Straight outta Compton: Erste Eindrücke vom N.W.A.-Film

Es ist mit Sicherheit der meistdiskutierte HipHop-Film des Jahres: „Straight outta Compton„, der die Geschichte der legendären Gangsta Rap-Crew N.W.A. erzählt, startet in etwas mehr als einer Woche in den deutschen Kinos. Ab dem 27. August geben sich Dr. Dre, Ice Cube, Eazy E, MC Ren und DJ Yella die Ehre. Die rap.de-Redaktion hat den Film bereits gesehen, gestern bei der Europapremiere oder bei einer der Pressevorführungen. Wie die einzelnen Redakteure den Film nun fanden, haben sie hier aufgeschrieben. 

Straight outta Compton“ ist…

… teuer. Ein spektakulärer Hollywoodfilm, der den Gründungsmythos von N.W.A, relativ originalgetreu nachstellt. Es gibt durchaus einige Gänsehautmomente, aber auch ein paar Schwachstellen. So sind die Charaktere von Dre, Cube und Eazy eher flach gehalten.  Die Jungs machen Musik, ficken in ihrer Freizeit Bitches und streiten sich um Kohle – viel mehr erfährt man über die Rapper als Menschen eigentlich nicht. Ist ist der knappen Zeit eines Spielfilms natürlich auch nicht so leicht. Die Figuren sind zudem recht einfach zugeschnitten: Dre ist das musikalische Genie, Cube der zu Radikalität neigende geniale Texter und Eazy der etwas naive Straßenköter, der sich vom natürlich geldgeilen, natürlich jüdischen Manager abziehen lässt. Bisschen sehr einfach. Geil dagegen, wie detailliert und nachvollziehbar die Probleme der Jungs mit der Polizei geschildert werden. Schön auch, dass die Ghostwriting-Hintergründe offen und ehrlich dargestellt werden. Schade, dass problematischere Themen wie Cubes Rassismus (gegen Koreaner) oder Dres Vergangenheit als kleidchentragender, geschminkter Electro-DJ bei der World Class Wrecking Crew einfach unter den Tisch fallen. Von der Rolle von Arabian Prince mal ganz zu schweigen. Am Ende bleibt eine etwas arg begradigte Geschichte, die gerne an der Oberfläche bleibt und Klischees bedient, und das Ganze wohl vor allem aus der Perspektive Cubes wiedergibt – auch wenn der Film coolerweise Eazy E gewidmet ist, konnte dieser seine eigene Sicht leider nicht mehr einbringen. Wer N.W.A bisher nicht kannte oder sich mit dem Phänomen Gangsta Rap noch nicht beschäftigt hat, findet aber definitiv einen guten Einstieg. (Oliver Marquart)

… einseitig. Aber gut. Meine Erwartungen waren nicht besonders hoch gesteckt. Dass die Atmosphäre und der Cast so brillant sein würden, wie sie es eben waren (der 2Pac sah mehr aus wie 2Pac, als 2Pac selbst!), hatte ich erwartet. Allerdings rechnete ich auch mit mehr groben Schnitzern. Stattdessen gibt es eher wenig zu bemängeln. Der Film war einfach kurzweilig. Einseitig aber, weil man doch sehr merkt, wer zu welchen Anteilen seine Finger im Spiel hatte. Ice Cube als Produzent, kommt im Film doch ziemlich als der Gute weg, der immer alles im Vornherein geahnt hat und nur richtige Entscheidungen trifft – Eazy E hingegen (auch wenn ich die Darstellung für relativ authentisch halte) kann als Toter nicht wirklich mitreden – dass Eazy E mit jedem seiner Soloalben mindestens Gold einspielte, wurde beispielsweise vollständig unterschlagen. Dass MC Ren und DJ Yella eher kleine Nebenrollen darstellten, die vielleicht 20 Textzeilen im ganzen Film haben, stieß mir auch sauer auf. Dafür gefiel mir die realitätsnahe Inszenierung von Suge Knight als skrupelloser, gewalttätiger Intrigenspinner. Die Ursprünge  der Gruppe bzw. der einzelnen Mitglieder hätten auch besser beleuchtet werden können. N.W.A zehrten von der Geschichte der Kids aus dem Ghetto, die es ganz nach oben schaffen. „Straight Outta Compton“ riss das viel zu kurz und flüchtig an. Doch all diese Schwachpunkte fielen mir eigentlich erst nach dem Film auf – denn während ich im Kino saß, hatte ich nicht eine langweilige Minute. (Skinny)

