Jaysus – Narzischwein

Ich gebe zu, ich habe die Vorabsingle "Was für´n Mann“ gut gefeiert. Unterhaltsam, sympathisch, "Ich bin der geilste“ mit einem Augenzwinkern versehen. Ja, auch wenn das Konzept nicht neu ist, so verbreitet es doch zumindest gute Laune beim Hören, aber irgendwie kann das dazugehörige Album diese positive Erwartung nicht ganz bestätigen.
 
Fangen wir an mit dem als Intro fungierenden Track "Ich Beide & Ich.“ Dieser nervte mich anfangs irgendwie, nach mehrmaligem Hören muss ich aber sagen, dass er doch ziemlich Spaß macht und zu den Höhepunkten des Albums gehört. Das Ex-Chablife Mitglied stellt hier dar, dass diese Welt scheiße ist, weil wir scheiße sind. Da die Welt aber nur für ihn existiert, verwandelt er sie und alle Bewohner einfach in sich selbst. Klingt logisch, oder? Er scheißt auf uns alle, gleichzeitig sind wir alle er. "Meint ers ernst? Macht er Spaß?“ Höchstwahrscheinlich Spaß.
Die Hook ist ein absoluter Ohrwurm und dieser auf ironische Weise dargestellte Realitätsverlust mal was Neues.

Der rote Faden dieser CD ist dann also, wie nicht anders zu erwarten, dieses Narzissmus-Ding. Allerdings wird das nicht so radikal wie im Intro fortgeführt, sondern auf "Ich bin der Schönste, Tollste und Beste“ heruntergebrochen. Das wäre ja auch ganz witzig, wenn es nicht an sich schon so etwas wie eine Notwendigkeit für einen Battlerapper wäre, narzisstisch veranlagt zu sein und darum dieses typische "Ich bin der Schönste, Tollste, Beste“ einfach auf circa jeder dieser Platten die tragende Rolle spielt. "Egoist“, "Sex“ und andere Tracks schlagen also allesamt immer wieder und wieder und wieder aus unterschiedlichen Richtungen in die gleiche uns wohlbekannte Kerbe.

"Was soll ich bloss mit dir macken“ bildet dazu eine Abwechslung und 10 Jahre früher wäre dieser Track vielleicht auch noch originell gewesen. Aber diese generierte Mafia-Ästhetik, das Jonglieren mit Gangsterphrasen, Armani, Drogen usw. ruft beim Hören Bilder hervor, die ja nun auf etlichen Rap-Alben der letzten Jahre nicht nur ausge- sondern überreizt wurden. Das entertained einfach nicht mehr. "Gegen die Welt“ ist dann noch der dazu passende Quoten-Storyteller und beschreibt mal wieder so eine Bonny & Clyde-Geschichte. Auch ganz und gar nicht schlecht umgesetzt, aber auch ganz und gar nicht neu das Thema.

Naja, der obligatorische Posse-Track darf natürlich auch nicht fehlen. Meistens nerven solche Tracks, da hier die mehr und vor allem eher weniger talentierten Homies der Hauptakteure zu Wort kommen sollen. Ist bei "Macht Rap“ auch so.

Die einzige wirklich nennenswerte Aussage die Narzischwein hat, ist, das früher alles besser war. Hierfür stehen die Tracks "1996“ und "HipHopJam“, in denen Jaysus die alte Zeit noch mal aufleben lässt. Ja, diese typische "Früher war alles Besser!“-Melancholie. Das können bestimmt so einige nachfühlen und auch den Jüngeren wird vor allem durch "HipHopJam“ ein guter Einblick in die damaligen Verhältnisse in der Szene gewährt, was durch diesen versprühten Oldschool-Flavor auch wirklich Spaß beim Hören macht.

"Ramona“ ist für mich noch vor "Ich Beide & Ich“, "HipHopJam“ und "Was Für´n Mann“ der beste Track des Albums. Hier stimmt von der witzigen Umsetzung bis zum originellen Thema einfach alles. Jaysus berichtet seiner, in diesem Track zumindest, Freundin Ramona, die mehr oder weniger berechtigt eifersüchtig ist, unter anderem, dass sein Umzug in eine andere Stadt notwendig ist, der aber, genauso wie die Gerüchte über andere Liebhaberinnen, die Partypics mit fremden Frauen nebst Saunabesuchen, die neue Handynummer, die Ramona komischerweise noch nicht hat usw. rein gar nichts mit ihr zu tun hätten.  Natürlich liebt er sie noch und irgendwann wird er auch ganz ganz sicher zu ihr zurück kommen, es steht nur noch kein Datum fest. "…Ich brauch Zeit für mich Ramona/ ich war im Club der Andy wollt das./ Auf den Partypics war bloß das Mädchen an mich rangestolpert…“ Sehr, sehr witzig gemacht das Ganze.

Auch wenn es Jaysus wirklich nicht an Fähigkeiten in der Umsetzung mangelt, bis auf einige ganz, ganz starke Lichtblicke sind die Themen seiner Tracks leider reichlich unspektakulär und ja, man lässt es halt so laufen. "Narzischwein" ist nicht schlecht, handwerklich sowieso nicht, aber spätestens nach mehrmaligen Hören wird man wohl aus dem Skippen nicht mehr rauskommen.