Stellt euch vor, ihr hättet in der vergangenen Woche das hübscheste weibliche Wesen, dass ihr je in eurem Leben gesehen habt, kennen gelernt, Telefonnummern getauscht und sie hat dann auch noch die Einladung zum Essen angenommen. Der Romantik wegen lasst ihr dieses in euren eigenen vier Wänden stattfinden. Alles ist da – Kerzenlicht mit eigener Duftmarke (natürlich „Rose“), einen exquisiten 2001er Chardonnay, das passende Nudelgericht vom Italiener um die Ecke (für Experimente blieb keine Zeit). Jetzt fehlt nur noch … genau – die richtige Musik! Wenn es euch darum geht, die Frau möglichst schnell darauf hinzuweisen, dass ihr den Abend liebend gerne größtenteils im Bett verbringen wollt, dann bietet R.Kellys „TP-3.com : Reloaded“ definitiv die passenden musikalischen sowie textlichen Komponenten.Viele Leute kennen Kells hauptsächlich wegen Hits wie „Fiesta“, „Happy People“, „Thoia Thong“ und dem „Ignition“-Remix, aber auch wegen seiner zahlreichen Features, die er im HipHop-Bereich verbuchen kann. Anfang der 90er allerdings war er eher für die softeren Töne zuständig und konnte der R’n’B-Welt mit „Twelve Play“ und „R.Kelly“ zwei Alltime-Classics schenken. Diese Alben strotzten eher vor langsamen Slowjams, die hauptsächlich ein Thema hatten – Sex !Auf „TP-3.com“ führt Kells diese Tradition nun weiter. „TP-3“ steht hier für „Twelve Play 3“ und weist somit direkt auf das musikalische Spektrum der Platte hin.Zurück zu eurem Date: Speichert folgende Songs am Besten in angegebener Reihenfolge in euren CD-Player: Anfangs ist natürlich etwas Zurückhaltung geboten und so testet ihr die Willigkeit des Objektes eurer Begierde mit „Slow Wind“. Sollte sie nun vor euch stehen und langsam mit ihren Hüpften von links nach rechts wippen, macht ihr mit „Remote Control“ klar, dass sie jetzt die absolute Kontrolle über euch haben kann. Nachdem ihr Atem nun an eurem Ohr spürbar geworden ist, solltet ihr mit Hilfe von Kells & Niveaund „Touchin“ zu den ersten Berührungen ihres Körpers fortschreiten. Nun müsst ihr für euch festlegen, ob eure Küche der Ort des Aktes sein soll („Sex In The Kitchen“) oder ob ihr die Romantik im Bett fortsetzen wollt („Love Is What We Makin“). Natürlich gebt ihr euch mit einem Mal Sex nicht zufrieden und gönnt euch nochmal etwas von dem „Sex Weed“, das ihr kurz zuvor genossen habt. Danach bittet ihr sie, euer 6-XL T-Shirt über ihren nackten Körper zu streifen („Put My T-Shirt On“), um ihr im nächsten Moment klarzumachen, das die Nacht noch jung ist („Hit It Til The Morning (feat. Twista & Do or die)“. Soviel zur Nützlichkeit der Slowjam-Sektion des Albums. Dass Kells auch anders kann, hat er mit The Game und „Playa’s Only“ gezeigt, und er lässt wissen, dass kein Sommer ohne einen R.Kelly-Hit vorübergeht. Dass The Game hier qualitativ einen seiner schlechtesten Parts hat, ist wohl auch jedem klar. Sommer ist ein sehr gutes Stichwort, versprühen Kelly und Snoop Dogg doch typische Sommerlaune mit „Happy Summertime“. Andererseits zeichnen sich weder die Dancehall- („Reggae Bump, Bump“ (feat. Elephant Man)) noch die Reggaeton-Komposition („Burn It Up (feat. Wysen & Yindell)“) besonders aus. Beide klingen ziemlich aufgezwungen und Sound-mäßig relativ altbacken. Warum man das gemeinsame Album mit Baby wahrscheinlich nie zu hören kriegen wird, macht „Girls Gone Wild“ klar, dessen Beat nur nach Recycling klingt, und auf dem R.Kelly die Idee bekam, er müsse jetzt doch auch mal ein wenig rappen. Don’t do that again !Am Ende der CD findet sich mit „Trapped In The Closet“ dann noch eine Mini-Oper, die sich in fünf Kapitel a dreieinhalb Minuten untergliedert. Die Story hätte selbst Arthur Miller nicht viel besser kreieren können – Mann geht fremd, Ehemann der Geliebten kommt nach Hause, Seitensprung versteckt sich im Wandschrank, Story wird extrem konfus. Gute Unterhaltung, die R.Kelly in fünf Videos verarbeitet hat, fünf weitere Kapitel sind in Planung. Fremdgehen scheint für Kells sowieso kein großes Thema, betrügt er seine Lebenspartnerin wohl auch schon mal mit deren bester Freundin („Kickin‘ It With Your Girlfriend“).„TP-3.com : Reloaded“ wird der R’n’B-Welt höchstwahrscheinlich nicht als Meisterwerk an sich in Erinnerung bleiben, ist jedoch sehr abwechslungsreich und an einigen Abenden inniger Zweisamkeit von großem Nutzen.