… unterhaltsam. Besonders die Einführung und Charakterisierung der Protagonisten gelingt Regisseur F. Gary Gray, weil sie die jeweiligen Vorzüge der Crew-Mitglieder hervorhebt: Eazy als Kleinkrimineller mit einem Händchen fürs Geschäft, Dre als Musiknerd, Ice Cube als Lyricist, Yella als Aufreißer und Ren als schweigsamer, aber nicht minder fleißiger Texter. Jedes Mal, wenn die Musik einsetzt, egal ob inner- oder außerdiegetisch, ist Gänsehaut garantiert – besonders bei den Konzertaufnahmen wünsche ich mir persönlich, ungefähr 20 Jahre früher geboren worden zu sein. Weniger gelungen präsentiert sich das Ende, das mit der vermutlich arg beschönigten Wiederannäherung von Eazy-E und seinen ehemaligen Kollegen eingeleitet wird, und relativ unspektakulär mit Dres Ankündigung, Aftermath zu gründen, sein Finale findet. Eine Spur weniger Glamour hätte dem Streifen ebenfalls gut getan, denn dem Ergebnis ist durchaus anzumerken, dass es sich nicht nur an Fans und HipHop-Nerds, sondern auch den gängigen Blockbuster-Fan richtet. Nachvollziehbar, aber auch ein wenig schade. Trotzdem ist der Besuch des Films Pflicht für alle Musikfans, kann zum Beispiel „Walk the Line“ aber leider nicht das Wasser reichen. (Laura Sprenger)

…Rapkino vom feinsten. Ich hatte quasi keine Vorkenntnisse von N.W.A, die ganze Story spielte sich vor meiner Geburt ab, demnach kann ich den Film nicht aufgrund seiner Realitätsnähe beurteilen, sondern lediglich den handwerklichen Aspekt. Diesem kann ich so gut wie nichts vorwerfen, die Schauspieler konnten mich ausnahmslos überzeugen, (auch wenn viele nicht der realen Person ähneln) Schnitt, Kamera, Musik, alles einwandfrei. Da ich nur die deutsche Version des Films sehen konnte, hat der Film einerseits natürlich stark an Authentizität verloren, was ihn aber immer noch nicht schlecht werden ließ, andererseits wirkten hier viele Dialoge jedoch etwas zu simpel, wie der finale Streit zwischen Eazy E und seinem Manager. So weit so gut, im großen und ganzen hat mich der Film über zweieinhalb Stunden stark unterhalten und gefesselt. Das Ende war allerdings ziemlich lasch. Ich war von dem Film trotzdem sehr beeindruckt, es gibt starke Bilder, starke Darsteller, eine starke Story und wunderbares Hollywood-Handwerk, absolute Empfehlung für jeden Rapfan. (Felix KK)

… fesselnd. Ich war noch nie ein besonderer Old School Fan. Dazu kommt, dass ich mich auch von Anfang an eher mit Deutschrap, als mit Amirap beschäftigt habe. Mein Interesse an Rap bestand schon immer eher darin, die aktuelle Weiterentwicklung zu verfolgen. Dabei erschien mir die Vergangenheit, zumindest was Amerika betrifft, nie so interessant, als das was gerade Neues im Rap geschah. HipHop-Ikonen wie Dr.Dre, Eazy E oder Ice Cube sagten mir natürlich was, richtig beschäftigt habe ich mich damit jedoch nie. Demnach hatte ich erst mal meine Zweifel, ob ich dem, was mir jetzt gleich an Jahrzehnte langer Rapgeschichte vorgeführt wird. als Laie überhaupt richtig folgen kann und ob es mich genau so in den Bann ziehen wird, wie die richtigen Old School Liebhaber. Und ja, genau das tat es.  „Straight Outta Compton“ führt dich in eine Welt der dreckigen Musikindustrie,  von Höhenflügen bis zu deren unsanften Landungen, von Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern und auch einfach bloß in eine Welt der USA in den 80s und 90s, genau so klischeehaft, kitschig und prüde wie du dir es vorstellst. Auf Deutsch synchronisiert wirken jegliche Dialoge natürlich um eine Spur unauthentischer. Demnach ist es zu empfehlen, „Straight Outta Compton“ unbedingt im Originalton zu genießen. Sogar die emotionalen Momente kommen nicht zu kurz. Der Tod des Bruders von Dr.Dre und Dr.Dres Besuch an Eazy Es Krankenbett nach der AIDS-Diagnose trieben mir beinahe, die ein oder andere Träne aus dem Äuglein. Jahrelange N.W.A-Entwicklung, von der Gründung bis hin zum Zusammenbruch und der wieder geplanten Vereinigung, werden innerhalb 2,5 Stunden auf die Leinwand projiziert. So genial verpackt, dass man den Vibe, den Hass, die Liebe, die Trauer, die Wut in den Protagonisten regelrecht selbst spürt. Eine wahrliche Herausforderung, so viele Ups and Downs in so kurzer Zeit zu verpacken. 2,5 Stunden, die leider noch immer viel zu kurz sind, um all das Geschehene gebührend zu thematisieren und zu würdigen. Aber hey, dennoch, die N.W.A-Fanherzen pochten, die Augen glühten. Zurecht. (Theresa Janda)