Es ist schon ein bisschen was her. So ungefähr 2001 oder 2002 muss es gewesen sein, als ich, noch ziemlich neu in Berlin, im Downstairs ein Tape kaufte, auf dem in Comicmanier ein Panzer abgebildet war. Das Tape hörte auf den angriffslustigen Namen „An der Front„, die Crew, die es zu verantworten hatte, nannte sich Beatfabrik. Ich weiß gar nicht mehr, warum ich es kaufte, ob es eine Empfehlung des Chefs, Halil, war oder ob mir einfach das Cover gefiel. Auf jeden Fall, als ich nach Hause kam und es in meinen Ghettoblaster schob, tat sich eine neue Welt auf.
Da rappten drei wahnwitzige Charaktere, die sich mit comicartigen Namen wie Prinz Porno, Kid Kobra, B-A-Di und Smexer schmückten. Und genauso comichaft wie die Namen war auch ihr jeweiliger Rapstyle: Kid Kobra war damals noch so etwas wie eine extrem aggressive Version von Kool Savas (seinerzeit mein klarer Lieblingsrapper), Prinz Porno ging mit einer Mischung aus bildungsbürgerlichen Anspielungen und purer Ignoranz zu Werke, B-A-Di war selten im Takt, machte das aber mit seiner düster grollenden Stimme locker wieder wett – und Smexer war einfach nur der pure Wahnsinn. Gerapptes Graffiti. Bilderreich, wortstark und vor allem mit dieser unverfälschten „Wir-machen-alles-anders-und-scheißen-auf-euch-alle„-Attitüde. Kurz: Es war nicht weniger als eine Revolution.
Die Beats von Kick waren im Vergleich zu heutigen Produktionen recht schlicht – aber genau das war ja auch das Ding. Keine pompösen Klaviersamples lenkten hier vom Wesentlichen ab, und das Wesentliche war, ganz klar und eindeutig, die lyrische Vernichtung des Feindes. Dass dabei gelegentlich auch übers Ziel hinausgeschossen wurde, etwa in Kobras Line gegen Afrob („Schwarze Haut bedeutet nicht gleich rappen/ zurück zu deinen Wurzeln heißt: ich lege dich in Ketten“ – aus heutiger Sicht sicherlich diskussionswürdig), erschien damals niemandem als Problem.
Es war die Gründerzeit des berühmt-berüchtigen Berlin-Rap – Grenzen wurden niedergerissen, Tabus wurden gebrochen, Mütter…, nein Muttis wurden eigentlich keine gefickt. Eher Battle-Gegner und natürlich Bitches. Vor allem aber wurde sauber und flüssig gerappt, aus einer selbstbewussten Haltung der Stärke heraus, die dem harmlosen, netten Rest der Deutschrap-Szene den Mittelfinger nicht nur zeigte, sondern gleich direkt und tief in den Arsch rammte. Und Beatfabrik waren, neben Savas, M.O.R., Die Sekte, Rhymin Simon und Taktloss, ganz vorne mit dabei, „An der Front“ eben.
Natürlich, wie das mit dem Zauber so ist: Er hielt nicht lange. War der Nachfolger „Wortshots“ noch eine Steigerung in allen Punkten, begann spätestens mit den immer wieder angekündigten und verschobenen Promolle– und Panz Dominanz-Alben der langsame Niedergang. Es kam zur Spaltung: Prinz Porno trieb seine Solokarriere sehr schlüssig voran, während Smexer und Kobra leider jenes unsägliche High Society-Album aufnahmen – 8XL-Shirts und jede Menge Nasenpuder waren der künstlerische Tod der Beatfabrik.
Ein Comeback erscheint auch ziemlich unrealistisch. Abgesehen von den heutigen Tätigkeiten der damaligen Member und der Tatsache, dass er einen Disstrack von Smexer gegen Porno (jetzt Pi) gab, würde der Sound und die halsbrecherische Attitüde der Jungs von damals heute auch nicht mehr ins Bild passen. Deutschrap ist anders geworden, in manchen Dingen besser oder professioneller, in anderen Dingen langweiliger. Trotzdem, man darf ja noch träumen. Und mein Traum ist es, dass eines Tages wieder ein in grell leuchtende Tarnfarben (ja, ein Widerspruch in sich) sich Bahn bricht und den Startschuss zu einem erneuten, rein lyrischen Krieg abfeuert. Bis dahin bleiben die alten Tapes.