Bushido wirkt wie jemand, der schon alles erzählt und schon alles gemacht hat, was man als Rapper so erzählen und machen kann und trotzdem keinen Respekt und keineAnerkennung dafür bekommen hat. Zumindest nicht die Art, die er sich wünscht. Zumindest nicht inder Form, dass es ihn befriedigen würde.
Denn was nützen all die Weiber, der Fame und das Geld? Im Endeffekt verstehen "sie“, "wir“, "die“ den Mann aus Tempelhof doch nicht wirklich und wahrscheinlich können "wir“, "sie“, "die“ ihm auch gar nicht DAS geben, was er sich wirklich wünscht, weil er es sich letztendlich selbst gar nicht gönnen würde.
Und so scheißt Bushido noch einmal nachdrücklich auf jegliche Art von Anerkennung, auf die Gesellschaft und das Establishment und rappt noch einmal für all jene, mit denen er sich verbunden fühlt. Die Ausgegrenzten, Hungrigen und Benachteiligten, für all jene, die am Boden sind und ein starken Freund nötig haben.
Er spricht zu ihnen wie ein Vater und eigentlich spricht er zu sich selbst, was dem Album eine gewisse Faszination verleiht. Da mischt sich Resignation mit einer ungebrochenen Anti – Alles- Attitüde und einer gehörigen Portion Exhibitionismus, die auch unweigerlich hin und wieder ein wenig Fremdscham mitliefert. "So genau wollten wir es doch eigentlich gar nicht wissen!", möchte man sagen und sich die Ohren zu halten.
Insofern ist "Zeiten Ändern Dich“ ein eigenartiges Psychogramm und das Vermächtnis eines Künstlers, der eindeutig am Ende eines Schaffenszyklus steht und mit lässiger, manchmal nachlässiger Geste noch einmal aufzeigt, was er alles kann und geleistet hat.
Das Ganze beginnt mit einer Zusammenfassung seiner größten Hits. Bushido zitiert im Intro ausschließlich sich selbst, wenn er alleine aus seinen bekanntesten Liedtiteln einen Song macht. Das ist vielleicht nicht neu, zeigt aber doch, welchen Einfluss er auf die deutsche Rapszene hatte und wie viele Schlagworte der ersguterjunge geprägt hat.
Was dann folgt, ist das Intro noch einmal auf drei Songs verteilt. "Zeiten ändern Dich“ beeindruckt durch einen bildhaften Erzählfluss in den Strophen, wo Bushido noch einmal filmartig sein Leben Revue passieren lässt, auch wenn er betont, dass das hier "kein Film“ sei.
Für die Hook reichte die Kraft dann allerdings nicht mehr und so kommt diese etwas leblos daher.
"Ein Mann Armee“ führt noch einmal auf, wer der Platzhirsch im Deutschen Rap Game ist und kein, wirklich kein anderer kann ihm das Wasser reichen.
Das ist schon ok und kommt mit Zeilen wie "Labels machen Dicht, Labels werden geschlossen/ Jeder findet Möchtegern Playerrap zum kotzen“ auch so rüber, dass man zuhören will und sich ein bisschen auf die Schenkel klopft, denn schließlich hat er ja recht.
Auch die Hook ist nicht ganz ohne Assi-Humor, wenn es heißt: "Ihr seid gekommen, gegangen, wart hier, wart dort – Es tut mir Leid/ doch für euch gab es niemals Platz – Denn ich bleib Gangster Rap sein Vater/ und ich fick von Studenten Rap die Mutter – Rap ist Ghetto und nicht Strasse.“ ABER auch hier hört sich Bushido so an, als würde er sich selbst ebenfalls die Frage stellen, die wir uns alle stellen: Wie oft, will er sich und uns das noch erzählen?
Es ist nicht langweilig, was er da erzählt, das mit Sicherheit nicht, aber das Gefühl, dass es Zeit für was Neues ist, wird man einfach nicht los.
"23 Stunden Zelle“ ist der Song für die Homies im Knast und bevor jetzt hier wieder die unheilvolle Credibility Diskussion losbricht, mit den Argumenten, dass Bushido selbst ja nie richtig drin gewesen sei – ich denke, das ist scheißegal.
Dieser Song gehört in die Kategorie Johnny Cash "Folesom Prison Blues“ und der war schließlich auch nie richtig drin.
Vielleicht gibt es ja tatsächlich Leute, die beim Pumpen in der Zelle genau diesen Song hören und die sich ganz genau darin wiederfinden. Vielleicht ist es genau umgekehrt? Vorstellbar ist beides. Vielleicht wirkt der Song auch nur auf kleine, ausgegrenzte und benachteiligte junge Männer, die durch so ein Lied im Kopfhörer, ein bisschen breiter durch die Straßen laufen – mit angewinkelten Armen und aufgepumptem Selbstbewusstsein. Aber selbst dann hätte der Song seinen Zweck erfüllt. Kopf hoch mein Freund! – Ganz ohne die typischen Kopf-Hoch-Phrasen, weil die kommen jetzt.
Was nämlich in den folgenden zehn Tracks abgespult wird, ist das typische Pflichtprogramm aus Kopf-Hoch-Song, Es-Tut-Mir-Leid-Liebesliedern, Kopf-Hoch-Song, Ghettoromantik, Kopf-Hoch-Song und dem obligatorischen Mama-Song. Ach ja! Einen Steh-auf-Song gibt es auch noch und die StraßenRepresenter, Beton, Battleraps zusammen mit Kay One und Fler dürfen auch nicht fehlen.
Das mag im Einzelnen zwar nicht schlecht sein. Einige Bilder bleiben sogar im Kopf hängen, wenn sich zum Beispiel der Es-Tut-Mir-Leid-Ich-lass-dich-gehen-Aufmunterungssong für die Ex-Freundin, plötzlich dahingehend wandelt, dass der Erzähler sie nicht einfach so verlassen hat, sondern dass er schlicht und einfach tot ist und sie deshalb gehen lässt.
Auch die Beschreibung seiner Obsession für die mittlerweile, bekannte Selina ist schmerzhaft nachvollziehbar beschrieben und der Mama-Song ist bestimmt durchweg ehrlich gemeint.
Was aber erschreckt ist so ein Song wie "Lichtlein“, in dem der Rapper auf Aphorismen wie "Glaub mir, immer wenn du denkst, es geht nicht mehr/ kommt von irgendwo ein Lichtlein her“ zurückgreift.
Hallo? Bin ich hier in einem evangelischen Aufmunterungsworkshop, oder was? Ist das hier ein Kirchenkalender mit so Fotos von Sonneuntergängen und Sinnsprüchen?
Das Ganze bekommt erst durch das Outro wieder einen gelungenen Abschluss, wenn Bushido nämlich beschreibt, dass am Anfang seiner Karriere nichts anderes da war, als ein weißes Blatt Papier, auf dem er seine verschmierten Texte geschrieben hat.
Insofern wird deutlich, dass auch er genau die gleichen Startvoraussetzungen gehabt hat, wie all die anderen Rappers da draußen auch, dass aber eben nur er es geschafft hat, irgendetwas bei all denen zu berühren, die ihm nun zujubeln.
Wenn Bushido sein Verhältnis zu seinen Fans beschreibt, ist das vielleicht der ehrlichste Moment auf dem Tonträger.
Bushido, der Mann der Masse. Der traurige Star, der im Rampenlicht steht, die Liebe der Tausenden entgegen nimmt und doch alleine bleibt.
Ich bin sehr gespannt, was danach kommen soll, denn irgendwie wirkt "Zeiten Ändern Dich“ wie ein Schlusspunkt. Irgendwie sehr.