V.A. – Pforten des Tempels

Pforten des Tempels ist ein Kollabo-Sampler unter der Regie der KaosLoge. Hinter der Platte steht ein Konzept: Auf jedem Track featuret mindestens ein Mitglied der KaosLoge MCees aus deren näherem Umfeld. Bis auf zwei Ausnahmen wurden alle Tracks von DJ Pete produziert.

Bevor ich die Platte abspiele, entnehme ich der Presse-Info, Berlin wäre lang genug ein Synonym für Hau-Drauf-Mentalität und Inhaltslosigkeit gewesen und der KaosLoge sei mit dieser aktuellen Veröffentlichung ein außergewöhnlicher Meilenstein gelungen, der mit textlicher sowie musikalischer Vielfalt einen neuen Maßstab setze. Neugierig durch diese Ankündigung und gespannt, was wohl mit dem neuen Maßstab an Inhalten auf mich zu kommt, öffne ich die Pforten des Tempels.

Um es gleich vor weg zu nehmen: Auf ein paar Tracks trifft die Ankündigung durchaus zu. Andere dürften das Synonym für Hau-Drauf-Mentalität und Inhaltslosigkeit wohl eher bestätigen.So kann man zum Beispiel auf dem Song Unter Beschuß von Ben Salomo, Asek und Damion mit Smexer und Kid Kobra hören: Ich bin ein richtiger Mann, ein richtig wichtiger Mann. Du winziger Typ hast nur n winzigen Schwanz. Oder: Ich war öfter im Knast, als ich draußen war. Der Refrain vermittelt einem dann schließlich: Die Gun ist scharf, lad sie nach, zieh den Hahn und schieß auf alles, was kommt, scheiß egal, ob du triffst oder dein Ziel um Längen verpasst. Die Produktion hat Tiefe, der Chorus-Gesang bringt Abwechslung ins Spiel, und den Rappern mangelt es nicht am Ausdruck in der Stimme. Aber wenn die Idee dahinter war, einen inhaltlichen Meilenstein zu setzen, muss ich leider feststellen: Ziel um Längen verpasst.

Doch nach weiterem Hören stößt man auf Lieder wie Freiheit von Ben Salomo, Damion und Asek feat. Ninjah. Its like Im fighting for freedom wird Common per Cut zitiert, und jeder MC lässt seinen Gedanken freien Lauf: Seit ich ein kleiner Junge bin, träum ich davon, dass alle Menschen miteinander ohne Regeln klarkommen. Doch es scheint mir, als sei es nicht mehr als pure Illusion zu glauben, Freiheit wäre noch ein Wert dieser Nation. Und wenn du die Kraft hast im Herzen frei zu sein, wirst du sicher mit diesen nachdenklichen Rhymes auf den gemütlichen Beat und dem relaxten Chorus-Gesang mehr als nur Etwas anfangen können. Hör besser hin heißt ein Stück. Ich nehme mir die Bitte von Asek, Micro, Autodidakt und Jo Lezbo zu Herzen: Lutsch meinen Ständer, schluck meinen Sperma, Bitch  Danke für die Information! Ich will Pforten des Tempels nicht auf Lines wie diese reduzieren, der KaosLoge-Release hat viele Themen zu bieten, aber es soll die inhaltliche Spannung zwischen den einzelnen Tracks deutlich werden, die zum Teil auch von denselben Künstlern stammen.

Doch lassen wir erst die gesamte Platte auf uns einwirken. Also weiter geskipt: Drei Männer aus Eisen: Micro mit Sera Finale und Serch, retten, über einen sehr verschickten, schnellen Beat, die Welt dreimal täglich. Asek, Ben Salomo und Floe Flex fragen sich, von einem nachdenklich wirkenden Beat unterstützt, Wer versteht die Welt?. Entspannte Party-Mucke, Battle-Tracks mit roughen Instrumentals, Story-Telling, gemütliche Beats, Verschwörungstheorien, persönliche Ansichten – alles findet seinen Platz im Tempel und kann nicht durchweg beschrieben werden. Nur so viel: Die Produktion ist qualitativ Hochwertig. Die Stimmung der Beats, das inhaltliche Niveau der Texte, das Reimschema und der Flow der Mcees ist sehr unterschiedlich. Je nach Lied und Künstler. Eine Gesamtwertung ist schwierig und kann Pforten des Tempels kaum gerecht werden. Ich persönlich finde einige Tracks sehr gut und kann mit anderen nicht das Geringste anfangen. Flache Phrasen wie: Wir ändern geschichtlich den Lauf der Dinge, in dem wir euch vernichten mögen nicht die krasseste Form der Berliner Hau-Drauf-Mentalität darstellen. Aber wenn man zu Ende denkt, was diese Zeile in die Realität umgesetzt bedeuten würde, färben sie, aus meiner Sicht, auch auf Tracks ab, die einen gebannt zu hören und sowie die Musik als auch die Worte fühlen lassen.

Um mit einem positiven Eindruck zum Schluss zu kommen, will ich noch auf den Song Anatomie von Chefkoch und Micro feat. Bektas eingehen. Die drei Mcees schlüpfen in die Rollen von Verstorbenen, deren Todesursache in der gerichtsmedizinischen Fakultät während einer Vorlesung erörtert wird. Die Strophen werden jeweils von einem Szenario im Vorlesungssaal unterbrochen. Doch bevor der Dozent die Todesursache nennen kann, beginnen die Rapper, das Innenleben der Charaktere kurz vor ihrem Tod aus deren Sicht zu beleuchten. Sie lassen ihren Emotionen beim Rappen freien Lauf, fühlen sich in die Person hinein, lassen ihre Stimmen mitgehen. Der krasse Gegensatz zwischen der persönlichen Perspektive in diesen dramatischen Situationen und der kalten Anonymität im Vorlesungssaal, in dem der Tote nicht mehr als ein Fall mit Nummer darstellt, machen den Reiz des Stücks aus.

Schlusswort: Hört euch die Platte an, bildet euch eure eigene Meinung. Die Produktion ist tight  Inhalt bekanntermaßen Geschmackssache. Word.