Der Preis für den wacksten Promomove des bisherigen Jahres geht an… Den Trommelwirbel und so kann man sich an dieser Stelle sparen, die Antwort sollte jedem klar sein. Gio verliert die wenig rühmliche Auszeichnung, die er für seinen Liont-Diss erhielt eindeutig an KC Rebell, der statt zu dissen mit Lionts angeblicher Freundin in den Urlaub fliegt. Also nicht, dass die beiden nicht gemeinsam Urlaub machen dürften. Was die privat treiben geht mir weit am Arsch vorbei – aber den genialen Promostunt, seine – ich bin mal so frei und bezeichne es großzügig als Ballade – schnulzige Ballade „Bist du real„, die zu einem Dreiviertel aus der Bausatz-Hook von Sänger Moé besteht, auf dem Kanal der Youtuberin hochzuladen, ist halt einfach genau das: wack.
An dieser Stelle möchte ich KC Rebell zitieren, der in „Anhörung“ von 2013 Bezug zu Money Boy nimmt. Der hatte im Vorfeld ein Feature von KC erworben – letzterer ließ sich Money Boys Verse zuschicken und disste ihn dann in seinem eigenen Part. Soweit alles okay, kann man ja mal machen. Doch hören wir mal kurz rein, was er zum Wiener so zu sagen hatte. Die Stellungnahme in „Anhörung“ fiel folgendermaßen aus: „Peinlichkeit in Form von Millionen von Klicks / Für kurzen Augenblick war meine Vision so gefickt / Ich fühlte mich im Namen von Rap so beleidigt“
Money Boy soll an dieser Stelle keine Rolle spielen – aber bitte, welche Hintergedanken sind wohl der Grund für die Dagi-Aktion? Ist dieser Song Rap, wie er KCs Vision entspricht? Oder doch eher Tendenz Peinlichkeit, mit dem klaren Ziel, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen? Und zwar auf dem knapp 2 Millionen Abonnenten starken Kanal von Dagi Bee? Die 2 Millionen Klicks jedenfalls, hat der Song schon nach zwei Tagen locker geknackt. „Kanax in Tokyo“ hat das nach fast drei Wochen immer noch nicht geschafft – dabei schmückt sogar der Name Farid Bang den Titel. Das Teil gefällt mir zwar auch nicht, aber ich kann es ohne mit der Wimper zu zucken als richtigen Rap durchwinken. Das kaufe ich KC als seine Vision ab. Was wär wohl passiert wenn „Kanax in Tokyo“ auf Dagi Bees Kanal hochgeladen worden wäre? Eine durchaus amüsante Vorstellung.
Abschließend verkündet der selbsternannte Rebell in „Anhörung“ dann:
„Ich sterbe, doch verkaufen meine Seele nicht dem Seytan / Widerstand, lieber blut ich jeden Tag
Anstatt ne Marionette zu sein und tun was man mir sagt / Ich leugne mich nicht selber, das wär ehrenlos
Ich bin Rebell, ich bin der Gegenpol / Und wenn ich ab morgen keine Platte mehr verkaufe, ist das schade
Doch kann vor meinem Spiegelbild behaupten: Ich war gerade!“
Tja, Zeiten ändern sich, wie man so schön sagt. Jetzt kann er seinem Spiegelbild immerhin erzählen, wie viele Youtube-Klicks und Singleverkäufe er hatte. Wobei der Banger das doch alles rechtfertigen kann. „Ich finds hammer das meine Musik noch mehr Menschen erreicht. Ich habe so schon eine unglaublich starke Reichweite und jetz erreicht es nochmal ein anderes Publikum.“ verkündet er in einer Stellungnahme via Facebook und weiter: „Dieses Lied ist der beste Beweis wie facettenreich Musik sein kann. Während ich auf dem Album die komplexesten Texte habe, kann so etwas musikalisches einfach auch gute Laune machen. Der Text is nicht anstrengend und macht gute Laune finde ich„.
In erster Linie beweist das Lied, dass er sich eine cheesy Hook ranholen und belanglose Parts an 12 Jährige adressieren kann, um noch eine neue Käuferschicht zu erreichen, die ohnehin für jeden Krempel Geld ausgibt – so funktioniert schließlich Dagi Bees Kanal-Konzept. Aber im Grunde sagt er das ja sogar, nur eben durch die Blume.
Funfact am Rande: Auch Gio kritisierte das hart. Der Post ist mittlerweile gelöscht. Besser so, denn wie ich bereits in einer vorherigen Kolumne deutlich machte, sollte der mal lieber die Füße stillhalten. Übrigens: Neu ist der Move natürlich nicht. Bereits Eko Fresh lud seine Songs mehrfach auf dem klickstarken Kanal DieAussenseiter hoch. Gerade für seinen letzten Streich „Hallus & Muffins“ trommelte er sich eine kleine Armada an Youtubern zusammen, die ihre Fratzen im Video zeigten. Die selbe Nummer also, bis auf einen Unterschied: Das waren normale Eko-Songs, wie man sie kennt. Kein vollständig durchkalkuliertes, vor Kitsch nur so triefendes und eindeutig an genau die erreichte Zielgruppe adressiertes Produkt, das perfekt platziert wurde. Ja, aus geschäftlicher Sicht haben KC beziehungsweise Banger Musik einen brillanten Move gebracht. Aber seine Seele hat er trotzdem an den Seytan verkauft, um seine eigene Metapher zu verwenden. Dabei weiß er es doch eigentlich besser: „Geld stinkt, diese Scheine machen arm„, rappt er in „Alles & nichts„. Tja.
Ach ja, der einzigartige Bleistift-Chirurg Graphizzle Novizzle hat sich des Themas übrigens auch angenommen – will ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten: