Wunschlos glücklich zu sein ist ein Zustand, der den wenigsten von uns gegeben ist. Wäre ja auch langweilig, so ganz ohne Träume und Wünsche. In unserer Kolumne “Was ich will” führen wir aus, was Deutschrap guttun würde. Ganz subjektiv, nach Meinung des jeweiligen Autors, wie für eine Kolumne üblich: Benny Mielke wünscht sich einen zweiten Teil von „Widerstand“ mit Curse und Gentleman.
Gut 13 Jahre ist es her, dass sich Curse und Gentleman, beides Ikonen ihres jeweiligen Genres – der eine in Sachen Reggae / Dancehall, der andere im Deutschrap – für das Curse-Album „Innere Sicherheit“ zusammengetan haben, um ihren Unmut über die damalige Situation in weiten Teilen der Welt kundzutun. Die Hörerschaft sollte auf etwas aufmerksam gemacht werden, das nicht der dickste CL in der Einfahrt oder die 15 mm dicke Königskette, sondern stattdessen allerlei Problemfelder waren, die das tägliche Leben prägen. Nicht nur für Rebellion, auch gegen teure CDs oder „genmanipuliertes Gemüse“ wird sich stark gemacht. Dabei halten sich die Beiden auch nicht gerade zurück – im Gegenteil, es wird auf das altbewährte Mittel der Provokation zurückgegriffen, um die Aufmerksamkeit größtmöglich ausbreiten zu können.
Aufgebaut ist der Track auf drei, beziehungsweise vier Sektionen, deren Lines jeweils mit verschiedenen Alliterationen beginnen. Auf Grundlage deren werden die jeweiligen Themen verarbeitet, gegen die „Widerstand“ geübt werden soll. Dazu zählen nicht nur unverschämte CD-Preise im Media Markt und der Irakkrieg, sondern auch bewusst zur Kontrolle konstruierte Politik oder das Klonen von Menschenleben.
„Ich bin dagegen, gegen alles zu sein, doch ich bin gegen so manches was mir bekannt ist, denn manches muss ja nicht sein.“ (Curse auf „Widerstand„)
Hierzu zählen für den gebürtigen Mindener neben den oben genannten Fakten auch falsche Menschen. Diejenigen, bei denen es die Phrase „leere Worte“ ins Schwarze trifft. Diejenigen, die sich für Tierversuche aussprechen. Diejenigen, die lieber „sehen was passiert“ und Dinge tatenlos in sich hineinfressen, statt zu rebellieren, Stärke zu zeigen und gegen das vorgehen, was ihnen nicht passt. Gerne auch mit etwas außergewöhnlichen Mitteln, etwa dem Festketten des eigenen Körpers – auf Zuggleisen. „Alles versuchen“ ist die Devise, die von überzeugtem Widerstand zeugt.
Die drei Curse-Parts werden musikalisch von Gentlemans gefühlvollem Gesang unterstützt, der nicht nur die Hook, sondern dazu noch eine Bridge liefert. „Put out the evil everytime, on recolutionary mute, no matter what they might gonna do“ sind wohl relativ eindeutige Worte. Auch die Hook gleicht dem Schlachtruf einer revolutionären Bewegung, wird allerdings durch Gentlemans harmlosere Attitüde nicht ganz so krass wahrgenommen. „Today is such a lovely day, stand up and fight again / We and Babylon at war until we can go sleep at night again / The only way to live up bright again is to lift up your voices now.“
Das Ganze auf eine smoothe Art und Weise verpackt, zählt es nicht nur für mich heute unumstritten zu Klassikern im deutschsprachigen Conscious Rap. Gerade bei solch kritischen Themen ist es oft schwer, nicht aufdringlich oder verkrampft zu wirken. Außerdem wird die Message durch Gentleman auch über Ländergrenzen hinaus verständlich gemacht. Nicht nur bei uns gibts sowas. Anderswo sind die Probleme zwar noch ganz andere, trotzdem bleibt die Aussage die gleiche.
Auch gut 13 Jahre später sind sie nicht verschwunden und vielleicht angesichts verheerender Kriege, daraus folgernden Flüchtlingsdramen, dem Kontrollwahn sämtlicher Regierungen und Unternehmen und so vielem mehr, eher größer statt kleiner geworden. Auch wenn der Track jetzt wahrscheinlich nicht unbedingt eine Revolution nach sich ziehen würde, könnte er trotzdem noch als Aushängeschild derjenigen gelten, die auf die ganzen Faxen kein Bock haben und sich dagegen stellen wollen. Deshalb wünsche ich mir eine 2015er-Version eines „Widerstands“ von Curse und Gentleman.