JP: Ohne Namen zu nennen ist ja klar, dass auch dieses Jahr wieder Alben erschienen sind, die nicht vom Rapper selber geschrieben wurden. Um mal direkt mit der Tür ins Haus zu fallen: Ich verstehe nicht, warum man das macht. Wenn man nicht texten kann, dann soll man das Rappen halt sein lassen oder gar nicht erst anfangen.
Skinny: Abgesehen davon, dass zu Anfang wahrscheinlich jeder seine Texte selber schreibt, gibt es keinen Anlass, nicht zu rappen, nur weil man textlich nicht sonderlich versiert ist. Es würde nichts an der Qualität des Endergebnisses ändern, hätte der Rapper selbst die Texte geschrieben. Und darauf kommt es doch an: Ein dopes Endergebnis. Oder würdest du lieber komplett auf gute Alben verzichten, nur weil der Künstler nicht selbst am Stift zugange war?
JP: Ganz ehrlich, ja. Klingt vielleicht platt, aber da halte ich es doch mit einem Mindestmaß an Realness. Und ein Rapper, der seine Texte nicht selber schreibt, ist nicht real für mich. Bei Rap geht es doch darum, die ureigenen Gedanken in Sätze zu pressen, der Zuhörerschaft die eigene Weltsicht zu zeigen. Sicher kann was nicht-selbst-geschriebenes gut und dope sein – aber dieses kleine Stimmchen im Hinterkopf brüllt mir die ganze Zeit „Faaaaake“ ins Ohr, und das war’s dann.
Skinny: Erstens ist dein Grundgedanke von Rap bzw. HipHop schlichtweg falsch, der war nämlich eher „Party hard!“ – es ging nur darum, Spaß zu haben – , zweitens kann man das beschriebene noch so sehr auf die Spitze treiben. Dann höre bitte nur noch Musik von Rappern, die auch freestylen können. Das gehört nämlich genau so zum MCing dazu – und du scheinst ja einen MC im klassischen Sinne zu fordern, keinen Rapper, der einfach dafür sorgt, dass du mit guter Musik versorgt wirst. Ich bleibe lieber bei dopen Alben, völlig egal, wer da federführend war. Aber deine ach so realen Eazy-E CDs schmeißt du dann besser weg, der hat nämlich nie eine Zeile selbst geschrieben.
JP: Es geht mir dabei gar nicht um den klassischen MC, sondern einfach darum, selber was zu machen. Wenn du dir als Rapper die Texte schreiben lässt und den Beat auch noch geliefert bekommts, machst du ja kreativ gesehen nichts selber. Letztendlich bist du dann nicht besser als irgendwelchen Popgrößen, die sich auch alles abnehmen lassen. Hat das auch was von Dopeness für dich? Zudem gibt es noch genügend anderen dopen stuff, da kann ich auf die paar Acts, die sich ghostwriten lassen gerne verzichten.
Skinny: Du drehst dich im Kreis – ja, es hat etwas dopes, wenn das Album dope ist. Alles, was hinter den Kulissen passiert, spielt keine Rolle. Es ist besser als irgendwelche Popgrößen, weil mir die Musik besser gefällt – auch wenn das Prinzip das gleich ist. Die Pop-Sternchen verurteile ich auch nicht, weil sie vorgefertigte Songs einsingen, die Musik gefällt mir einfach nicht. Kreative Eigenleistung hin oder her, Realness hin oder her. Wäre es denn realer für dich, wenn offener damit umgegangen würde? Wie in den USA, wo oft im Booklet oder der YouTube-Beschreibung der Texter genannt wird? Auch das ändert am Endergebnis nichts, außer, dass der Ghostwriter die Anerkennung bekommt, die er verdient.
JP: Ich würde das nicht realer, sondern einfach ehrlicher nennen. Kann man so machen, ist definitiv besser als es komplett unter Verschluss zu halten, aber ja, wie du es selber sagst, das Endergebnis bleibt das gleiche. Anerkennung für Ghostwriter hat sogar einen recht zynischen Unterton für mich. Warum bringt man das nicht einfach unter seinem eigenem Namen raus? Weil andere erfolgreicher damit sind, steht man so wenig zu seiner eigenen Musik?
Skinny: Du siehst das alles aus so einer fast schon niedlichen, naiven Perspektive. Jeder braucht am Ende des Tages was zu Fressen auf dem Tisch oder? Als Semi-bekannter Rapper ist das leider nicht nur dadurch gewährleistet – und viele dieser Rapper haben einiges auf dem Kasten. Bekanntheit und kommerziellen Erfolg erreicht man aber leider nicht nur durch Skill, außerdem ist das Talent am Textblatt einer der unbedeutendsten Faktoren für den Durchbruch. Man steht zu seiner Musik, wenn man eigene Musik veröffentlicht, als guter Ghostwriter schreibst du aber kein eigenes Album und verkaufst das, du kriegst einen Auftrag, beschäftigst dich intensiv mit dem Künstler und fertigst ein Album in dessen Stil an – möglichst präzise, möglichst gut. Und am Ende gibt es dann ein Album, das sich nahtlos in die Diskographie des Künstlers einreiht. Daran, dass damit in Deutschland nicht offen umgegangen wird, sind übrigens Leute wie du schuld. Wäre Ghostwriting nicht so verpönt in diesem Land mit dem weltgrößten Stock im Arsch, wäre das – eben wie in den Staaten – überhaupt kein Problem. Dann kann man einen Song als gemeinschaftliches Produkt sehen, wie es sowieso der Fall ist. Dann kommt zum Rapper und Produzenten eben noch ein Texter hinzu – so what?
JP: Ja, gut möglich dass ich das sehr naiv sehe. Aber für mich ist das ganze eher eine moralische Frage – und von dem Standpunkt aus sehe ich es halt als ungute Sache. Auch will ich den Ghostwritern gar nicht ihre Leistung absprechen, für mich ist es lediglich eine falsche Art, sein Talent anzubringen. Aber den Vorwurf, dass damit wegen Leuten wie mir nicht offen umgegangen wird, würde ich gerne noch zurückweisen, sonst hätte ich ja auch nicht diese Diskussion mitgemacht.