Wunschlos glücklich zu sein ist ein Zustand, der den wenigsten von uns gegeben ist. Wäre ja auch langweilig, so ganz ohne Träume und Wünsche. In unserer neuen Kolumne „Was ich will“ führen wir aus, was Deutschrap guttun würde. Ganz subjektiv, nach Meinung des jeweiligen Autors, wie für eine Kolumne üblich. Den Anfang macht Chefredakteur Oliver Marquart, der sich einen dezidiert politischen Song von MoTrip wünscht.
Politische Rapsongs sind oft peinlich, keine Frage. Gerade und vor allem die aus Deutschland. Allzu oft entscheidet sich der Protagonist, plakative Phrasen und Parolen rauszuhauen. Populismus bringt eben schnell Beifall. Die verbreitete Vorliebe für einfache Antworten auf komplexe Fragen und damit einhergehende Offenheit für jedwede Verschwörungstheorie tun ihr übriges. Da ist man doch froh, dass die meisten Rapper es gleich ganz sein lassen.
Es gibt aber einen deutschen Rapper, von dem ich mir ein richtig explizit politisches Lied wünschen würde: MoTrip. Mit seinen beiden Alben hat er bewiesen, dass er lyrisch dazu absolut das Zeug hat. In Songs wie „David gegen Goliath“ zeigt er, dass ihm politische Fragen und Probleme durchaus nicht fremd sind. Er interessiert sich dafür, was in der Welt um ihn herum vorgeht. Er nimmt Anteil und neigt nicht zu meinungsmäßigen Schnellschüssen.
Bisher hat er sich aber dafür entschieden, es bei Andeutungen und Anspielungen zu belassen. Mit seinem nach wie vor großartigen Song „Guten Morgen NSA“ (den er gemeinsam mit seinem Bruder Elmo geschrieben und aufgenommen hat) hat er bereits angedeutet, was in dieser Hinsicht bei ihm gehen könnte.
Ansonsten bleibt er eher allgemein anstatt konkret zu werden. Sein gutes Recht. Aber bei allem Respekt vor seiner Entscheidung, seine Texte eher offen zu halten und eine klare, womöglich polarisierende Ansage weitgehend zu vermeiden: Einen MoTrip-Song, der sich ganz konkret und direkt mit dem Flüchtlingsdrama, mit Alltagsrassismus, mit Sexismus oder Homophobie befasst, stelle ich mir richtig geil vor. Meiner Meinung nach hat der Aachener sowohl die lyrischen Fähigkeiten dazu als auch das richtige Gespür dafür.
Richtig gut fand ich zum Beispiel die leider kaum beachtete „+-0„-EP seines bereits erwähnten großen Bruders Elmo. Besonders der Song „Frank Ocean„, der im Zuge der Homophobie-Debatte eine etwas breitere Öffentlichkeit erreichte, ist schlicht großartig.
Wie viel mehr Wirkung hätte es, wenn so etwas von MoTrip selbst käme? Wenn er mal ohne Rücksicht auf Verluste auspacken würde, ein richtig heißes Eisen anfassen würde, auch auf die Gefahr hin, sich die Finger zu verbrennen? Wenn er eine Debatte anstoßen würde, die kontrovers geführt würde? Das wäre viel interessanter als der indifferente, zynische Tonfall, mit dem im Deutschrap meist mit politischen Fragen umgegangen wird.
Ich habe natürlich mitbekommen, dass MoTrip mit „So wie du bist“ gerade seinen wohl größten Erfolg feiert und ich gönne ihm das. Hoffentlich bedeutet das, dass die Radio- und Fernsehsender ihn ab jetzt auf dem Schirm haben und seine Musik rauf und runter spielen. Und hoffentlich nutzt er die noch größere Aufmerksamkeit dann, um einen Song rauszuhauen, der „Guten Morgen NSA“ wie einen harmlosen Spaßtrack klingen lässt.