Bei vielen Rappern aus den Staaten herrscht eine Live-Unkultur: Da wird gelangweilt zu Vollplayback gerappt, die anspruchsvolleren Hooks, bei denen man den ein oder anderen Ton versemmeln könnte, laufen einfach durch, ohne dass der Protagonist auch nur eine Silbe ins Mic fallen lässt – und dafür verlangt man dann einen utopisch hohen Eintritt. Das machen die natürlich auch bei einem Abstecher nach Deutschland, auch wenn das hier nicht so Gang und Gebe ist. Stichwort: Outkast.
Mann, kam ich mir verarscht vor, als ich Dope DOD das dritte mal live sah. Das Trio aus den Niederlanden hatte bis dato immer hervorragende Performances abgeliefert. Möglicherweise mag dieses Empfinden auch meinem stets schwindelnd hohen Alkoholpegel geschuldet sein, aber sowohl der kleine Club-Gig zu ihren jüngeren Tagen, als auch der Festival-Auftritt vor wenigen Jahren, waren ein Energiegeladenes Gemisch aus Pogen, Alkohol in die Menge ausschenken und live-Skills. Als die Jungs dann irgendwann Ende letzten Jahres wieder mal in Berlin zugegen waren, wollte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen. Fuck, war das eine Enttäuschung. Diese drei Schwachköpfe schienen sich tatsächlich erwähnte Unkultur abgeschaut zu haben. Etwa eine halbe – ach, lass es ruhig eine dreiviertel Stunde gewesen sein – schamloses Playback-Programm, bei dem schonmal während des Parts die Arme in die Luft gerissen wurden, während der Song im Hintergrund weiter dudelte. Aber hey, wie mehrfach beteuert waren wir ja eine verdammt krasse Crowd. Die konnte man nicht nach weit unter einer Stunde Programm auf dem trockenen sitzen lassen. Und so wurde langsam schleichend ein DJ-Set eingeleitet. Zu beginn sprangen die Jungs noch munter zu ihrer eigenen Musik auf der Bühne herum. Dann verabschiedete Dopey Rotten sich klammheimlich (also er verabschiedete sich nicht, er verließ einfach die Bühne), dann auch Skits Vicious und zu guter Letzt auch Jay Reaper, der mittlerweile wenig motiviert zu den Klängen von Onyx mit dem Kopf wackelte. Vermutlich hatten sie im Backstage Streichhölzer gezogen, in welcher Reihenfolge sie verduften dürfen.
Ich weiß das alles noch so genau, weil es mich sehr sehr wütend gemacht hat. Und ich leite mit diesem extrem-Beispiel ein, weil gerade Dope DOD eigentlich live-Maschinen sind, bei denen bis zum Krankenhausaufenthalt gepogt und gesoffen wird. Aber so nicht. Einigen Künstlern könnte ich diese Herangehensweise sogar verzeihen. Riff Raff beispielsweise. Der darf das. Sein Künstler-Persona gibt das her. Aber nicht Dope DOD. Und bei deutschen Künstlern darf das eigentlich nur Money Boy. Nur wenn man wegen der Person und ihrer Originalität kommt. Glücklicherweise gehen deutsche Künstler noch nicht so weit, einen mit so einer Kacke abzuspeisen und wenn jemand einfach begrenzte live-Fähigkeiten hat, dann kann man ihm da auch keinen wirklichen Vorwurf machen. Necro ist halt mittlerweile ein fetter, alter Sack, dem nach drei Songs die Puste ausgeht. Ich erwarte von niemandem, dass die Tickets mit einer „Vorsicht: Wacke Live-Skills“-Warnung bedruckt werden. Aber ein bisschen Kreativität, ein bisschen Feuer und ein bisschen Selbstständigkeit kann man ja wohl erwarten dürfen. Wenn Kollegah mit sage und schreibe vier Backups auf der Bühne steht, sich über die Hälfte von jeder einzelnen Line backen lässt und dann noch Flowfehler macht, dann komme ich mir nunmal verarscht vor, wenn ich Eintritt dafür bezahle. Oder Prinz Pi, der zwar eine gute Band hinter sich hat, aber auf der Bühne rappt, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen. Das Programm ist dann zwar perfekt durch geplant, aber ebenso sterbens langweilig.
