Dementsprechend mag es keinen besseren Zeitpunkt geben, um das erste, größer aufgezogene Rap-Projekt zu veröffentlichen, das die deutsch-französische Freundschaft auch musikalisch besiegeln soll.
"La Connexion" heißt die über Bodensee Records vertriebene Platte und schon die opulente Aufmachung (CD mit kompletten Tracks, CD mit Instrumentals und Making Of DVD) lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um ein Herzensprojekt der Verantwortlichen handelt. Auch die Tatsache, dass im Booklet die Parts der einzelnen Künstler in die jeweils andere Sprache übersetzt wurden, ist ein nettes Gimmick, das man so vielleicht nicht erwartet hatte. Die Zeilen von Haftbefehl ins Französische zu übertragen ist sicherlich auch nicht unbedingt einfach.
Besagter Echte Musik-Künstler bildet ganz nebenbei übrigens eins der Highlights des Samplers. "Chaft" ist einer der wenigen deutschen Künstler, die neben ihren französischen Feature-Partnern absolut ungezwungen und natürlich klingen, ohne unterzugehen. Eins legt "La Connexion" nämlich schonungslos offen: Um eine wirkliche Brücke zwischen deutschem und französischem Rap zu schlagen, ist der Graben zumeist zu breit.
Zu brachial, zu eindrucksvoll vermögen es die Franzosen, mit ihrer Stimme und ihrer Intonation umzugehen. Vielleicht liegt das darin begraben, dass in unserem Nachbarland das Verhältnis zur eigenen Sprache ein ganz anderes ist. Vielleicht liegt es am Französischen Selbst, was einerseits wahnsinnig melodisch und weich klingen kann, sich andererseits aber auch so hart betonen lässt, dass man das Gefühl hat, sich unter dem starken Beschuss einer Uzi zu befinden.
Natürlich lässt das einen Laas Unltd. ("L’Attitude" mit Kahuser) blass aussehen und wo und vorallem warum man die gute, alte Brixx ("Douce Folie" mit Casus Belli) ausgegraben hat, weiß wahrscheinlich niemand.
Chakuza wirkt auf "Le Lavage De Cerveau" im Vergleich zu dem Sniper-Mitglied Tunisiano so, als würde er gleich einschlafen. Vielleicht schämt er sich aber auch einfach nur für diese unfassbar ekelhafte, gesungene Frauenhook. Jeyz ("Phoenix" mit Freeman") und Azad ("La Vie Nous A Balafre" mit R’imk) suhlen sich mit jeder Menge Schmerz, Aussichtslosigkeit und der verzweifelten Hoffnung, es doch irgendwann aus dem Dunkeln ans Licht zu schaffen, in gewohnten Gefilden und fallen nicht weiter negativ auf.
Dem Ersguterjunge-Signing Baba Saad steht die französische Unterstützung in Form von SAT sogar ganz ausgezeichnet, auch wenn der Bremer für "Sous-Estimes" Teile seines Songs "Unterschätzt" (damals auf seinem Debüt-Album "Das Leben Ist Saad" veröffentlicht) recyclet.
Absolut solide gestalten sich "La Haine" (Marteria und Kennedy), "Briefwechsel" von Bakar und Jonesmann, der an dieser Stelle einmal mehr beweist, dass Rappen vielleicht doch ein bisschen mehr sein Ding ist als dieses bisslose R’n’B-Schnulzengesinge, "Soldats Perdus" (Tone und Rocca) und die Savas und Savant des Rimes-Kollabo "Pour Toujours", in der der Franzose sich sogar ein paar Zeilen lang in ungelenkem Deutsch versucht. Richtig im Ohr bleibt hiervon aber leider nichts.
Im Gegensatz zu "Lass Sie Reden", in dem Morlockk Dilemma seinen Songpartner Leeroy trotz oder vielleicht auch wegen einer gefühlten fünf Oktaven höheren Darbietung an Stimmpräsenz definitiv die Show stiehlt, und dem mit der Unterstützung vom Tandem-Member Mac Tyer entstandenen "Politik", das die feuerschwangeren Aufstände in den Pariser Banlieues auch bald in Deutschland sieht.
Allerdings darf an dieser Stelle bezweifelt werden, ob Olli Banjo bei derartigen Auseinandersetzungen an vorderster Front zu finden sein wird. Trotzdem: zwei wirklich gute Tracks mit interessanter Besetzung.
Im Ganzen lässt sich der Sampler gut Durchhören. Insbesondere die Parts der Franzosen gestalten sich durch die Bank weg überzeugend und wiegen den ein oder anderen Totalausfall aus deutschen Reihen auf.
Schade nur, dass sich die Beats, obgleich von namhaften Produzenten aus beiden Ländern (unter anderem Martelli, Sti, Beatlefield, Melbeatz, Sonar und Undercover Molotov) geschustert, nicht wirklich voneinander abheben. Stellenweise wirkt es fast, als hätte die Order der Verantwortlichen gelautet "Macht mal irgendwie düster und atmosphärisch. Ihr wisst schon, worüber Franzosen halt so rappen".
Gute Idee, suboptimales Endergebnis. Trotzdem Daumen hoch. Globalisierung im HipHop sollte nämlich definitiv gutgeheißen werden.