Fettes Brot – Am Wasser Gebaut

Also, ich weiß nicht. Es ist ja nicht so, dass ich Fettes Brot nicht leiden könnte – ganz im Gegenteil! Wie sagte mir neulich eine Kollegin? „Über Fettes Brot bin ich überhaupt erst zum Deutsch-Hip-Hop gekommen.“ Genau. So war das damals. Wir sind hochgesprungen zu „Nordisch By Nature“ und haben bei „Jein“ nicht nur jede Silbe mitgesungen, sondern die Trompete immer gleich mitimitiert. Da konnte kommen, was wollte – sogar die „Silberfische“ fanden wir spaßig. Schließlich aber wurde es schwieriger. Wir lauschten den neuesten Klängen à la „Schwule Mädchen“, aber nicht etwa auf dem heimischen Plattenteller, sondern ganz groß bei „Top Of The Pops“ – kreischende Kinder inklusive. ‚Aufgepasst und Stirn gerunzelt’ hieß die Devise und ‚Vorsicht! Da ist was im Busch!’. Jetzt allerdings kam es richtig fett. Stefan Raab hatte geladen und die Brote waren am Start. „Lass Die Finger Von Emanuela“ schlug sich im Bundesvision Contest grandios, gab uns jedoch gleich noch eine Frage mit auf den Weg: Sollen, dürfen und können wir hier überhaupt noch darüber berichten? Ich meine, ist Bastard-Pop noch in irgendeiner Weise HipHop (von Rap ganz zu schweigen)?Wie auch immer, wir sind ja für alles offen. Ich bin sogar so offen, dass ich mir die von der Promo-Agentur der Brote zugesandte Snippet-CD reingezogen habe, um mir auf dieser Basis ein Urteil über die neuen Songs bilden zu können. Pressetextkopierende Konkurrenzmedien sprechen von einem „mutigen Album“ und einer überraschenden Ernsthaftigkeit. Ich finde es eher mutig, uns eine „gefadete, ungemasterte, unsortierte Vorabversion“ zu schicken und ernsthaft zu glauben, dass ein paar Zwei-Minuten-Tracks auch überzeugen können. Gleich vorweg: Mich hat es nicht überzeugt! Die bereits erwähnte „Emanuela“ hat auf jeden Fall Beat, geht gut ins Ohr und lässt sich super auf heavy rotation in den nationalen Musikkanälen verwursten – ist aber kein HipHop. Macht aber auch nix, ist der Rest nämlich auch nicht. Zu hören gibt’s angenehme Bügelmusik, bei der Mutti plötzlich feststellt, dass das ja gar nicht so schlecht ist, „dieses moderne Zeug“. Kaum erschrecken wird sie sich bei aufgewacht-„Lauterbach“, wo wir gratis ein Wortspiel bekommen, das wir auf der nächsten Party anbringen dürfen, wenn die Nachbarn mal wieder an die Heizung klopfen. In einem Song die Worte „Arsch“, „Scheiße“, „Maul“ und der Aufruf, mal ein bisschen Krach zu machen: Aha, das nenne ich doch mal nah an der Zielgruppe.Alleinstehende Mütter („Soll Das Alles Sein“) wurden schon von Pur beweint, und die erste Liebe hat bei Fettes Brot zur Abwechslung mal den Namen „Yasmin“. Die Sonne in „Kuba“ zu loben, ist zwar schön, aber auch nicht neu. Meine Hoffnung verlässt mich. Bitte, bitte, liebe Brote, wenigstens noch einen coolen Track! Und siehe da: Ich bleibe tatsächlich bei „An Tagen Wie Diesen“ hängen. Nein, nein, kein intelligenter Text oder gar berauschende Beats – es ist ein Ratespiel: Woher kennen wir die Melodie und das Klavier? Kleiner Tipp: der Mann war Österreicher und sang über ein Mädchen namens „Jeanny“. Großartiger Song! Bevor ich mir jetzt noch vorstelle, wie Dieter Thomas Heck voller Stolz die „jungen Burschen aus dem hohen Norden“ ankündigt, skippe ich lieber zum nächsten Titel, dann zum nächsten, und dann ist auch schon Schluss. Mit „Falsche Entscheidung“ entschuldigt man sich schon mal präventiv bei den Damen und Herren Kritikern für diese Schlagerplatte. Man sei ja schließlich nicht so cool wie alle anderen und die falschen Freunde habe man auch noch. Hört sich ein wenig nach Katzenjammer an. Fettes Brot: „Wir glauben an Aufrichtigkeit und unsere Musik ist aufrichtig. Darum wünschen wir uns Aufrichtigkeit […] von unserem Publikum…“ Einverstanden. Es tut mir aufrichtig leid, dass mir euer Album nicht gefallen hat. Ach ja, eins noch. Das Gequatsche zu Beginn einer Platte ist eine uncoole Art, sich den Leuten „anzumenscheln“. Zumindest aber ist es alles andere als kreativ, weil: schon tausendmal gehört und mittlerweile nicht mehr witzig. In diesem Sinne, gute Besserung!