Mary und ich: Eine ganz alte Kiste. In den vergangenen zwölf Jahren war sie immer mit mir, wie kaum jemand anderes. Jeder Dancefloor, auf dem ich bis dato zu Gange war: Mary war auch da – mit Songs, mal funky, mal R´n´B, mal HipHop, vor allem aber immer höchst soulful bis in die letzten gestylten Haarspitzen. Party ohne Mary: Never! Wenn ich einen HipHop-Act sehr mochte, konnte ich mich darauf verlassen, dass Mary mit demjenigen in kurzer Zeit einen Feature-Track zu Stande brachte. Mit sicherem Händchen wählte Mary für ihre Kolabos nur the finest: Grand Puba, Method Man, Nas, Common, Foxy Brown, Eve, Wyclef Jean & Lauryn Hill um das einmal kurz zusammenzufassen. Auch in Sachen All Time-Classics hatten wir immer dieselbe Wellenlänge. Hallo? Marvin Gaye, Aretha Franklin, Philip Bailey, Chaka Khan. Wenn es sich hier mal nicht um großes Liedgut großer Leute handelt. Einzig das persönliche Styling betreffend hatten wir unsere Differenzen (das aber nur nebenbei), da ging sie mir teilweise einen Schritt zu weit.
Was ich damit sagen will: Man könnte schon fast behaupten, dass wir gemeinsam groß geworden sind. Ich, für meinen Teil, im wortwörtlichen Sinne in Sachen Körpergröße und Alter, Mary, in übertragener Weise, was die eigene Karriere betrifft. Inzwischen ist es so, dass Mrs. Blige etwas gesetzter auftritt, was sich natürlich auch auf die eigenen Releases (und, um noch einmal in diese Kerbe zu hauen, Gott sei dank auch auf das Styling) auswirkt. Und ich, auch nicht mehr so der Jungspund, genieße beispielsweise Aufnahmen eines Clubkonzertes im House of Blues An Intimate Evening With Mary J. Blige , ohne fünf mal umziehen und raffiniert ausgeklügelte HipHop-Choreographien, in hohem Maße.
Gezeigt werden 15 Minuten mit Mary weit vor, kurz vor und unmittelbar nach dem Konzert, Mary beim Proben, Mary beim Auftritt vor einem kleinen, fast schon familiär wirkendem Publikum (Wohl dem, der Chaka Khan, Puffy, Jay-Z, Sting, Rachel Hunter, Lil´ Kim und Pierce Brosnan zu seiner Familie zählt), mit kleinerer Band und auch etwas schmalerem Repertoire als bei üblichen Mary-Gigs. Aber lassen wir nicht aus den Augen, dass es sich ja um einen Abend im Zeichen des Blues zu handeln schien da fällt schon mal der komplette Bestand an HipHop-Tracks weg. Wie auch auf der Mary J. Blige – Live From Los Angeles ist der Abend unterteilt in drei Akte, und mir schwant, dass sich wohl auch das Leben der Queen of HipHop-Soul in eben jene drei Teile gliedern lässt. Gestartet wird mit dem Medley von Hits aus den Jahren 1992-1994 (u.a. Love No Limit, Be Happy, Mary´s Joint von den Alben What´s The 411 & My Life), bevor der immer wieder brutal emotionale Part startet hier mit Marys famosem Bailey Cover Children Of The Ghetto, im weiteren Verlauf mit Titeln aus ihrer wohl etwas schwierigeren Lebensphase und den dazugehörigen Werken Share My World & Mary um 1997-1999 (z.B. Not Gon´ Cry, Your Child, The Love I Never Had). Im dritten Teil dann, ebenfalls gewohntermaßen, die nötige Portion Erleichterung. Aus den Alben No More Drama (2001) und Love & Life (2003) genießen die Gäste und Zuschauer des Konzerts Songs wie Flying Away, No More Drama und It´s A Wrap. Schön! Und ich bin heute schon gespannt auf den Alte-Damen-Blues, den mir Mary gibt, wenn ich irgendwann einmal die Rente antreten werde und Mary-Platten immer noch Bestandteil meines Lebens sind&
Ich muss mich natürlich fragen, welchen Sinn es macht, wenn ein und dasselbe Label innerhalb kürzester Zeit zwei Live-DVDs, zwar in unterschiedlichen Rahmen, aber weitestgehend gleichem Programm abliefert, um mich noch mehr zu verwirren ob der Erscheinungs-Terminierung: An Intimate Evening& wurde im Februar 2004 aufgezeichnet, erscheint aber um die zwei Monate später als das im Rahmen ihrer wiederum erst im Frühjahr darauf stattfindenden Tour mitgeschnittene Konzert im Universal Amphitheatre zu Los Angeles. Noch klar, was, wie, wann, wo und mit wem stattfand?