Nic Knatterton, Johanna – Jugendlicher Leichtsinn

„Dieses Album hier ist Leichtsinn pur – mit autonomer Anti-Alles-Art als Leitkultur“. Schon das Intro des im Eigenvertrieb releaseten Albums der Aachener Lebensgemeinschaft ist eine Bombe im wahrsten Sinne des Wortes. Und Nic und Johanna meinen es ernst, das zeigt die 30 Tracks umfassende Playlist des Albums, das insgesamt 19 Tracks und einige Skits, samt Intro und Outro umfasst.

Der Opener heißt wie das Album „Jugendlicher Leichtsinn“ und reflektiert Lebensabschnitte des Aachener Rappers. Von der Anklage wegen gesprühter Grafittikunst bis zum Alkohol bedingten Führerschein-Entzug bringt Nic vieles zur Sprache, was seine Jugend beeinflusst (hat). Danach wird es politisch. Der erklärte Veganer lässt in Nebensätzen immer wieder seine Kommentare zu politischen Themen durchscheinen, ohne mit dem Zeigefinger zu kommen und ohne den Witz und den Spaß an intelligenten Reimen zu verlieren. „Ist alles was ich mache rechtens? Nein! Nicht doch! In der Tat – kenne ich nichts Rechtes, denn ich bin nur links begabt“. Nic bringt Leute zum Schmunzeln und nachdenklichem Kopfnicken, was unter anderem auch durch die mehr als passable, zwischen funky und druckvoll variierende Beatauswahl (unter anderem Kaos/Bremen und Style Recordz) unterstützt wird.

Melodisch wird ’s, wenn Johannas Gesang einsetzt oder – und das ist eine erfrischende Ausnahme in der Männerdomäne Rap – wenn sie sich rappend zu Machoismen und den pubertären Allmachtsphantasien der Deutschrap-Fraktion positioniert. Mit Verstärkung durch den ebenfalls aus dem „Aachen Inferno“-Umfeld stammenden Panik kommt in „Danke“ ein deeper Text über einen Streicherbeat daher, der Seinesgleichen vergeblich sucht: „Dank der Staatsverteidigung sind Kids im Schießverein/dank der Bravo finden Kiddies ihr Glied viel zu klein/denn sie sagt wie groß darf Brustumfang, Arsch und auch Schniedel sein“.

In „Süß Sauer“ besingt Nic seine (Liebes-)Beziehung mit Johanna, und wie der Titel schon verrät, nutzt er dafür massenweise Vergleiche aus der Süßwaren-Industrie. Beispiel gefällig? „Ich hoffe dass du wenn ich blöd bin mir nicht böse bist weil – ich find dich ja so süß wie ein Mövenpick-Eis… Doch wenn du irgendwann Migranten an der Grenze stoppst – oder im Benz von Snobs mit krassen Gangstern rockst – wenn du fast jede Flasche nimmst, wie im Getränke-Shop – dann werd ich sauer wie ein Center Shock“. Vergleiche der Ausnahme-Kategorie, gepaart mit vortrefflicher Raptechnik, machen das Lied auch mit zweifelhaftem Beat hörenswert.

Störend erscheinen bei der Masse an Tracks lediglich die Skits, bei denen sich Nic in Namens-Wortspielereien verfranst. Insgesamt sieben Mal geschieht das – vielleicht hätte er sich diesen Wortwitz lieber sparen sollen, die Skits zerreißen immer wieder den roten Faden des Albums, und es ist äußerst schwer, sich danach wieder im neuen Track einzufinden. Noch ein Wermutstropfen ist auch der absolut unerträgliche Battle-Feature-Track „Untergrund“, bei dem die Authentizität dieses Machwerks einen gehörigen Sprung in die (Aluminium)-Schüssel erleidet. Zeilen wie „Verpiss dich am Mic, du Elfmetergesicht. Du bist am Mic nur ein Mädchen wie Brixx“ zerstören in nur 2:51 Minuten was 77 Minuten Spielzeit vorher mühsam geschaffen hatten. Denn dann kommen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Texte auf, und das ist bei einem wie Nic, der seine Zeilen durchaus ernst meint, mehr als schade. Also: Konzentration in Zukunft nicht nur auf die Reimqualität, sondern auch auf Inhalt und Nachvollziehbarkeit achten.