Kaveh aus Berlin beschäftigt sich in einem längeren Beitrag mit politischem Rap in Deutschland, insbesondere dessen nationalistischen und rassistischen Auswüchsen. Dabei stellt er einige sehr interessante Thesen auf, die durchaus als Diskussionsanstoß dienen können. Und genau dies tue ich hiermit, indem ich seinen Artikel nicht einfach kommentarlos wiedergebe, sondern gleich in die Diskussion einsteige.
Eine seiner Hauptthesen ist, dass sich Deutschrap unter dem Einfluss eines gesellschaftlichen Klimas des zunehmenden Fremdenhasses (das Kaveh mit einer in ihrem Umfang allerdings erschreckenden Aufzählung rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalttaten überzeugend belegt) derzeit immer weiter nach rechts bewegt. „Ich stelle die These auf, dass es in keinem anderen Land des Westens eine Rap-Szene gibt, in der konservatives, nationalistisches, patriotisches oder rassistisches Gedankengut so stark im Untergrund und Mainstream verankert ist und von der Mitte der Gesellschaft gefeiert wird wie in Deutschland.“ Kaveh macht das nicht nur an bekennend rechtsradikalen Rappern wie Makss Damage fest, sondern nennt Namen wie Fler, sido, Afrob, Harris, Bushido oder Liquit Walker.
Und da sind wir auch schon bei einem ersten Problem: Kaveh ist recht schnell dabei, einen Rapper als „rechts“ einzustufen, wobei „rechts“ hier für konservativ, nationalistisch, patriotisch oder rassistisch stehen soll. So reicht es beispielsweise, dass Afrob mehrfach seine Unterstützung für die amtierende Bundeskanzlerin Merkel äußerte. Harris indes wird als „konservativ“ eingestuft, weil er in seinem Song „Nur ein Augenblick“ junge Menschen mit Migrationshintergrund aufforderte, sich nicht aufgrund von Diskriminierungserfahrungen im Alltag von vornherein in eine Opferrolle zu begeben. Bushido schließlich wird als „bekennender AFD-Sympathisant“ bezeichnet. Durch seine Annahme des Integrations-Bambi (die er inzwischen öffentlich bedauert hat), obwohl er hier geboren und aufgewachsen sei, habe er „rassistische Stereotypen“ befördert.
Harris und Bushido seien „auf die vorherrschende Blut-und Boden-Ideologie“ hereingefallen. „Dies trägt nicht gerade dazu bei, dass die nicht-weiße Bevölkerung in Deutschland als gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft anerkannt wird, anstatt ständig als kulturell andersartig kategorisiert zu werden.“ Nicht ganz nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Harris ja gerade zu einer selbstbewussten Haltung auffordert, die nicht überall nach Diskriminierung sucht (gleichwohl es selbstverständlich sehr wohl Diskriminierungen gibt, s.o.).
Auch die Entwicklung, dass Rapper mit ausländischem Hintergrund diesen zunehmend als identitätsstiftend ansehen und die Fahnen der Herkunftsländer ihrer Eltern in Videos zur Schau stellen, sowie den Trend zu einer nach außen gekhrten Religiosität, die von den eigenen Eltern gar nicht in der Form vorgelebt wurde, geht er ein. Die Ursache dafür sieht er zum einen im seiner Meinung nach wachsenden Nationalismus der deutschen Gesellschaft insgesamt, und zum anderen in den Diskriminierungserfahrungen der Jugendlichen. Damit trifft er sicher zwei Punkte, gerade was die Zunahme einer bestimmten Art von Religiosität betrifft, geht er meiner Meinung nach aber nicht weit genug. Fragen nach einem Ideologien und Religionen immanenten Problem stellt er gar nicht.
Das fällt auch bereits in der Einleitung auf: Mit Religionskritik tut man sich links der Mitte derzeit offenbar schwer. Da wird einfach mal eine Necla Kelek, die sehr wohl berechtigte Kritik an bestimmten Phämomenen des islamischen Glaubens übt, mit einem plumpen Hetzer wie Thilo Sarrazin gleichgesetzt. Auch einem Heinz Buschkowski „Fremdenhass“ zu unterstellen, halte ich für sehr überzogen. Der Tenor des Ex-Bürgermeisters von Neukölln ist doch kein ausgrenzender, sondern eher einer, der fraglos vorhandene Probleme und Spannungsfelder erstmal überhaupt anspricht – über die Lösungen kann man dann ja diskutieren. Dass zudem „Angst vor Islamismus“ mit „Angst vor dem Islam“ gleichgesetzt wird, ist ein weiterer Schwachpunkt, vollzieht man so doch genau die Gleichsetzung von Islam und religiösem Fanatismus, die man völlig zu recht bei Pegida und Co kritisiert.
Insofern ist Kavehs Text auf jeden Fall ein interessanter Denkanstoß, auch wenn man nicht jeder seiner Thesen zustimmen muss. Besonders die ausführliche Aufzählung rechtsradikaler Gewaltakte ist bestürzend. Allerdings legt er teilweise etwas zu grobe Raster an, etwa, wenn es um die Einteilung von Afrob oder Harris als Rechte oder um die pauschale Abwertung von möglicherweise konstruktiver Religionskritik als Fremdenfeindlichkeit geht. Antisemitismus und Schwulenhass wiederum tauchen erst gar nicht auf. In diesem Sinne: Die Diskussion geht weiter! Hoffentlich.