DJ Shadow – The Outsider

Was kann man im Jahre 2006 von einem DJ Shadow-Album erwarten? Am besten man verdrängt diese Frage ganz schnell wieder, denn was kann man überhaupt von DJ Shadow erwarten? Sein weithin missverstandenes „Why HipHop sucks in `96“ sollte eigentlich seine Liebe zum HipHop demonstrieren und im Vorfeld wurde diese auch in vielen Interviews immer wieder betont. Ich habe also trotz aller Vorsicht eine klitzekleine hiphopige  Erwartungshaltung an das Album und hätte nie gedacht, dass es mich auf eine solche Reise mitnimmt.

Gleich zu Beginn begenget uns ein erklärendes "Outsider Intro", das uns, von einem stimmlich sehr präsenter Erzähler vorgetragen, von "the tale of the outsider" berichtet. Dem folgt ein sehr schön gesunger Funk-Pop-Song, der mit "this time i’m gonna try it my way" noch einmal den Anspruch des musikalischen Protagonisten an einzigartigkeit untermauert. Direkt danach folgen zwei Hyphy-Bretter. Das erste, "3 Freaks", mit Keak Da Sneak & Turf Talk und danach "Turf Dancing" mit The Federation und The Animaniaks, auf denen schwer represented wird. Das beat- und raptechnisch sehr holprige "Keep Em Close" kann mich danach nicht vom Skippen abhalten. An Position 7 bestätigt sich der Hyphy-Anstrich endgültig. David Banner darf hier auf den vierten Hyphy-typischen Synthie-Beat in Folge rappen, obwohl hier das Tempo ein wenig runtergeschraubt ist, um Banners Ausführungen über Hurrican Katrina genügend Raum zu geben. Dem folgt dann der live eingespielte Instrumental-Song Broken Levee Blues, der einen musikalisch an dieser Position völlig überrascht, aber zu David Banners Text die passende zweiminütige "Think-about-the-last-Song"-Pause liefert. Damit man sich aber erst gar nicht an irgendetwas gewöhnt, ertönen im nächsten Instrumental live eingespielte Punkrock-Drums, die mit geschrammelten Bässen und Gitarren und vielen Elektro-Flächen einen bizarren Album-Mittelpunkt bilden.

Um den Bogen zum Rap wieder zu kriegen wurde dann Phonte Coleman geladen auf einen Blus-Rock-HipHop-Beat sein Bestes zu geben, aber er will irgendwie nicht so richtig auf dem Beat zurecht kommen. Interessant ist jedoch das Arrangement, dass um die 7:21 Minuten-Geschichte eines "verschollenen" „Backstage-Girls“ gezimmert wurde. Das teils recht melancholische, sehr langsame, nach Ethno klingende Instrumental "Triplicate / Something Happened" setzt danach einen weiteren bizarren Höhepunkt, auf einer mit rockenden Hyphy-Beats begonnenen Scheibe. Die Naturgeräusche fließen auch in den immer rockiger werdenden Song "The Tiger" ein, auf dem Sergio Pizzorno & Christopher Karloff von Kasabian sich die Seele aus dem Leib spielen und singen. Danach wird es auf "Erase You" mit Chris James wieder etwas ruhiger, doch nicht unbedingt weniger musikalisch und organisch. Noch ruhiger wird es dann auf der schmerzerfüllten Ballade „What Have I Done?“ mit Christina Carter, die mit ihren schrägen Gesangsharmonien schon ein bisschen anstrengend ist. Danach ist noch mal Chris James dran, der auf  dem sehr hoffnungsvollen „You Made It“ ziemlich stark klingt wie Chris Martin, dem Sänger von Coldplay. Daran ist das poppige Instrumental jedoch auch nicht ganz unschuldig. Auf den hiphopigsten Song mussten wir bis Track 16 warten. Q-Tip und Lateef the Truth Speaker flexen hier einen Feel-Good-Club-Song auf einen wieder sehr organischen Gitarren-Beat runter. Danach darf Westcoast-Urgestein E-40 auf „Dats My Part“ noch einmal auf einem derben Hyphy-Beat ran und rappt sehr unterhaltsam und abwechslungsreich über sich und seine Welt. Dann bekommt der Hörer, der bis hierhin durchgehalten hat, noch den Droop-E Remix von „3 Freaks“ auf die Ohren, der noch mal ordentlich brummt.

Also von Jazz bis Pop bis Punkrock bis Ethno bis Hyphy bis Drum`nBass bis Classic HipHop finden wir alles auf dieser Scheibe. Jeder Song für sich ist ein kleines Stück Musikgeschichte, dass sich so wohl so schnell nicht wiederholen wird. Doch es fehlt ein roter Faden. Die Platte lässt den Hörer allein mit seinem zerrütteten musikalischen Weltbild zurück. Die Einen werden sagen, dass das eine Revolution des Musikkonsums sei und die Anderen werden sich davon abgestoßen fühlen. Die Entscheidung muss der Konsument aber alleine treffen. Wer nur ein wenig open minded durch die Musikwelt läuft, sollte zwar an dieser Platte nicht vorbeilaufen, aber er sollte auch nicht erwarten, dass er sie auf Anhieb, bzw. nach fünfmaligem Hören ansatzweise versteht.