savas selbst wieder mit relativ klaren Lines zum Thema, aber im Endeffekt: Ok – er wäre nix ohne Rap. Wir haben es gepeilt. Mein Song war’s also noch nicht. Doch dann kommt die Wende.
"Mach Doch Deinen Scheiß“ ist ein Song, in dem Mo Trip, Olli Banjo, Franky Kubrick, Kaas und Savas Klaus Kinski Zitate in ihre Texte einbauen und das ist genial. Schlicht und einfach genial. Das ist Hörspiel und ab diesem Zeitpunkt kann man das Album in einem vollständig anderen Licht, nun ja sehen kann man schlecht sagen… aber ab diesem Zeitpunkt ist alles anders. Sogar die zwei Tracks davor wirken nun ganz anders und man müsste nochmal von vorne anfangen.
Savas verzichtet auf "John Bello 3" ausnahmslos darauf, auf seinem King Of Rap Status herum zu reiten. Wenn man erwartet oder auch gefürchtet hat, dass hier zum hundertfünfzigtausendsten mal betont wird, dass er von der JUICE zum besten MC Deutschlands gewählt wurde, und dass er immer noch die Krone trägt, so wird man an dieser Stelle aufs angenehmste enttäuscht.
Er sagt es nicht. Er muss es nicht sagen. Die Battleraps, die auf "John Bello Story 3" sind, sind tatsächlich richtige Battleraps mit knackigen Punchlines, guten gescratchten Word Cuts oder aussagekräftigen Statements zur Lage von Rap in Deutschland im Jahre 2010: "Deutschrap begann mit Neongelb, NLP, dem Pimplegionär und küss meinen Pimmel LMS und jetzt? Ist das alles, was ihr Ochsen daraus macht – ich spritz den Beat voll, bei Euch ist nicht mal ein Tropfen im Sack.“
"Technopilot", das Statement gegen alle Rapper, die sich einen Technobeat unter ihre Raps geschnallt haben und dachten: "Das ist der neue Trend, das mach ich jetzt auch“, kommt genau auf so einem rockigen Technobrett daher.
Das ist ziemlich clever gemacht, weil der Konzert-Musiker Savas ganz genau weiß, dass so ein Track live unfassbar gut funktionieren wird und er nicht zuletzt, so ganz nebenbei den Beweis antritt, dass er auch das kann und zwar ziemlich gut.
Ein eher trübes Licht auf den Charakter von Savas wirft der Track "Weg Nach Draußen“. Habe ich das richtig verstanden, dass er die Braut, die er anquatscht und die offensichtlich nichts von ihm wissen will, mit Hilfe des Clubbesitzers rausschmeißen lassen will? Ganz nach dem Motto: Wenn ich dich nicht ficken kann, dann ist die Party für dich beendet.
Wenn ich mich nicht sehr verhört habe, dann ist genau das die Message oder ich habe den Witz nicht erkannt und jemand müsste ihn mir erklären. Oder aber der Witz hat sich sehr, sehr gut in der musikalischen Aufmachung des Songs versteckt, der mit Autotune und R’n’B Gesäusel startet, genauso als wäre das der 0815 Schmachtfetzen jedes x-beliebigen Rappers, der halt auch einen Song für die Ladies auf seinem Album haben will.
Wenn hier also romantische Form gegen asozialen Inhalt steht, dann funktioniert’s einigermaßen, ansonsten ist diese Mischung aus provinziellem Absolutismus und abgehalftertem Startum ("Hey Du Schlampe, weißt du nicht, wen du vor Dir hast? Ich war gerade auf der Bühne, du Bitch!“) gegenüber 16-jährigen Mädchen ein bisschen… unangenehm und man möchte es lieber nicht mit anhören.
Ganz vergessen kann man diesen Song zwar nicht und vielleicht ist es ein persönlicher Defekt, dass ich so empfindlich auf solche Kleinigkeiten reagiere, aber ich bin gottfroh, dass es auf dem Album auch noch Songs wie den wahnsinnig guten "Weck Mich Nicht Auf" oder den euphorischen "Rhythmus Meines Lebens“ gibt, in denen es um mehr geht, als Groupie-Bitches zu ficken . Wenn Savas schlaglichtartig auspackt, wie sein Leben im Auto, zwischen Koffern und Hotelzimmern aussieht, dann entsteht ein bisschen was vom Old School Tramperticket Flavour der frühen deutschen Hip Hop Jahre.
Auf Reisen sein. Sich mit Leuten treffen. Auftritte machen. Autobahnen. Raststätten und vor allem: Spaß haben. Mit Rap, wegen Rap, weil Rap! Vielleicht liegt es auch am guten alte "von Biel bis Kiel“-Reim, der im Text vorkommt. Old School Heads wissen, was ich meine.
Wenn das Ganze jetzt so rüberkommt, als wäre die "John Bello Story" ein Savas Solo Album, dann ist das bekanntermaßen nicht so. An dieser Stelle muss man die hochkarätige Zusammenarbeit mit vor allem Olli Banjo, aber auch Amar, Azad, Caput, Kaas, Moe Mitchell und Curse erwähnen, die allesamt das Beste aus sich heraus holten. Und das meine ich ganz ernsthaft. Besonders zu erwähnen ist auch noch Ercandize, der mit ein paar extrem guten Parts sehr überzeugt und dann natürlich noch Franky Kubrick.
Bekanntermaßen bin ich persönlich kein Fan von Frankys Sprechweise und der Art, wie er rappt. Das ist aber eine Frage des Geschmacks. Formal können Franky’s Parts auf "JBS 3" auf jeden Fall mit allen anderen Rappern mithalten. Was ihm aber auf dem Song "Die John Bello Story“ gelingt, ist außergewöhnlich. Dass Savas seine Lebensgeschichte von einem anderen Rapper erzählen lässt, ist erst mal ein Experiment und als ich die ersten Zeilen hörte: "Es war 19-75, ein kleines Kind war gebor’n – und keiner konnt es wissen – doch ein King war gebor’n“, dachte ich: Das geht schief. So richtig schief. – Geht es aber nicht.
Franky Kubrick schafft es tatsächlich, Savas’ Lebensgeschichte so zu erzählen, dass ich mich bei Minute 4:55 selbst dabei beobachten konnte, wie ich einfach nur zugehört habe. Hmmm. Das ist gut. Das ist ziemlich gut. Kompliment!
So, und auf der anderen Seite ist es eben doch ein Soloalbum. Was Savas, Melba Beatz und !Bazz hier zusammen gestellt haben, ist eindeutig die Umsetzung einer musikalischen Vision, bei der man ganz genau spürt, dass da jemand ganz genau wusste, was er wollte.
Ein großartiges Album, voller musikalischer Ideen und wahnwitziger Rapparts. Bombastisch an den richtigen Stellen. Minimalistisch roh, wo es notwendig ist. Das ist Hip Hop 2010. Das ist cool, das ist gut und fresh.
Man möchte aufatmen – erleichtert und glücklich und man möchte sagen: Na endlich! Geht doch! Danke!




![Private Paul – Das Leben ist schön (prod. Private Paul) [Video]](https://rap.de/wp-content/uploads/Private-Paul-Das-Leben-ist-schön-218x218.jpg)
![Gringo feat. Brudi030 – Super Sonic (prod. Goldfinger) [Audio]](https://rap.de/wp-content/uploads/Super-Sonic-218x218.png)

![Ali As – Red Bottoms (prod. Young Mesh) [Video]](https://rap.de/wp-content/uploads/Ali-As-218x218.jpeg)






