Während momentan bei vielen, vor allem Underground-Releases, eher selten wirkliche Themen und Inhalte behandelt werden, legt der Nürnberger Nemo mit „Abfall“ ein Debütalbum vor, welches vor allem textlich andere Schwerpunkte setzt und sich somit von anderen VÖs sehr unterscheidet. Zustande gekommen ist diese Scheibe in Zusammenarbeit mit dem Berliner Producer Krutsch, jedoch liegt die Entstehungszeit schon ca. ein Jahr zurück.
Weil Nemo „die Hölle auf Erden“ erlebt, flieht er gelegentlich in andere Sphären, in denen er seinen Phantasien freien Lauf lässt. Sei es als Ninja oder als Besucher aus der Zukunft – er macht oft in Doppelreimform seine Sicht der Dinge klar – wie in der gesellschaftskritischen „Systemanalyse“. Für den einen oder anderen wirkt dies vielleicht etwas sehr weit entfernt bzw. seine Gedankengänge etwas weit hergeholt, doch lässt man sich auf diese Ausschweifungen ein, erkennt man, dass sich hier stets eine Message mitbewegt. Unter den 16 Tracks befinden sich lediglich zwei Battletracks, der Rest lässt sich mit deepen Inhalten und Storytelling beschreiben.
Rapliebhaber, die über den Tellerrand blicken können und für die es nicht nur eine Rapsparte mit Gangster- und „ich bin der Beste“-Attitüden gibt, können sich hier an einem Stil erfreuen, der sich von der Masse sicherlich abhebt. Denn während Nemo sagt „Ich halt das Niveau am Mic hoch und verliere mich nicht im Eigenlob“, können dies so manch andere MCs nicht auseinander halten.
Mit Automatikk (Nürnberg) im Gepäck befinden sich auch zwei härtere Featureparts auf der CD, die für eine Spur der nötigen Abwechslung sorgen. Nemo und Bukue One (Oakland) zeigen ihre „Art Of Lyricism“ im gleichnamigen Featuretrack. Des weiteren sind S-Rok und Funk (beide Berlin) vertreten.
Krutsch präsentiert mal wieder Beats vom Allerfeinsten. Sie kommen nicht langweilig, sondern sind sehr ausgefeilt und bringen die Stimmung rüber, die bei Nemos Lyrics doch sehr existenziell sind, denn somit droht nicht die Gefahr, sich von den teils schwer verdaulichen Texten abzuwenden, sondern wird eher zum hinhören gezwungen. Von einem vielseitigen und facettenreichen Album würde ich dennoch nicht sprechen, da vor allem nach mehrfachem Hören der Tracks eine gewisse Ähnlichkeit zurückbleibt und man nach einem herausstechenden Track sucht. Das Niveau der Platte wird dadurch nicht gemindert, es zeigt vielmehr den Anspruch, nicht alles bedienen und jeden Hunger stillen zu wollen, sondern jedem Song seinen Platz zu geben.
Fazit: Es handelt sich sicherlich um keine leichte Kost, sondern eben um sehr nachdenkliche und deepe Lyrics, die Gehör verlangen und verdienen.