Atari – Escape from Paradise City

Wissen ist Macht, so sagt man. In Escape from Paradise City (EfPC) läuft das aber etwas anders. Hier könnt ihr euch von eurem Wissen nichts kaufen. Vielmehr gilt hier das Gesetz der gemeinen Hauptschule: Hat man die Kontrolle über Rutsche, Schulteich und vielleicht auch noch den Basketballplatz, ist man der König des Schulhofs. Freilich hat man sich diesen Titel nicht ehrenhaft verdient, sondern mit knallharten Worten aus Faust und Knarre. Hier ist der Vergleich etwas überspitzt, aber ebenso wie auf dem Schulhof möchte man in EfPC alleine kaum etwas reißen. Deshalb lacht man sich Handlanger an, die unterstützend den Rücken frei halten. Natürlich geht es im Spiel nicht um Rutschen oder Teiche. Nein, hier geht es darum, Distrikte zu kontrollieren. Und ein Basketballplatz macht sich für einen urbanen Gangsterboss in Spe auch ganz gut. Ob EfPC die vielen guten Ideen rund um die Story, das Gameplay und das Prinzip des Gangsterclans zu einem schicken Spiel gebastelt hat, erfahrt ihr, wenn ihr den folgenden Artikel sorgfältig lest.

Gleich zu Beginn werdet ihr mitten in das Spiel hineingeworfen. Omnipräsente und teilweise nervige Tipps poppen beizeiten auf und erklären euch die grundlegenden Bedienelemente des Spiels. Dabei ist die Bedienung intuitiv und verlangt nicht unbedingt nach langer Einarbeitungszeit. Ihr habt außerdem die Wahl, ob ihr lieber in der klassischen Strategiespielperspektive oder ähnlich bzw. genau wie in GTA3 in der Third-Person-Perspektive spielt. Für Unentschlossene mein Rat: Finger weg von der Third-Person-Sicht. Auch wenn ihr in der Draufsicht nicht sonderlich nah heranzoomen könnt, ist die Bedienbarkeit in dieser wesentlich besser. Wo ihr nicht ganz die Wahl bekommt, ist die Auswahl der Charaktere. Obwohl es immerhin drei verschiedene mit unterschiedlichen Fähigkeiten gibt, liefert das Spiel nur eine Kampagne, in der ihr mehr oder weniger zwischen den einzelnen Personen hin- und herwechselt. Nichts ist mit Autonomie.

Das Grundprinzip des Spiels zieht sich wie blutroter Faden durch das gesamte Spiel: Erobere Distrikte und entledige Paradise City so vieler feindlicher Gangs wie möglich. Im Gegenzug erhaltet ihr dafür Skill- und Erfahrungspunkte und ein kleines bisschen Genugtuung. Das Ganze könnt ihr dann entweder für verschiedene Fähigkeiten wie Konzentration, Schnelligkeit oder Körper investieren – eben so, wie es in 90% der anderen Spiele dieser Welt ist – oder ihr holt euch neue Fähigkeiten wie Spezialangriffe. Oftmals wird der Weg, den ihr geht, nachdem ihr ihn gegangen seid, mit den erbärmlichen Leichen eurer Gegner gepflastert sein. Geld, das ihr für den Erwerb allerlei nützlicher Dinge wie z.B. Waffen benötigt, sammelt ihr von den Toten. Handlanger bezahlt ihr ebenfalls damit.

Wirklich benötigt werden die Handlanger nicht. Während ihr mit einem speziellen Messerangriff 70 Schaden macht, nehmt ihr selbst nur marginalen Schaden, selbst wenn euch einige Gegner auf einmal mit Maschinenpistolen attackieren. Ihr tötet einfach einen nach dem anderen. Ein Handlanger beschleunigt das Ganze ein wenig, jedoch sterben sie auch sehr gerne. Spätestens dann, wenn ihr euch einige Fähigkeiten gekauft habt, sollte der Übernahme ganz allein nichts im Wege stehen.

Die Übernahme eines Distrikts stellt sich wie folgt dar: Ihr kämpft euch durch die Handlanger des gegnerischen Bosses, um ihn dann persönlich bis auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Lebensenergie zu vermöbeln. Dann rennt er in Panik durch seinen Distrikt und erzählt allen und jedem davon, dass ihr der neue Boss seid. Hat er die wichtigsten Bars und Läden abgeklappert, habt ihr das Viertel übernommen. Gratulation. Dass zwischen den Verschiedenen Bossen kaum Unterschiede bestehen, ist etwas schade. So wirkt das ganze etwas monoton und das tut der Motivation nicht gut.

Grafik und Sound sind genremäßig gelungen. Es sind zwar keine Überraschungen zu erwarten, aber gerade die englische Sprachausgabe (deutsche Untertitel) überzeugt doch sehr. Und sieht man von den matschigen Zwischensequenzen ab, ist auch die Grafik stimmig, aber leider streng monoton und sehr grau. Wer darüber nicht hinwegsehen mag, wird vielleicht vom Tag-Nachtwechsel oder den Wettererscheinungen angezogen. Insgesamt bewegt sich Escape von Paradise City hier im guten Mittelfeld.

Das Spiel eignet sich hervorragend für zwischendurch. Längere Spielzeiten werden oft langweilig, weil das Spielprinzip eben doch ständig das gleiche ist. Bedienung und Erscheinungsbild sind absolut in Ordnung. Leider hinkt die Story an einigen Stellen. Es hat seinen Grund, warum die Geschichte rund um einen mysteriösen Virus in meinem Text nie zur Sprache kam. Sie fällt einfach nicht besonders auf. Aber auch, wenn das Spiel nicht viel Tiefe bietet, macht es einen Heidenspaß, komplette Gangs aufzumöbeln und den Boss jämmerlich durch seinen Distrikt rennen zu sehen. Wem das ebenfalls gefällt, der kann bedenkenlos zuschlagen, selbst wenn ein älterer Rechenknecht zu Hause steht. Wem das nicht gefällt, der schnappt sich ein Snickers und wartet auf eine etwaige Fortsetzung und hofft, dass die Entwickler alle Kritikpunkte berücksichtigen. Ich hingegen sehe mich schon als kleinen Mafiosi.