Das Album beginnt mit "4!“, auf dem Meyah sein Leben und Schaffen mithilfe der Zahl 4 entschlüsselt. Der 4/4 Takt, die 4 Worte in "Mit Herz und Seele“, das gibt schon mal einen guten Einblick auf das, was da kommt. Denn der zweite Track "Fragen Ans Ich“ kann wahrscheinlich als Definition für den Begriff "Conscious-Rap“ benutzt werden, denn der gute Meyah stellt sich all die Fragen, die man lieber nicht laut ausspricht. Zukunftsangst, Versagensängste, Angst vor Prinzipien-Verrat. Wenn man in entsprechender Stimmung ist, kann das bestimmt sehr intensiv sein, beim ersten Durchhören ist es aber nicht so wirklich bewegend. Was mich vielmehr interessiert, ist ob Meyah Don wirklich ein Schamane werden wollte, so richtig mit Seelenreise und so? Wirklich schön wird es dann bei "Kopfkino“, ein kleiner Abriss aus der Biographie von Herrn Don. Detailverliebt erzählt er aus seiner frühen Jugend und seinen Anfängen als Rapper, von den ersten Sessions bis hin zum Anruf eines gewissen Staigers.
"Nach den Sessions gehen wir ins Hallenbad/ wo wir tauchen/ Und erklären unseren Eltern so die roten Augen“
Das sind die Stärken von Meyah Don, wenn es darum geht technisch hochwertig und detailliert über Miniaturen zu rappen. Allerdings kann das auch nach hinten losgehen, wie "Straßen Von Berlin“ eindrucksvoll beweist. Der Beat hört sich an, als wäre er aus einem Mittelalter-Rollenspiel gesamplet und die Geschichten, über die Meyah rappt, sind mehr als triefig. Der Obdachlose, der früher Erfinder und liebender SOS-Kinderpate ist, der Banger, der seine Taten heute bitter bereut. Das ist zwar gutes Story-Telling, aber uff, das ist schon schwer kitschig. Das Feature mit Audio88, "Diese Maschine“, macht da schon wieder mehr Spaß. Die beiden rappen über die Maschine Mensch, wobei es einen gewissen Kontrast zwischen dem Zynismus von Audio88 und der herzigen Art von Meyah Don gibt. Aber der lärmende Industrial-Beat steht beiden gut und so ist "Diese Maschine“ ein Höhepunkt des Albums.
Auf "Ein alter Hut“ findet sich dann der viel zitierte "Öko-Rapper“-Touch. Wer Lines wie "Zeigt Mutter Natur/ dass ihr sie liebt/ bei Allem was ihr tut/ es reicht nich nur/ zu sagen/ "Es wird alles gut“ mag, dem wird auch der Rest des Tracks gefallen. Wem das allerdings zu sehr nach Gesinnungskitsch klingt, der wird hier genervt abschalten. Dabei ist nichts verwerfliches an dem was Meyah Don rappt, die Detailaufnahmen in den Texten über Vögel im Wald und Falter auf einer Wiese sind sehr schön, aber hier fehlt einfach ein bisschen der Biss. Es gab doch mal so ein Lied, dass unter dem Pseudonym "Ranger Storm“ veröffentlicht wurde, in dem Meyah über das Jagen von Wilderern rappte. Das war gut. Aber jaja, man entwickelt sich weiter, aber hier hätte etwas mehr Radikalität Spaß gemacht.
"Ökorapper Nr. 1“ ist dann quasi das Manifest für alle Ökorapper (Gibt es da wirklich eine Szene in Deutschland?). Hier gibt es direkte Angriffe auf die Position, die anscheinend der Gegenpol zum Ökorapper-Dasein bildet, nämlich Gangster-Rap. Und auch wenn Zeilen alà "Du hatest den Ökorapper/ Nennst ihn einen schwulen Student/ Das kommt davon, dass man statt zu lernen/ Die Schule schwänzt“ ein bisschen naiv klingen, hier wird eindeutig Position bezogen und mit einem so beachtlichen Brustton der Überzeugung gerappt, dass es Spaß macht, seinen Idealen zu lauschen. Und als geneigter Hörer kann man sogar ein paar Diss-Zeilen raushören, die sich auf einen gewissen Rapper beziehen, der sich nach einer Frequenzhöhe, einem islamischen Herrschertitel und einem Einhufer benannt hat, ihr wisst schon. Danach kommt lange Zeit nichts wirklich interessantes, Texte über psychoaktive Drogen, darüber, dass man sein Leben in die Hand nehmen soll und über Kämpfe mit Riesenpilzen, die ein wenig an das japanische Comic "Nausicäa“ erinnern. Interessant wird es dann bei "Sprich aus der Ferne“, auf dem der große Justus gefeatured wird. Hier rappen die beiden über das Empfinden bei Nacht, dabei wird ein angenehmes Unbehagen hervorgerufen, das irgendwie durch Schlüsselwörter ausgelöst wird. Das ist schön. Achja, und unbedingt das Outro hören, bzw. den darauf folgenden Hidden Track für die verstorbene Oma. Das ist schon beinahe physischer Schmerz, der sich bei dem Lied einstellt, aus Angst einen geliebten Menschen zu verlieren.
Alles in Allem ist "Mit Herz und Seele“ ein durchwachsendes Album (haha!). Die teilweise zu moralischen und pathetischen Passagen verwässern die eigentlich sehr guten Texte, allerdings wird hier alles mit einer sympathischen Überzeugung vorgetragen, so dass man Meyah Don nicht böse sein kann oder entnervt ist. Sowas muss man halt mögen.