HipHop hat seinen Ursprung bekanntlich im amerikanischen Ghetto der 70er, genauer gesagt in der Bronx. Für die randständige Bevölkerung New Yorks war es ein Weg sich kritisch mit den eigenen sozialen Umständen auseinanderzusetzen. Eine Kunst also, die das echte Leben fernab der schönen Hollywood-Welt thematisiert. Ebenfalls bekannt ist, dass der ökonomische Nutzen damals nicht zu den Hauptintentionen zählte, sich dieser Kultur anzuschließen. Erst mit der zunehmenden Salonfähigkeit durch Pioniere wie der Sugarhill Gang und Grandmaster Flash wurde klar, dass mit HipHop auch ein paar Dollars drin sind und damit ein Weg aus dem Ghetto.
Diese „From The Bottom To The Top“-Attitüde spielt auch heute noch eine bedeutende Rolle in der Szene. Die ist längst nicht mehr auf die Bronx oder NYC beschränkt. Inzwischen hat sich Rap auf der ganzen Welt etabliert. Überall hoffen MCs, sich durch ihre Musik den Ketten der sozialen Abgrenzung zu entledigen. Der Mexikaner Tone und der Londoner Ceize sind zwei Künstler dieser Gattung. Obwohl sie auf zwei verschiedenen Kontinenten leben, teilen sie ihre Liebe zur Musik und das Ziel, durch Rap zum Erfolg zu kommen – „From The Bottom To The Top“ eben.
Tone kommt aus der nordmexikanischen Wüstenstadt Ciudad Obregón, etwa 600km südlich der Grenze zu Arizona. Trotz des trockenen Klimas hat die Stadt fruchtbaren Boden. Die Landwirtschaft ist daher der ökonomisch stärkste Zweig der Stadt. Industrie gibt es kaum.
Er arbeite mal hier, mal da, sagt Tone. Das verdiente Geld brauchen er und seine Familie zum leben. Alles was darüber hinausgeht, steckt er in sein eigenes, kleines Tonstudio. Es besteht aus zwei halbwegs vernünftigen Boxen, einem Laptop, einem Mikrofon und der nötigen Verkabelung und befindet sich im Kinderzimmer des 20-Jährigen. Das Abmischen seiner Songs hat er sich autodidaktisch mit Cool Edit Pro, einem Aufnahmeprogramm aus den 90ern beigebracht. Auch Beats baut er sich mittlerweile selbst.
„Meine Songs behandeln vor allem die Realität. Es geht um das echte Leben, um die Symbiose aus Herz und Verstand. Ich liebe es, das zum Ausdruck zu bringen, was ich denke„, sagt er.
Das Leben in Ciudad Obregón ist nicht immer leicht. In seiner Heimatstadt gibt es nicht viele gut verdienende Menschen. Daher herrscht ein hoher Grad der Korruption: „Die Mafia hat hier das Sagen. Regelmäßig bringen sie Menschen um.“
Ein hartes Pflaster und sicherlich kein leichtes Umfeld. Doch Tone verarbeitet all das in seiner Musik. Wenn er rappt, so sagt er, fühle er sich frei und könne all das Schlechte um sich herum vergessen. „Es wäre schön eines Tages davon leben zu können. Diesen Traum gebe ich nie auf.“
Ceize aus London hat das bereits geschafft. Er kann von seiner Musik leben. Täglich verbringt er etwa drei Stunden auf den vollen Straßen der britischen Hauptstadt, um seine Musik zu promoten und selbstgebrannte CDs zu verkaufen. Die Leute geben ihm dafür so viel sie wollen und können. 60 Pfund hat er einmal für eine CD von einer jungen Frau aus dem schicken Bezirk Chelsea bekommen.
Die Musik liegt ihm im Blut. Sein Vater, der mittlerweile wieder in Jamaika lebt, war Mitglied von Coxs Sound, einer der größten europäischen Reggae-Gruppen der 70er. Ceize selbst hat vor vier Jahren mit Gleichgesinnten aus der Umgebung das eigene Label Crook Street gegründet. Mittlerweile sind dort neun Mitglieder versammelt. Sechs davon sind Rapper. Einen DJ, ein Produzent und einen PR-Beauftragten hat man ebenfalls an Bord.
„Wir wollen die Weltherrschaft„, sagt Ceize mit einem Augenzwinkern. „Wir sind ein Independent-Label. Wir können die Musik machen und die Leute rausbringen, die wir wollen. Unsere Musik representiert Probleme, Erfolg, Gemeinschaft und den Willen, immer weiter zu machen, komme was wolle.“
Genau dafür steht Ceize. 31 Jahre wird er im Mai. Noch immer wirkt er hungrig und ambitioniert. Er will seine Musik weiterverbreiten und traut sich zu, einer der ganz Großen im Vereinigten Königreich zu werden. Doch so überraschend das klingt, für britische Künstler ist es in Großbritannien nicht leicht, sich in der HipHop-Szene durchzusetzen: „HipHop ist hier sehr groß. Nicht aber für britische Künstler. Ich weiß, dass das keinen Sinn macht, doch wirklich gepusht werden hier nur amerikanische Künstler. Vielleicht ist das so, weil wir Schwarzen überall gleich aussehen und uns gleich verhalten. Doch was wir hier machen ist echter HipHop.“
HipHop also, wie er in New York seine Wurzeln hatte. HipHop aus dem Herzen, mit Blut, Schweiß und Tränen. Sowohl Tone, als auch Ceize kämpfen für ihren Traum, sich mit genau diesem Hip-Hop etwas aufzubauen. Die aufstrebenden Künstler sind das perfekte Beispiel dafür, dass HipHop in seiner Urform trotz all der Ausschweifungen, die er heutzutage besitzt, nicht tot ist. Überall auf der Welt wird er noch immer gelebt.