Richtig, Welt: Deutschrap hat Probleme [Kommentar]

Der Aufschrei ist vorhersehbar. Der gestern erschienene Artikel „Deutschrap, du hast ein Problem“ in der Welt wird in den nächsten Tagen den ein oder anderen Kommentar zur Folge haben. Der Tenor wird vermutlich ungefähr so lauten: Keine Ahnung von HipHop, kein Plan, Mitte-Hipster, halt’s Maul, Springerpresse. Genau die Wagenburg-Mentalität also, die schon den vieldiskutierten Jan Böhmermann-Song begleitet hat.

Dabei trifft der Autor Dennis Sand durchaus einen wunden Punkt, sogar mehrere. Wirklich fatal: Da muss erst ein Außenstehender kommen und der Deutschrap-Szene aufzeigen, wie kritiklos sie mit sich selbst umgeht und wie sie gleichzeitig jegliche Kritik als Hate, als Diss, als Affront missversteht oder umdeutet.

Und gerade die, die der Artikel am treffendsten kritisiert, werden am lautesten schreien: Genau, wir Medien. Ich sage ganz offen, dass rap.de etwas zu gut wegkommt, aber das grundsätzliche Problem lässt sich überhaupt nicht leugnen: Der Großteil der Berichterstattung über Rap ist nichts als Promo. Keine Kritik an antisemitischen Aussagen, keine Kritik an Gewaltverherrlichung, keine Kritik an der massenhaften Verbreitung von dummen Verschwörungstheorien und Vorurteilen jeglicher Art.

Wie gesagt, das Lob, das uns diesbezüglich ausgesprochen wird, freut uns zwar, ist aber längst noch nicht verdient. Wir versuchen seit einiger Zeit, nicht mehr jeden Schwachsinn, nicht mehr jede dumme Äußerung sofort pauschal unter „Kunstfreiheit“ zu verbuchen ohne groß nachzufragen. Auch um den Preis, dass einige Rapper nicht mehr mit uns sprechen wollen.

Aber: Da geht noch viel mehr. Das Interview mit Arafat haben wir zwar im Nachhinein als Fehler erkannt und gelöscht. Das letzte Bushido-Interview allerdings hat unangenehme Themen wiederum weitgehend ausgespart. Daran müssen wir definitiv noch arbeiten. Ich verstehe den Artikel insofern als Motivation und Ansporn, weiter eine kritische Distanz zu wahren und diese nach Möglichkeit weiter auszubauen.

Denn auch auf die Gefahr hin, sich in diesem Punkt zu wiederholen: Es spricht nicht für ein gesundes Selbstbewusstsein, jegliche Kritik, auch von vermeintlich Außenstehenden, sofort reflexartig als Hate, als Neid,als Diss abzutun. Das gilt zum einen für Rapper, zum anderen und möglicherweise wichtigeren aber auch für uns Medien. Eine gesunde Diskussionskultur, in der es möglich ist, Kritik offen zu formulieren, ohne als Reaktion Gewalt- oder Boykottdrohungen zu bekommen, wäre tatsächlich ein Gewinn für Deutschrap. Alles was uns fehlt: Souveränität.