Natürlich liegt das Problem nicht immer bei den Künstlern selbst. Auch wenn keine 10 Backups gleichzeitig herum schreien, ein Playback läuft oder der Künstler gelangweilt ins Mikrofon nuschelt, als wäre das ein Poetry Slam, kann ein Konzert trotzdem verdammt ernüchternd sein. Manchmal will man nämlich auch einfach den Tonmann erwürgen. Das ist bestimmt ein verdammt schwieriger Job, aber manchmal will ich auch einfach meine Flasche werfen, wenn ich merke, dass nichtmal versucht wird, den Sound zu verbessern. Der Typ steht hinter der Crowd, wenn er merkt, dass alles was bei ihm ankommt ein unverständliches Gebrülle ist – dann hat er das verdammt nochmal zu verbessern! Es liegt wirklich in den seltensten Fällen an der Anlage. Ob jetzt die Zusammenarbeit von Tonmann und DJ nicht funktioniert oder nur einer der beiden oder was auch immer. Spielt keine Rolle, ich bin auch alles andere als ein Experte. Ich will nur etwas verstehen, wenn ich auf einem Konzert bin. Ich scheiß drauf, wo das Problem liegt. Löse es, das ist dein Job. Mit dir steht und fällt jedes Konzert. Und wenn in ein und der selben Location mal super Sound ist, mal nur matschiges Bass-Getöse, dann muss es ja irgendeinen Grund geben.
Schlechte Konzerte sind eine Abzocke. Wenn der Künstler es nicht drauf hat – okay, scheiße gelaufen. Aber wenn er keinen Bock hat, dann soll er verdammt nochmal nicht auf Tour gehen, oder zumindest so tun als hätte er Bock. Ich habe für nur 8 Euro (!!!) Big Daddy Kane live gesehen. Zu diesem Zeitpunkt war der Mann 45 Jahre alt. Der athletische Körper gehörte längst der Vergangenheit an. Und trotzdem: Heilige Scheiße, hatte der eine Energie! Komplett durchnässt von Schweiß hat er alles gegeben. „Alles“ war in diesem Fall verdammt viel. Für eine deprimierend kleine Crowd. Das waren Freude und Passion, die er gezeigt hat. Im Gegensatz zu einem Wiz Khalifa.
Der schlimmste von allen ist MF Doom. Meiner Meinung nach einer der besten Künstler aller Zeiten. „Born Like This“ ist eines der allerbesten Rap-Alben überhaupt. Aber live taucht er zuweilen gar nicht auf oder schickt (so sagt es die Legende) ein Double auf die Bühne. Wenn man den Mann mit der Maske dann mal in Fleisch und Blut auf der Bühne erlebt, dann will man gleich wieder gehen und diesen Abend vergessen. Der Inbegriff von „Kein Bock“. Und das vermittelt er, so gut er nur kann. Bei Doom könnte man das natürlich alles damit entschuldigen, dass die Figur nun mal so ist. Der Superschurke. Kunst durch und durch. Nein! Wer das macht ist ein Idiot. Der Kerl ist einfach ein Arschloch. Der Retrogott hingegen ist live brillant. Und das trotz- oder gerade weil, er einfach spontan und verpeilt ist. Der kennt sein Set nicht, verhaut Texte und beschließt den Track zu Ende zu freestylen, holt sich einen Beatboxer aus der Crowd auf die Bühne und so weiter. Und er hat die ganze Zeit Spaß. Ich glaube Spaß ist das wichtigste – das spürt das Publikum. Es geht nicht immer nur um krasse Lichteffekte, riesige Bands und Pyrotechnik. Aber auch wenn jemand keinen Spaß hat – dann soll er wenigstens professionell genug sein, so zu tun und nicht komplett auf die unzähligen Fans, die XX-Euro bezahlt haben, scheißen. In solchen Fällen kann ich auch über fliegende Becher grinsen.