Animus – Der Kugelschreiber Teil 2

Animus, Sohn persischer Flüchtlinge, zwanzigjährig, trägt den Löwen, der auch das Wappen seiner Heimatstadt Heidelberg ziert, in seinem Herzen. Vor seinem ersten Release hatte er nach eigenen Aussagen schon über 300 Songs geschrieben, keine bruchstückhaften Notizen, und ganz ehrlich, Inhalt und Technik beweisen ein gewisses Talent. Sein Debut-Mixtape „Der Kugelschreiber“ enthält Respektverkündungen von Curse und Moses P. So kam eins zum anderen und nun erscheint sein zweites Mixtape „Der Kugelschreiber Teil 2“ über 3p Records.

Schon im Intro erklärt er sein vom Hunger angetriebenes Wesen und es wird deutlich, dass Animus nicht simpel rappen kann. Persönlich ist das Tape durchgängig, in dem Song „Licht“ erkennt man die enge Beziehung zur Musik, wie er durch sie geprägt wurde, schon seit den jüngsten Tagen, und heute durch sie zu anderen Menschen spricht. Diese persönliche Nähe gipfelt in der Auseinandersetzung mit oder fast schon in einem sehnsüchtigen Schrei nach der Heimat in „Meine Tränen“. An seinem stoischen Rapstil hat sich nicht viel geändert und das ist auch gut so. Die Doubletimes sind allerdings an der einen oder anderen Stelle immer noch zu undeutlich. „Sinn für Humor“ klingt stilmäßig, und das ist hier die Ausnahme, sehr protzig und monoton, vor allem der Hook fehlt jede Form von Ästhetik. In den Texten werden keine noch nie bedachten, aber tragische und zugleich komplex inszenierte Wahrheiten aus interessanten Perspektiven verarbeitet, die den Hörer schon ein wenig fordern. So gewinnt man Einblicke in „Eine Gelegenheit“, in der zwei für einander geschaffene Menschen ihr Glück aus gegensätzlichen Gründen einfach verpassen oder in „Aktion Reaktion“-Dominoeffekte, die Schicksale maßgeblich prägen. Abgerechnet wird mit hinterhältigen Frauen, die beste Freunde, die diese lieben, nicht zu schätzen wissen (Fachjargon: Schlampen) und in den Battle-Tracks mit allen Freestyle-Songwritern und HipHop-Clowns. „Angriff ist die beste Defense“ –  Hart und smart ist die Devise. Dieses Mixtape hat, mehr noch als das erste, einen Hang zur Melancholie, die aber authentisch und gut aufgebaut ist. Die Battle-Tracks entschärfen diese trüben Stimmungen durch kluge Punchlines immer wieder angenehm. Großartige Unterstützung kommt dabei von Luzifer aus Leipzig, Morlockk Dilemma, höchstpersönlich, der als einziges Feature 20 destruktive Bars beisteuert, Baamm! Der gesellschaftskritische Song „Luxus“, mit expressiven Worten und emotionaler Stimme, zeichnet sich durch erschreckende Direktheit aus. Dem gegenüber stehen aber auch poetische Zeilen, aus dem „Alltag“ gegriffen. Dort sieht Animus..alte Menschen in der Bahn mit Augen, die wie schwarze Trauben, im Gesicht vernarbt sind und verstauben.. .“ Seinen Namen sollte man also mit sehr viel Message in Verbindung bringen, vielleicht erkennt der aufmerksame Zuhörer Ähnlichkeiten mit seinem deutschen Vorbild Curse. Da die Beats (gepickte Amibeats) nicht selbst produziert sind, kann man dazu nur sagen, dass sie gut gewählt sind und Animus einen guten Geschmack hat, was das Musikalische betrifft. Lediglich zwei Songs, „Licht“ (Mindz) und das „Intro“ (Rocko) [übrigens sehr geil], stammen von hiesigen Produzenten. Einer zukünftigen Zusammenarbeit seitens Animus steht diesbezüglich nichts, außer einem knappen Budget, im Wege, doch sobald seine Bekanntheit wächst und sich die eine Gelegenheit bietet, werden sicher selbst eine Millionen Hindernisse zu einer Brücke.

Nach dem überraschenden Erstlingswerk wird man bei der Fortsetzung auf keinen Fall enttäscht. Durch die doch spürbare Qualitätssteigerung des zweiten Mixtapes, kann man sich schon mal auf die dritte Kugel im Lauf freuen, denn die ist schon in der Mache. Ehe man zu früh in irgend einer Art und Weise urteilt, sollte man sich das ganze Tape aufmerksam anhören und sich von den verschiedenen Facetten des jungen Animus beflügeln lassen. Ob nun Heidelberg hin oder her, Fakt ist, dass es sich um gute und ehrliche Musik handelt, die ihren Respekt verdient. „Die die immer taten, als wäre ich eigentlich nichts, sind jetzt wie Imitate, doch ich seh da leider kein‘ Witz.