„Rapmusik lebt zu 50 Prozent vom Beat. Mindestens. Ich pumpe oft Sachen, die mir raptechnisch gar nicht besonders gut gefallen, weil ein guter Beat einfach alles rausreißen kann. Andersherum eher nicht: Was bringt ein guter Rap, wenn der Beat Schrott klingt? Genau. Gar nix. Nun gibt es beim Beat-Bauen unendlich viele Möglichkeiten – vorausgesetzt man kann es (ich ungeduldiger Vollspast kann’s natürlich nicht). Im Grunde kann man alles erschaffen – bestes Beispiel momentan: Flying Lotus.“ – So leitete ich vor einigen Monaten meine Abrechnung zum Thema „Fließband-Produktionen und Plastik-Beats„ ein. So möchte ich auch diese Abrechnung einleiten – denn talentierte Beatbastler sind unerlässlich für gute Musik. Trotzdem kriegen nur wenige die Anerkennung, die sie verdienen.
Anerkennung meine ich nicht im Sinne von Rampenlicht – meines Wissens nach, wollen die wenigsten im Vordergrund stehen. Aber die Staaten machen’s mal wieder vor: Nicht nur Ikonen der Neunziger Jahre, wie J.Dilla, DJ Premier oder Pete Rock, sind weltbekannte Namen, die Ehrfurcht wecken. Auch aktuelle Beatbastler können sich einer anerkennenden Beliebtheit freuen – Beispiele wären an dieser Stelle etwa der (abflauende) Hype um DJ Mustard, die Verehrung von Madlib oder die Nachfrage bei Lex Luger. Viel größer ist die Kluft noch bei selbst produzierenden Rappern. Dr. Dre, Kanye West oder – weniger prominentes Beispiel, muss hier aber Erwähnung finden – MF Doom. In Deutschland ist das ohnehin kaum gegeben – Bushido bei „CCN“ vielleicht, Azad natürlich, aber ansonsten ist das Underground-Metier für Künstler wie Morlockk Dilemma, JAW, Private Paul und co.
Hier interessiert das kein Schwein. Kaum einer kann dir zehn deutsche Produzenten aufzählen – klar einige kennt man und das sind die, die zumindest bedingt die Anerkennung kriegen, die ihnen zusteht. Oft lässt sich aber gar nicht herausfinden, wer einen Song produziert hat. Klein gedruckt im Booklet vielleicht, aber auch nicht immer. Dabei steht und fällt alles mit der Leistung des Beatbastlers – trotzdem hat kein deutscher Produzent auch nur annähernd eine Vergleichbare Fanbase mit der eines bekannten deutschen Rappers. Ich freue mich immer zu sehen, wenn jemand für seine Produktionen gelobt wird – etwa m3 für seine brillante Leistung auf „Bonchance„, Choukri und Reaf, die viel Respekt für „Baba aller Babas“ einfahren konnten oder Bazzazians Weltklasse-Produktionen auf „Russisch Roulette„. Noch schöner ist es, zu sehen, dass die Riege der Beatschmiede zumindest in ihrer Nische als eigenes Konzept funktioniert.
Die Betty Ford Boys waren auf Tour, Labels wie Melting Pot Music bieten den Künstlern eine Plattform und Producer werden als Interpret auf Augenhöhe im Titel genannt – aktuell etwa EloQuent und Hulk Hodn. Aber das ist eben nur ein Nischendasein. Noch immer werden die Menschen, die für den gesamten Sound – die musikalische Seite eines Albums – verantwortlich sind, als Dienstleister abgetan. Diese Wahrnehmung ist schlichtweg ungerecht. Es geht ja nicht darum, die Person in den Vordergrund zu stellen – aber zumindest ihr Name sollte doch direkt mit einem Song in Verbindung gebracht werden. Wenn man wissen möchte, wer einen Track auf YouTube gebastelt hat, reicht nur selten ein Blick auf den Titel. Stattdessen hat man Glück, wenn wenigstens in der Videobeschreibung steht, wer den Soundteppich verlegt hat. Zu oft hilft nicht einmal Recherche weiter- der betreffende Künstler (ja, verdammt! Künstler!) wird nirgends genannt.
Die Menschen hinter den Pads tragen den wichtigsten Teil zum Gesamtprodukt bei und das muss gewürdigt werden! Ich habe gerade „Ebbe & Flut“ von Gzuz, Xatar und Hanybal gehört – und genau davon rede ich. Alle drei MCs liefern unfassbar stark ab, der Song hat mich absolut weggeblasen. Aber hört man sich den Spaß mal ohne Bass über Laptop-Boxen an, kommt nichts dabei rum. Der Track funktioniert nicht, ohne das Brett von Jambeatz, der eine tragende Rolle bei der 187 Strassenbande innehat. Also zieht eure Caps und zollt den Produzenten den Respekt, den sie verdienen. Das gilt für Fans und Künstler – und für Medien. Deshalb werden wir bei rap.de ab sofort den Produzenten immer auch in der Überschrift erwähnen. Der Beat macht die Musik.