Dr. Knarf – Wie ich flieg EP

Die Glückszahl Nummer Sieben. Absicht oder reiner Zufall? Nun im Fall des Dr. Knarf darf spekuliert werden, ob sich nicht doch Assoziationen zu bekannten Märchen bilden lassen könnten. Er versteht es schließlich Geschichten zu erzählen. Doch kommen wir nun zum Thema. Denn vor uns liegt eine EP des Kölner Rappers mit dem selbsternannten Doktortitel. "Wie Ich flieg" heißt sie und ist ein sieben Tracks langer  Schlag auf die Ohren, doch keineswegs das Debüt des Dr. Knarf. Das dürfte wohl zwischen dem ersten HKC (Hamburg-Köln-Connection) Mixtape "F.U.B.U." und dem Streetalbum "FickEuchAlle" liegen.

Jedoch zeichnet sich "Ich Will fliegen" in einem Stil aus, der für die jetzige Zeit selten geworden ist. Zugegeben, mir sagen die anderen Releases recht wenig und es ist das erste Mal, dass ich den HKC-Member überhaupt zu Ohren bekomme, aber es ist ja nichts Schlechtes, unvoreingenommen an einen Künstler heranzutreten. Der Titelsong hört sich so an, als ob man eine Tageszeitung mit den meist gelesenen Schlagzeilen der vergangen Jahre serviert bekommt, verfasst von einem Systemkritiker erster Stunde. Das alles wird in Verbindung gebracht  mit zynischem Wortwitz, der um noch einen oben drauf zu setzen, auch Flow-technisch ebenfalls gut klingt. Ja, das in etwa beschreibt den Beginn der Reise in die Welt des Doktor Knarf. Eine Welt, die der Realität den musikalischen Spiegel vorhält und deren Bilder Satz für Satz niederschreibt. Auf dem zweiten Track geht es in einem ähnlichen Muster weiter. Doch vorher noch eine Info zu Knarf: Er ist Student (Wie verrufen das doch, bezogen auf Deutschen Rap klingt…).  Ebenso kennt der Rapper das Leben hinter Gittern, das er für sechs Monate in der JVA Ossendorf gegen seine Freiheit eintauschte. Das wiederum berechtigt ihn dann auch zu folgendem Track: "Tag Für Tag". Hier zeichnet er uns ein Bild, angefangen vom Knastbruder, über den Hustler, bis hin zum Opfer von Gewalttaten, in feinen Linien und unzähligen Beispielen. Und dabei stellt er klar, dass es sich hier weder um erfundene noch ausgeschmückte Storys handelt, wenn er sagt: “ich lehne mich zurück und überblicke das Geschehen, schreib es auf, damit du es dir anhören kannst wann du willst.“

Jetzt, wo wir den politisch unpolitischen und Geschichten erzählenden Berichterstatter Knarf kennen, stellt sich die Frage: Wie handelt der Man sein Business? Da das ein Rapper natürlich nur mit seinem Management bespricht, verpackt der Doktore des Raps die Grundsätze der erfolgreichen Verkaufszahlen in 20 gut gemeinte Ratschläge für jeden Newcomer und natürlich für den, der es werden möchte. "Rapsuperstar" erinnert beim ersten hören ein wenig an die insgesamt 20 Rapgesetze des Mindeners Curse, nur irgendwie aktueller und auf die Gangsterrap-Thematik bezogen. Kritik: “Garantierte zeitlose Hits? Du stirbst nach ner Preisverleihung auf nem Beifahrersitz“. Zynismus gut und schön, derartige Aussagen finde zumindest ich aber nicht lustig.

Was ich persönlich aber jedem empfehlen kann, ist, sich für die geforderten "Acht Takte" auf dem nächsten Stück Zeit zu nehmen, denn es lohnt sich durchaus. “Álle Leute wollen verarschen, jap, ich kenn das schon. Den Bus des Vertrauensbruchs erwart‘ ich an der Endstation“. Hammer. “Und auch wenn es dir überhaupt nicht gefällt, find es raus für dich selbst, es gibt kein sauberes Geld. Egozentrismus ist grenzenlos, das Leben nur ein Schmerz, von dem du dich frei kaufen kannst, wenn du die Knete dafür hast.“ Klar, alles schon mal gehört und ebenfalls nix neues, dennoch, für mich weniger verweichlicht als der Rest und in Verbindung mit dem Beat, der auch aus der Feder des Doktor Knarf stammt, finde ich es mehr als gelungen.

Schade allerdings, dass sich das Blatt beim nächsten Track zu wenden scheint. Denn irgendwie schleicht sich auf "OK" eine belehrende Attitüde ein, die diesen "Erzähl mir nicht ,wie hart du bist, meine Jungs sind härter, also mach was aus deinem Leben, denn ich bin im Knast gewesen“ Charakter inne trägt. Hat er die Berechtigung dazu, so etwas zu sagen? Ich denke schon. Doch ist es wirklich angebracht an dieser Stelle? Ich denke nicht.

Die "Wie Ich Flieg EP" von Dr. Knarf  aka Kniwo2000 sollte man sich auf jeden Fall einmal angehört haben, um sich selbst ein Bild über den Rheinländer machen zu können. Produktionen, Beats und Stimme können absolut überzeugen und in den bereits genannten Tracks, wie "Acht Takte" oder "Wie Ich Flieg" zeigt sich, dass der Mann was von Rap versteht und ebenso ein Händchen für die Feinabstimmung der Loops hat.
Was man allerdings nicht aus dem Fokus verlieren sollte ist, dass es sich um eine EP handelt. Das soll bedeuten, dass, wenn er sein Können ebenbürtig auf einem Longplayer unter Beweis stellen kann, man in Zukunft wohl einiges aus dem Umfeld der HK-Connection erwarten dürfte. Somit zeigt sich hier wieder einmal, dass Storytelling nicht zu den ausgestorbenen Genres der Rapmusik gezählt werden darf.